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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert

sich, ganze Jahrhunderte haben Witz und Geschicklichkeit an ihre Verbesserung
und Verschönerung gewendet.

Mit besondrer Vorliebe geht unsere Zeit den Spuren solcher Entwicklung
nach. Mehr als eine werthvolle Publication hat in der letzten Zeit unsere
Kenntniß von dem häuslichen Leben unserer Vorfahren erweitert. Ein Werk
dieser Art ist auch das eben erschienene: "Das tägliche Leben in Skandinavien
während des sechzehnten Jahrhunderts" von Dr. Troels Lund.*) Mit staunens¬
werthen Fleiße hat der Verfasser sein reichhaltiges Material aus historischen
Werken, Chroniken, Urkunden, Stadtrechnungen, Testamenten, Briefen, Reise-
schilderungcn, Gedichten zusammengesucht, und in frischer, anregender Darstellung,
der man den schwer gelehrten Untergrund kaum ansieht, weiß er uns in ver¬
gangene Zeit zurückzuführen, versteht er das Alte zu schildern und die ihm an¬
haftenden Mängel darzulegen und zeigt, welche Aenderungen erfolgen mußten,
woher sie kamen, welche Nebenbildungen ihnen anhingen, und wie endlich das
Zweckmäßigste den Sieg davontrug.

Einen erhöhten Werth erhält Troels Lunds Buch durch die Zeit, deren
Einrichtungen es zum Gegenstande der Behandlung macht. In dem wechsel¬
vollen sechzehnten Jahrhundert hatte in Deutschland und in England der Ein¬
fluß Italiens einen gewaltigen Umschwung hervorgerufen, dem nichts zu wider¬
stehen vermochte, während in den nordischen Reichen manche alte Einrichtung
treu bewahrt wurde. Wenn daher der Verfasser hier von den: Bauernhause anfangend
die städtischen Wohnungen und zuletzt die Herrensitze schildert, so giebt er damit
eine culturgeschichtliche Studie über die Entwicklung und Einrichtung der Woh¬
nungen überhaupt. Folgen wir dem kundigen Führer und werfen wir einen Blick
in die Wohnungen der Vorväter uns nahe verwandter Völker.

Düster, unfreundlich erschien das skandinavische Bauernhaus, ein gewaltiges
Dach auf niederer Balkenwand von mäßiger Manneshöhe. Keine Fenster in
der Mauer, kein Schornstein; nur der aus der Dachöffnung aufsteigende Rauch
verrieth, daß diese seltsame Masse eine menschliche Wohnung war. Gewöhnlich
bestand die Bekleidung des Daches aus Stroh, Schilfrohr oder Haidekraut.
Weiter im Norden aber pflegte man das Holzwerk mit Birkenrinde zu bedecken
und darauf Grasstücken zu legen. Die Art der Bedachung vermochte allein
noch den Häusern ein freundliches Aussehen zu geben. Denn solche Dächer
prangten im Sommer in Grün und Blumenschmuck und wurden, wenn sie recht
tief herabreichten, oft zum Tummelplatz für die behenden Ziegen des Hauses;
ja selbst Schafe und Schweine fanden mitunter ihren Weg dahin.



*) Das tägliche Leben in Skandinavien während des sechzehnten Jahr¬
hunderts. Eine culturhistorische Studie über die Entwicklung und Einrichtung der Woh¬
nungen von Dr. Troels Lund. Deutsche, vom Verfasser besorgte Ausgabe. Kopenhagen,
Verlag von Andr. Fred. Höhe und Sohn, UnivcrsitätSbuchhändler, Kommissionär der kgl-
dän. Gesellschaft der Wissenschaften, 1882.
Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert

sich, ganze Jahrhunderte haben Witz und Geschicklichkeit an ihre Verbesserung
und Verschönerung gewendet.

Mit besondrer Vorliebe geht unsere Zeit den Spuren solcher Entwicklung
nach. Mehr als eine werthvolle Publication hat in der letzten Zeit unsere
Kenntniß von dem häuslichen Leben unserer Vorfahren erweitert. Ein Werk
dieser Art ist auch das eben erschienene: „Das tägliche Leben in Skandinavien
während des sechzehnten Jahrhunderts" von Dr. Troels Lund.*) Mit staunens¬
werthen Fleiße hat der Verfasser sein reichhaltiges Material aus historischen
Werken, Chroniken, Urkunden, Stadtrechnungen, Testamenten, Briefen, Reise-
schilderungcn, Gedichten zusammengesucht, und in frischer, anregender Darstellung,
der man den schwer gelehrten Untergrund kaum ansieht, weiß er uns in ver¬
gangene Zeit zurückzuführen, versteht er das Alte zu schildern und die ihm an¬
haftenden Mängel darzulegen und zeigt, welche Aenderungen erfolgen mußten,
woher sie kamen, welche Nebenbildungen ihnen anhingen, und wie endlich das
Zweckmäßigste den Sieg davontrug.

Einen erhöhten Werth erhält Troels Lunds Buch durch die Zeit, deren
Einrichtungen es zum Gegenstande der Behandlung macht. In dem wechsel¬
vollen sechzehnten Jahrhundert hatte in Deutschland und in England der Ein¬
fluß Italiens einen gewaltigen Umschwung hervorgerufen, dem nichts zu wider¬
stehen vermochte, während in den nordischen Reichen manche alte Einrichtung
treu bewahrt wurde. Wenn daher der Verfasser hier von den: Bauernhause anfangend
die städtischen Wohnungen und zuletzt die Herrensitze schildert, so giebt er damit
eine culturgeschichtliche Studie über die Entwicklung und Einrichtung der Woh¬
nungen überhaupt. Folgen wir dem kundigen Führer und werfen wir einen Blick
in die Wohnungen der Vorväter uns nahe verwandter Völker.

Düster, unfreundlich erschien das skandinavische Bauernhaus, ein gewaltiges
Dach auf niederer Balkenwand von mäßiger Manneshöhe. Keine Fenster in
der Mauer, kein Schornstein; nur der aus der Dachöffnung aufsteigende Rauch
verrieth, daß diese seltsame Masse eine menschliche Wohnung war. Gewöhnlich
bestand die Bekleidung des Daches aus Stroh, Schilfrohr oder Haidekraut.
Weiter im Norden aber pflegte man das Holzwerk mit Birkenrinde zu bedecken
und darauf Grasstücken zu legen. Die Art der Bedachung vermochte allein
noch den Häusern ein freundliches Aussehen zu geben. Denn solche Dächer
prangten im Sommer in Grün und Blumenschmuck und wurden, wenn sie recht
tief herabreichten, oft zum Tummelplatz für die behenden Ziegen des Hauses;
ja selbst Schafe und Schweine fanden mitunter ihren Weg dahin.



*) Das tägliche Leben in Skandinavien während des sechzehnten Jahr¬
hunderts. Eine culturhistorische Studie über die Entwicklung und Einrichtung der Woh¬
nungen von Dr. Troels Lund. Deutsche, vom Verfasser besorgte Ausgabe. Kopenhagen,
Verlag von Andr. Fred. Höhe und Sohn, UnivcrsitätSbuchhändler, Kommissionär der kgl-
dän. Gesellschaft der Wissenschaften, 1882.
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[0198] Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert sich, ganze Jahrhunderte haben Witz und Geschicklichkeit an ihre Verbesserung und Verschönerung gewendet. Mit besondrer Vorliebe geht unsere Zeit den Spuren solcher Entwicklung nach. Mehr als eine werthvolle Publication hat in der letzten Zeit unsere Kenntniß von dem häuslichen Leben unserer Vorfahren erweitert. Ein Werk dieser Art ist auch das eben erschienene: „Das tägliche Leben in Skandinavien während des sechzehnten Jahrhunderts" von Dr. Troels Lund.*) Mit staunens¬ werthen Fleiße hat der Verfasser sein reichhaltiges Material aus historischen Werken, Chroniken, Urkunden, Stadtrechnungen, Testamenten, Briefen, Reise- schilderungcn, Gedichten zusammengesucht, und in frischer, anregender Darstellung, der man den schwer gelehrten Untergrund kaum ansieht, weiß er uns in ver¬ gangene Zeit zurückzuführen, versteht er das Alte zu schildern und die ihm an¬ haftenden Mängel darzulegen und zeigt, welche Aenderungen erfolgen mußten, woher sie kamen, welche Nebenbildungen ihnen anhingen, und wie endlich das Zweckmäßigste den Sieg davontrug. Einen erhöhten Werth erhält Troels Lunds Buch durch die Zeit, deren Einrichtungen es zum Gegenstande der Behandlung macht. In dem wechsel¬ vollen sechzehnten Jahrhundert hatte in Deutschland und in England der Ein¬ fluß Italiens einen gewaltigen Umschwung hervorgerufen, dem nichts zu wider¬ stehen vermochte, während in den nordischen Reichen manche alte Einrichtung treu bewahrt wurde. Wenn daher der Verfasser hier von den: Bauernhause anfangend die städtischen Wohnungen und zuletzt die Herrensitze schildert, so giebt er damit eine culturgeschichtliche Studie über die Entwicklung und Einrichtung der Woh¬ nungen überhaupt. Folgen wir dem kundigen Führer und werfen wir einen Blick in die Wohnungen der Vorväter uns nahe verwandter Völker. Düster, unfreundlich erschien das skandinavische Bauernhaus, ein gewaltiges Dach auf niederer Balkenwand von mäßiger Manneshöhe. Keine Fenster in der Mauer, kein Schornstein; nur der aus der Dachöffnung aufsteigende Rauch verrieth, daß diese seltsame Masse eine menschliche Wohnung war. Gewöhnlich bestand die Bekleidung des Daches aus Stroh, Schilfrohr oder Haidekraut. Weiter im Norden aber pflegte man das Holzwerk mit Birkenrinde zu bedecken und darauf Grasstücken zu legen. Die Art der Bedachung vermochte allein noch den Häusern ein freundliches Aussehen zu geben. Denn solche Dächer prangten im Sommer in Grün und Blumenschmuck und wurden, wenn sie recht tief herabreichten, oft zum Tummelplatz für die behenden Ziegen des Hauses; ja selbst Schafe und Schweine fanden mitunter ihren Weg dahin. *) Das tägliche Leben in Skandinavien während des sechzehnten Jahr¬ hunderts. Eine culturhistorische Studie über die Entwicklung und Einrichtung der Woh¬ nungen von Dr. Troels Lund. Deutsche, vom Verfasser besorgte Ausgabe. Kopenhagen, Verlag von Andr. Fred. Höhe und Sohn, UnivcrsitätSbuchhändler, Kommissionär der kgl- dän. Gesellschaft der Wissenschaften, 1882.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/198>, abgerufen am 14.05.2024.