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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Karl der Zweite,
Herzog zu Braunschweig und Lüneburg.*)

le Gestalt Herzog Karls II, zu Braunschweig und Lüneburg bildet
für einen Geschichtschreiber der neuern Zeit gewiß einen nicht
uninteressanter Vorwurf. War auch das Gebiet, welches dieser
Fürst beherrschte, nur von einem sehr geringen Umfange, war auch
seine Regententhätigkcit nur von kurzer Dauer und ohne alle Frucht,
so wird er doch stets für die rühmlose Geschichte der ersten Jahrzehnte nach
den Befreiungskriegen eine gewisse Bedeutung behalten. Denn ohne Zweifel ist
er für diese Epoche der charakteristischste Typus eines entarteten, verbildeten
Souveräns, wohl der schlechteste Herrscher, der damals auf einem deutschen
Throne gesessen. Bei seiner Geburt war überall im Lande die größte Freude
gewesen. Lange hatte mau vergeblich auf eiuen Enkel für den Herzog Karl
Wilhelm Ferdinand gehofft. "Braunschweigs Glück der Nachwelt gesichert,"
war die Inschrift eiuer zur Feier dieses Ereignisses geschlagenen Medaille, Nach¬
dem er dann el" neunzehnjähriger Jüngling unter dem Jubel des Volks die
Regierung seines Herzogthums angetreten und nicht ganz sieben Jahre geführt
hatte, mußte er vor dem allgemeinen Unwillen seiner Unterthanen die Flucht
ergreifen, um niemals wieder in die Stadt seiner Väter zurückzukehren. Und
als er in weiter Ferne nach mehr als vierzig Jahren sein trübseliges Leben
beschloß, rief sein Tod nicht die geringste Theilnahme in feiner Heimat hervor.
So gründlich hat dieser Fürst die treue Liebe eines gutgearteten, seinein Fürsten-
Hause mit Stolz und Vertrauen fest anhängenden Ländchens zu verscherzen ge¬
wußt. Die Verhältnisse, unter denen alles dieses sich vollzog, nnter denen sich Karl
von früher Jugend auf entwickelte, seine Mißregiernng führte und seine Herr¬
schaft verlor, werfen auf die ganze Zeitgeschichte höchst bezeichnende Schlag¬
lichter. Es wird daher eine Darstellung der Geschichte dieses Herzogs anch das
Interesse weiterer Kreise mit Recht in Anspruch nehmen können.

Die Arbeit, die für eiuen Geschichtschreiber hier der Erledigung harrt, ist
freilich keine geringe. Viel ist vor, während und nach der Regierung des Herzogs
Karl über denselben geschrieben worden; in vielen Punkten stehen die Nachrichten
über ihn in grellem Widerspruche zu einander: mit ebenso leidenschaftlichem Eifer
schrieben die einen für wie die andern gegen ihn. Und nicht nur von blinder
Parteilichkeit waren die Federn, die hier in Bewegung gesetzt wurden, geleitet;



*) Der Diamanten-Herzog, Ein deutscher Prinzenspiegel, Von Karl Braun -
Wiesbaden. Berlin, A, Hofmann n, Co,, 18L1,
Karl der Zweite,
Herzog zu Braunschweig und Lüneburg.*)

le Gestalt Herzog Karls II, zu Braunschweig und Lüneburg bildet
für einen Geschichtschreiber der neuern Zeit gewiß einen nicht
uninteressanter Vorwurf. War auch das Gebiet, welches dieser
Fürst beherrschte, nur von einem sehr geringen Umfange, war auch
seine Regententhätigkcit nur von kurzer Dauer und ohne alle Frucht,
so wird er doch stets für die rühmlose Geschichte der ersten Jahrzehnte nach
den Befreiungskriegen eine gewisse Bedeutung behalten. Denn ohne Zweifel ist
er für diese Epoche der charakteristischste Typus eines entarteten, verbildeten
Souveräns, wohl der schlechteste Herrscher, der damals auf einem deutschen
Throne gesessen. Bei seiner Geburt war überall im Lande die größte Freude
gewesen. Lange hatte mau vergeblich auf eiuen Enkel für den Herzog Karl
Wilhelm Ferdinand gehofft. „Braunschweigs Glück der Nachwelt gesichert,"
war die Inschrift eiuer zur Feier dieses Ereignisses geschlagenen Medaille, Nach¬
dem er dann el» neunzehnjähriger Jüngling unter dem Jubel des Volks die
Regierung seines Herzogthums angetreten und nicht ganz sieben Jahre geführt
hatte, mußte er vor dem allgemeinen Unwillen seiner Unterthanen die Flucht
ergreifen, um niemals wieder in die Stadt seiner Väter zurückzukehren. Und
als er in weiter Ferne nach mehr als vierzig Jahren sein trübseliges Leben
beschloß, rief sein Tod nicht die geringste Theilnahme in feiner Heimat hervor.
So gründlich hat dieser Fürst die treue Liebe eines gutgearteten, seinein Fürsten-
Hause mit Stolz und Vertrauen fest anhängenden Ländchens zu verscherzen ge¬
wußt. Die Verhältnisse, unter denen alles dieses sich vollzog, nnter denen sich Karl
von früher Jugend auf entwickelte, seine Mißregiernng führte und seine Herr¬
schaft verlor, werfen auf die ganze Zeitgeschichte höchst bezeichnende Schlag¬
lichter. Es wird daher eine Darstellung der Geschichte dieses Herzogs anch das
Interesse weiterer Kreise mit Recht in Anspruch nehmen können.

Die Arbeit, die für eiuen Geschichtschreiber hier der Erledigung harrt, ist
freilich keine geringe. Viel ist vor, während und nach der Regierung des Herzogs
Karl über denselben geschrieben worden; in vielen Punkten stehen die Nachrichten
über ihn in grellem Widerspruche zu einander: mit ebenso leidenschaftlichem Eifer
schrieben die einen für wie die andern gegen ihn. Und nicht nur von blinder
Parteilichkeit waren die Federn, die hier in Bewegung gesetzt wurden, geleitet;



*) Der Diamanten-Herzog, Ein deutscher Prinzenspiegel, Von Karl Braun -
Wiesbaden. Berlin, A, Hofmann n, Co,, 18L1,
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[0354] Karl der Zweite, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg.*) le Gestalt Herzog Karls II, zu Braunschweig und Lüneburg bildet für einen Geschichtschreiber der neuern Zeit gewiß einen nicht uninteressanter Vorwurf. War auch das Gebiet, welches dieser Fürst beherrschte, nur von einem sehr geringen Umfange, war auch seine Regententhätigkcit nur von kurzer Dauer und ohne alle Frucht, so wird er doch stets für die rühmlose Geschichte der ersten Jahrzehnte nach den Befreiungskriegen eine gewisse Bedeutung behalten. Denn ohne Zweifel ist er für diese Epoche der charakteristischste Typus eines entarteten, verbildeten Souveräns, wohl der schlechteste Herrscher, der damals auf einem deutschen Throne gesessen. Bei seiner Geburt war überall im Lande die größte Freude gewesen. Lange hatte mau vergeblich auf eiuen Enkel für den Herzog Karl Wilhelm Ferdinand gehofft. „Braunschweigs Glück der Nachwelt gesichert," war die Inschrift eiuer zur Feier dieses Ereignisses geschlagenen Medaille, Nach¬ dem er dann el» neunzehnjähriger Jüngling unter dem Jubel des Volks die Regierung seines Herzogthums angetreten und nicht ganz sieben Jahre geführt hatte, mußte er vor dem allgemeinen Unwillen seiner Unterthanen die Flucht ergreifen, um niemals wieder in die Stadt seiner Väter zurückzukehren. Und als er in weiter Ferne nach mehr als vierzig Jahren sein trübseliges Leben beschloß, rief sein Tod nicht die geringste Theilnahme in feiner Heimat hervor. So gründlich hat dieser Fürst die treue Liebe eines gutgearteten, seinein Fürsten- Hause mit Stolz und Vertrauen fest anhängenden Ländchens zu verscherzen ge¬ wußt. Die Verhältnisse, unter denen alles dieses sich vollzog, nnter denen sich Karl von früher Jugend auf entwickelte, seine Mißregiernng führte und seine Herr¬ schaft verlor, werfen auf die ganze Zeitgeschichte höchst bezeichnende Schlag¬ lichter. Es wird daher eine Darstellung der Geschichte dieses Herzogs anch das Interesse weiterer Kreise mit Recht in Anspruch nehmen können. Die Arbeit, die für eiuen Geschichtschreiber hier der Erledigung harrt, ist freilich keine geringe. Viel ist vor, während und nach der Regierung des Herzogs Karl über denselben geschrieben worden; in vielen Punkten stehen die Nachrichten über ihn in grellem Widerspruche zu einander: mit ebenso leidenschaftlichem Eifer schrieben die einen für wie die andern gegen ihn. Und nicht nur von blinder Parteilichkeit waren die Federn, die hier in Bewegung gesetzt wurden, geleitet; *) Der Diamanten-Herzog, Ein deutscher Prinzenspiegel, Von Karl Braun - Wiesbaden. Berlin, A, Hofmann n, Co,, 18L1,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/354>, abgerufen am 29.04.2024.