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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert.

Von Rom her organisirte Widerstand weiter angefeuert und genährt wurde, und
so lange die Centrumsfraction wie auf Commando gegen alle Vorlagen der Re¬
gierung stimmte. Von Papst Pius IX. war keine Nachgiebigkeit zu erwarten, und
so mußten die Dinge eben bleiben, wie sie waren, obwohl auch der Staat unter
den Folgen der Action litt, die ihm von Rom aufgenöthigt worden war.




Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten
Jahrhundert.

lief. was die thätige Hand des Menschen erfindet, sei es zum
Nutzen, sei es zum Schmucke des Lebens, ist einem unaufhörlichen
Wechsel unterworfen. Wie in der Natur ein fortwährendes Kommen
und Gehen stattfindet, wie alte verbrauchte Formen der thierischen
und der pflanzlichen Welt lautlos verschwinden und höhern Ge¬
staltungen Platz machen, so können wir einen solchen Kampf ums Dasein, ein
solches Ablösen des überwundenen durch besseres jederzeit auch in der uns um¬
gebenden kleinen Welt des Hauses beobachten. Was die Großväter mit gerechtem
Erstaunen erfüllte, was noch die Gewohnheit der Eltern mit pietätvoller Zähigkeit
bewahrte, das werfen die Kinder erbarmungslos in die Rumpelkammer, um nach
ihren Begriffen schöneres, vollkommeneres zu benutzen. Wohl stehen anfangs
Sitte, durch lange Zeit geheiligte Gewohnheit, auch Indolenz jeder Neuerung
entgegen, aber der Nachahmungstrieb, der Wunsch, hinter andern nicht zurück¬
zubleiben, überwinden schließlich jedes Hinderniß, und es kommt die Zeit, wo
das Neue sich unbestrittene Herrschaft errungen hat. Aber nicht lange, so kommt
auch die Zeit, wo gegen diese Tyrannei wieder eine Auflehnung erfolgt und
°le angefochtene Größe von Stufe zu Stufe sinkt, um endlich auf dem Trödel¬
markte ihr Dasein zu beschließen.

So geht neben der laut dröhnenden Weltgeschichte eine stille Geschichte
einher. Selten kennen wir die Namen ihrer Feldherren, kein leuchtendes Mo¬
nument erinnert uns an ihre Thaten. Zwar die Hauptepochen dieser Geschichte
kennt wohl jeder. Sie werden durch großartige Neuerungen, wie die Erfindung
der Buchdruckerkunst, der Locomotive, des Telegraphen bestimmt. Die geringern
Fortschritte aber auf dem weiten Gebiete des täglichen Lebens entziehen sich
allgemeiner Kenntniß. Und doch sind auch diese außerordentlich interessant. Die
Fülle der uns im Hause umgebenden Gegenstände, vom Stuhle, vom Schreib¬
tisch und Schrank, vom Bild und der Tapete bis zum unscheinbarsten thönernen
Gefäß der Küche, ja das Haus selbst, sie alle haben eine lange Geschichte hinter


Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert.

Von Rom her organisirte Widerstand weiter angefeuert und genährt wurde, und
so lange die Centrumsfraction wie auf Commando gegen alle Vorlagen der Re¬
gierung stimmte. Von Papst Pius IX. war keine Nachgiebigkeit zu erwarten, und
so mußten die Dinge eben bleiben, wie sie waren, obwohl auch der Staat unter
den Folgen der Action litt, die ihm von Rom aufgenöthigt worden war.




Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten
Jahrhundert.

lief. was die thätige Hand des Menschen erfindet, sei es zum
Nutzen, sei es zum Schmucke des Lebens, ist einem unaufhörlichen
Wechsel unterworfen. Wie in der Natur ein fortwährendes Kommen
und Gehen stattfindet, wie alte verbrauchte Formen der thierischen
und der pflanzlichen Welt lautlos verschwinden und höhern Ge¬
staltungen Platz machen, so können wir einen solchen Kampf ums Dasein, ein
solches Ablösen des überwundenen durch besseres jederzeit auch in der uns um¬
gebenden kleinen Welt des Hauses beobachten. Was die Großväter mit gerechtem
Erstaunen erfüllte, was noch die Gewohnheit der Eltern mit pietätvoller Zähigkeit
bewahrte, das werfen die Kinder erbarmungslos in die Rumpelkammer, um nach
ihren Begriffen schöneres, vollkommeneres zu benutzen. Wohl stehen anfangs
Sitte, durch lange Zeit geheiligte Gewohnheit, auch Indolenz jeder Neuerung
entgegen, aber der Nachahmungstrieb, der Wunsch, hinter andern nicht zurück¬
zubleiben, überwinden schließlich jedes Hinderniß, und es kommt die Zeit, wo
das Neue sich unbestrittene Herrschaft errungen hat. Aber nicht lange, so kommt
auch die Zeit, wo gegen diese Tyrannei wieder eine Auflehnung erfolgt und
°le angefochtene Größe von Stufe zu Stufe sinkt, um endlich auf dem Trödel¬
markte ihr Dasein zu beschließen.

So geht neben der laut dröhnenden Weltgeschichte eine stille Geschichte
einher. Selten kennen wir die Namen ihrer Feldherren, kein leuchtendes Mo¬
nument erinnert uns an ihre Thaten. Zwar die Hauptepochen dieser Geschichte
kennt wohl jeder. Sie werden durch großartige Neuerungen, wie die Erfindung
der Buchdruckerkunst, der Locomotive, des Telegraphen bestimmt. Die geringern
Fortschritte aber auf dem weiten Gebiete des täglichen Lebens entziehen sich
allgemeiner Kenntniß. Und doch sind auch diese außerordentlich interessant. Die
Fülle der uns im Hause umgebenden Gegenstände, vom Stuhle, vom Schreib¬
tisch und Schrank, vom Bild und der Tapete bis zum unscheinbarsten thönernen
Gefäß der Küche, ja das Haus selbst, sie alle haben eine lange Geschichte hinter


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[0197] Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert. Von Rom her organisirte Widerstand weiter angefeuert und genährt wurde, und so lange die Centrumsfraction wie auf Commando gegen alle Vorlagen der Re¬ gierung stimmte. Von Papst Pius IX. war keine Nachgiebigkeit zu erwarten, und so mußten die Dinge eben bleiben, wie sie waren, obwohl auch der Staat unter den Folgen der Action litt, die ihm von Rom aufgenöthigt worden war. Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert. lief. was die thätige Hand des Menschen erfindet, sei es zum Nutzen, sei es zum Schmucke des Lebens, ist einem unaufhörlichen Wechsel unterworfen. Wie in der Natur ein fortwährendes Kommen und Gehen stattfindet, wie alte verbrauchte Formen der thierischen und der pflanzlichen Welt lautlos verschwinden und höhern Ge¬ staltungen Platz machen, so können wir einen solchen Kampf ums Dasein, ein solches Ablösen des überwundenen durch besseres jederzeit auch in der uns um¬ gebenden kleinen Welt des Hauses beobachten. Was die Großväter mit gerechtem Erstaunen erfüllte, was noch die Gewohnheit der Eltern mit pietätvoller Zähigkeit bewahrte, das werfen die Kinder erbarmungslos in die Rumpelkammer, um nach ihren Begriffen schöneres, vollkommeneres zu benutzen. Wohl stehen anfangs Sitte, durch lange Zeit geheiligte Gewohnheit, auch Indolenz jeder Neuerung entgegen, aber der Nachahmungstrieb, der Wunsch, hinter andern nicht zurück¬ zubleiben, überwinden schließlich jedes Hinderniß, und es kommt die Zeit, wo das Neue sich unbestrittene Herrschaft errungen hat. Aber nicht lange, so kommt auch die Zeit, wo gegen diese Tyrannei wieder eine Auflehnung erfolgt und °le angefochtene Größe von Stufe zu Stufe sinkt, um endlich auf dem Trödel¬ markte ihr Dasein zu beschließen. So geht neben der laut dröhnenden Weltgeschichte eine stille Geschichte einher. Selten kennen wir die Namen ihrer Feldherren, kein leuchtendes Mo¬ nument erinnert uns an ihre Thaten. Zwar die Hauptepochen dieser Geschichte kennt wohl jeder. Sie werden durch großartige Neuerungen, wie die Erfindung der Buchdruckerkunst, der Locomotive, des Telegraphen bestimmt. Die geringern Fortschritte aber auf dem weiten Gebiete des täglichen Lebens entziehen sich allgemeiner Kenntniß. Und doch sind auch diese außerordentlich interessant. Die Fülle der uns im Hause umgebenden Gegenstände, vom Stuhle, vom Schreib¬ tisch und Schrank, vom Bild und der Tapete bis zum unscheinbarsten thönernen Gefäß der Küche, ja das Haus selbst, sie alle haben eine lange Geschichte hinter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/197>, abgerufen am 28.04.2024.