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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Deutsche Palästinafcchrteu,

Als uns vor kurzem ein angesehener Verlagsbuchhändler persönlich sein
neuestes Verlagswerk übergab, blätterten wir es in seiner Gegenwart an, und
zufällig fiel uns ein höchst fragwürdig stilisirter Satz in die Augen, "Das
Buch ist wohl gut geschrieben?" fragten wir beiläufig, -- "Das weiß ich nicht,
ich habe es nicht gelesen," -- "Was? Nicht gelesen? Und doch gedruckt?" --
"Ja, was denken Sie? Wenn ich alle Bücher lesen sollte, die ich drücke, so
hätte ich viel zu thun," In diese Kategorie der nicht gelesenen und doch ge¬
druckten Bücher, die einen größern Umfang hat, als das Publicum sich träumen
läßt, gehört sicherlich auch der "Meisterschüler" des Herrn Franz Keim. Wir
würden glauben, dem gute" Geschmack der Verlagshandlung zu nahe zu treten,
wenn wir annehmen wollten, daß es anders sei.




Deutsche j)alästinafahrten.")
2. Auf der See und im heiligen Lande.

egreiflichcrweise wurde die Seereise mit gehobenen Gefühlen an¬
getreten, denen man durch entsprechende Feierlichkeiten Ausdruck
verlieh. Man trank die sogenannte Johcinnisminne, fiel ans die
Kniee und sang fromme Lieder, Von einem Franzosen wird aus¬
drücklich anerkannt, daß die Deutschen sich im Vergleich zu andern
Pilgern dadurch auszeichneten, daß sie nicht eitle und lästerliche, sondern gottes-
fürchtige Gesänge anstimmten. Während der darauf abgehaltenen Messe betete
alles inbrünstig um "Stille des Meeres und glückhaften Wind," Wessen Seele
hätte um nicht höheren Schwung nehmen und nicht von bester Hoffnung erfüllt
sein sollen? Wehte doch neben der Fahne des Patrons und der des heiligen
Markus auch das Banner des Papstes und die Pilgerfahne -- weiß mit rothem
Kreuze -- vom Maste herab!

Die Seefahrt, welche gewöhnlich über Parenzo, Rovigno, Pola, Zara,
Ragusa, Zanke, Motor und Cerigo nach Candia und von da über Rhodus und
Cypern ging, ihr Ende aber in Jaffa erreichte, dauerte meist sechs bis acht
Wochen und bot dem deutschen Pilger reiche Gelegenheit, Erfahrungen ange¬
nehmer und unangenehmer Art zu fcimmeln. Gewöhnlich treten sehr bald die
Enttäuschungen ein. Einmal stellt sich kurze Zeit nach der Abfahrt heraus,
daß das Schiff undicht ist und fortwährendes Pumpen, an dem auch Pilger
theilnehmen müssen, nothwendig macht. Die Passagiere verlangen energisch



"°) Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande, herausgegeben und erläutert
von Reinhold Röhricht und Heinrich Meisner, Berlin, Weidmann, 1880,
Deutsche Palästinafcchrteu,

Als uns vor kurzem ein angesehener Verlagsbuchhändler persönlich sein
neuestes Verlagswerk übergab, blätterten wir es in seiner Gegenwart an, und
zufällig fiel uns ein höchst fragwürdig stilisirter Satz in die Augen, „Das
Buch ist wohl gut geschrieben?" fragten wir beiläufig, — „Das weiß ich nicht,
ich habe es nicht gelesen," — „Was? Nicht gelesen? Und doch gedruckt?" —
„Ja, was denken Sie? Wenn ich alle Bücher lesen sollte, die ich drücke, so
hätte ich viel zu thun," In diese Kategorie der nicht gelesenen und doch ge¬
druckten Bücher, die einen größern Umfang hat, als das Publicum sich träumen
läßt, gehört sicherlich auch der „Meisterschüler" des Herrn Franz Keim. Wir
würden glauben, dem gute» Geschmack der Verlagshandlung zu nahe zu treten,
wenn wir annehmen wollten, daß es anders sei.




Deutsche j)alästinafahrten.")
2. Auf der See und im heiligen Lande.

egreiflichcrweise wurde die Seereise mit gehobenen Gefühlen an¬
getreten, denen man durch entsprechende Feierlichkeiten Ausdruck
verlieh. Man trank die sogenannte Johcinnisminne, fiel ans die
Kniee und sang fromme Lieder, Von einem Franzosen wird aus¬
drücklich anerkannt, daß die Deutschen sich im Vergleich zu andern
Pilgern dadurch auszeichneten, daß sie nicht eitle und lästerliche, sondern gottes-
fürchtige Gesänge anstimmten. Während der darauf abgehaltenen Messe betete
alles inbrünstig um „Stille des Meeres und glückhaften Wind," Wessen Seele
hätte um nicht höheren Schwung nehmen und nicht von bester Hoffnung erfüllt
sein sollen? Wehte doch neben der Fahne des Patrons und der des heiligen
Markus auch das Banner des Papstes und die Pilgerfahne — weiß mit rothem
Kreuze — vom Maste herab!

Die Seefahrt, welche gewöhnlich über Parenzo, Rovigno, Pola, Zara,
Ragusa, Zanke, Motor und Cerigo nach Candia und von da über Rhodus und
Cypern ging, ihr Ende aber in Jaffa erreichte, dauerte meist sechs bis acht
Wochen und bot dem deutschen Pilger reiche Gelegenheit, Erfahrungen ange¬
nehmer und unangenehmer Art zu fcimmeln. Gewöhnlich treten sehr bald die
Enttäuschungen ein. Einmal stellt sich kurze Zeit nach der Abfahrt heraus,
daß das Schiff undicht ist und fortwährendes Pumpen, an dem auch Pilger
theilnehmen müssen, nothwendig macht. Die Passagiere verlangen energisch



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von Reinhold Röhricht und Heinrich Meisner, Berlin, Weidmann, 1880,
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[0282] Deutsche Palästinafcchrteu, Als uns vor kurzem ein angesehener Verlagsbuchhändler persönlich sein neuestes Verlagswerk übergab, blätterten wir es in seiner Gegenwart an, und zufällig fiel uns ein höchst fragwürdig stilisirter Satz in die Augen, „Das Buch ist wohl gut geschrieben?" fragten wir beiläufig, — „Das weiß ich nicht, ich habe es nicht gelesen," — „Was? Nicht gelesen? Und doch gedruckt?" — „Ja, was denken Sie? Wenn ich alle Bücher lesen sollte, die ich drücke, so hätte ich viel zu thun," In diese Kategorie der nicht gelesenen und doch ge¬ druckten Bücher, die einen größern Umfang hat, als das Publicum sich träumen läßt, gehört sicherlich auch der „Meisterschüler" des Herrn Franz Keim. Wir würden glauben, dem gute» Geschmack der Verlagshandlung zu nahe zu treten, wenn wir annehmen wollten, daß es anders sei. Deutsche j)alästinafahrten.") 2. Auf der See und im heiligen Lande. egreiflichcrweise wurde die Seereise mit gehobenen Gefühlen an¬ getreten, denen man durch entsprechende Feierlichkeiten Ausdruck verlieh. Man trank die sogenannte Johcinnisminne, fiel ans die Kniee und sang fromme Lieder, Von einem Franzosen wird aus¬ drücklich anerkannt, daß die Deutschen sich im Vergleich zu andern Pilgern dadurch auszeichneten, daß sie nicht eitle und lästerliche, sondern gottes- fürchtige Gesänge anstimmten. Während der darauf abgehaltenen Messe betete alles inbrünstig um „Stille des Meeres und glückhaften Wind," Wessen Seele hätte um nicht höheren Schwung nehmen und nicht von bester Hoffnung erfüllt sein sollen? Wehte doch neben der Fahne des Patrons und der des heiligen Markus auch das Banner des Papstes und die Pilgerfahne — weiß mit rothem Kreuze — vom Maste herab! Die Seefahrt, welche gewöhnlich über Parenzo, Rovigno, Pola, Zara, Ragusa, Zanke, Motor und Cerigo nach Candia und von da über Rhodus und Cypern ging, ihr Ende aber in Jaffa erreichte, dauerte meist sechs bis acht Wochen und bot dem deutschen Pilger reiche Gelegenheit, Erfahrungen ange¬ nehmer und unangenehmer Art zu fcimmeln. Gewöhnlich treten sehr bald die Enttäuschungen ein. Einmal stellt sich kurze Zeit nach der Abfahrt heraus, daß das Schiff undicht ist und fortwährendes Pumpen, an dem auch Pilger theilnehmen müssen, nothwendig macht. Die Passagiere verlangen energisch "°) Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande, herausgegeben und erläutert von Reinhold Röhricht und Heinrich Meisner, Berlin, Weidmann, 1880,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/282>, abgerufen am 29.04.2024.