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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Kanzlerknsis,

den Kenner der Verhältnisse selbstverständlich sein. Daß auch der Kronprinz
die Meinung des Fürsten Bismarck theilt, darf ebenfalls mit Sicherheit ange¬
nommen werden. Die kaiserliche Botschaft, mit welcher der Reichstag eröffnet
wurde, zeigt jene Uebereinstimmung aufs klarste und unzweideutigste. Von
den socialpolitischen Plänen des Kanzlers heißt es darin: "Wir halten es für
Unsre kaiserliche Pflicht, dem Reichstage diese Aufgabe von neuem ans Herz
zu legen, und Wir würden mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge,
mit denen Gott Unsre Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es
Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und
dauernde Bürgschaften seines innern Friedens und den Hilfsbedürftigen größere
Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu
hinterlassen." Der Entwurf eines Unfallversicherungsgesetzes wird durch eine
Vorlage ergänzt werden, "welche sich eine gleichmäßige Organisation des ge¬
werblichen Krankenknsscnwesens zur Aufgabe stellt." Weiterhin heißt es: "Aber
auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden,
haben der Gesammtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres
Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zu Theil werden können." Belone
wird, daß der deutsche Staat "auf den sittlichen Fundamenten des christlichen
Volkslebens steht." Auch das Tabaksmonopol wird mit den Worten festge¬
halten: "Die weitere Durchführung der in den letzten Jahren begonnenen Steuer¬
reform weist auf die Eröffnung ergiebiger Einnahmequellen durch indirecte Reichs¬
steuern hin, um die Negierung in den Stand zu setzen, dafür drückende directe
Landessteuern abzuschaffen und die Gemeinden von Armen- und Schnllasten,
von Zuschlägen zu Grund- und Personalsteuern und von andern directen Ab¬
gaben zu entlasten. Der sicherste Weg hierzu liegt nach den in benachbarten
Ländern gemachten Erfahrungen in der Einführung des Tabaksmonopols, über
welche wir die Entscheidung der gesetzgebenden Körper des Reiches herbeizuführen
beabsichtigen."

Das Volk weiß jetzt, was von den Vorspiegelungen zu halten ist, mit
denen man ihm einredete, die bisherige sociale und Steuerpolitik des Kanzlers
sei ein Ausfluß seiner persönlichen Ansichten und Absichten. Der Kaiser ist mit
derselben immer einverstanden gewesen, und er hat jetzt dieses EinVerständniß
in feierlicher und in Betreff der Arbeiterversorgung mit staatlicher Hilfe zugleich
in herzlich warmer Weise kundgegeben. Wer jetzt die erwähnten Pläne des
Kanzlers bekämpft, der wird sich nicht beklagen dürfen, wenn man ihm vorwirft,
angelegentliche Wünsche und Hoffnungen des Kaisers zu bekämpfen.




Die Kanzlerknsis,

den Kenner der Verhältnisse selbstverständlich sein. Daß auch der Kronprinz
die Meinung des Fürsten Bismarck theilt, darf ebenfalls mit Sicherheit ange¬
nommen werden. Die kaiserliche Botschaft, mit welcher der Reichstag eröffnet
wurde, zeigt jene Uebereinstimmung aufs klarste und unzweideutigste. Von
den socialpolitischen Plänen des Kanzlers heißt es darin: „Wir halten es für
Unsre kaiserliche Pflicht, dem Reichstage diese Aufgabe von neuem ans Herz
zu legen, und Wir würden mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge,
mit denen Gott Unsre Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es
Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und
dauernde Bürgschaften seines innern Friedens und den Hilfsbedürftigen größere
Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu
hinterlassen." Der Entwurf eines Unfallversicherungsgesetzes wird durch eine
Vorlage ergänzt werden, „welche sich eine gleichmäßige Organisation des ge¬
werblichen Krankenknsscnwesens zur Aufgabe stellt." Weiterhin heißt es: „Aber
auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden,
haben der Gesammtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres
Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zu Theil werden können." Belone
wird, daß der deutsche Staat „auf den sittlichen Fundamenten des christlichen
Volkslebens steht." Auch das Tabaksmonopol wird mit den Worten festge¬
halten: „Die weitere Durchführung der in den letzten Jahren begonnenen Steuer¬
reform weist auf die Eröffnung ergiebiger Einnahmequellen durch indirecte Reichs¬
steuern hin, um die Negierung in den Stand zu setzen, dafür drückende directe
Landessteuern abzuschaffen und die Gemeinden von Armen- und Schnllasten,
von Zuschlägen zu Grund- und Personalsteuern und von andern directen Ab¬
gaben zu entlasten. Der sicherste Weg hierzu liegt nach den in benachbarten
Ländern gemachten Erfahrungen in der Einführung des Tabaksmonopols, über
welche wir die Entscheidung der gesetzgebenden Körper des Reiches herbeizuführen
beabsichtigen."

Das Volk weiß jetzt, was von den Vorspiegelungen zu halten ist, mit
denen man ihm einredete, die bisherige sociale und Steuerpolitik des Kanzlers
sei ein Ausfluß seiner persönlichen Ansichten und Absichten. Der Kaiser ist mit
derselben immer einverstanden gewesen, und er hat jetzt dieses EinVerständniß
in feierlicher und in Betreff der Arbeiterversorgung mit staatlicher Hilfe zugleich
in herzlich warmer Weise kundgegeben. Wer jetzt die erwähnten Pläne des
Kanzlers bekämpft, der wird sich nicht beklagen dürfen, wenn man ihm vorwirft,
angelegentliche Wünsche und Hoffnungen des Kaisers zu bekämpfen.




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[0353] Die Kanzlerknsis, den Kenner der Verhältnisse selbstverständlich sein. Daß auch der Kronprinz die Meinung des Fürsten Bismarck theilt, darf ebenfalls mit Sicherheit ange¬ nommen werden. Die kaiserliche Botschaft, mit welcher der Reichstag eröffnet wurde, zeigt jene Uebereinstimmung aufs klarste und unzweideutigste. Von den socialpolitischen Plänen des Kanzlers heißt es darin: „Wir halten es für Unsre kaiserliche Pflicht, dem Reichstage diese Aufgabe von neuem ans Herz zu legen, und Wir würden mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsre Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines innern Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen." Der Entwurf eines Unfallversicherungsgesetzes wird durch eine Vorlage ergänzt werden, „welche sich eine gleichmäßige Organisation des ge¬ werblichen Krankenknsscnwesens zur Aufgabe stellt." Weiterhin heißt es: „Aber auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesammtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zu Theil werden können." Belone wird, daß der deutsche Staat „auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht." Auch das Tabaksmonopol wird mit den Worten festge¬ halten: „Die weitere Durchführung der in den letzten Jahren begonnenen Steuer¬ reform weist auf die Eröffnung ergiebiger Einnahmequellen durch indirecte Reichs¬ steuern hin, um die Negierung in den Stand zu setzen, dafür drückende directe Landessteuern abzuschaffen und die Gemeinden von Armen- und Schnllasten, von Zuschlägen zu Grund- und Personalsteuern und von andern directen Ab¬ gaben zu entlasten. Der sicherste Weg hierzu liegt nach den in benachbarten Ländern gemachten Erfahrungen in der Einführung des Tabaksmonopols, über welche wir die Entscheidung der gesetzgebenden Körper des Reiches herbeizuführen beabsichtigen." Das Volk weiß jetzt, was von den Vorspiegelungen zu halten ist, mit denen man ihm einredete, die bisherige sociale und Steuerpolitik des Kanzlers sei ein Ausfluß seiner persönlichen Ansichten und Absichten. Der Kaiser ist mit derselben immer einverstanden gewesen, und er hat jetzt dieses EinVerständniß in feierlicher und in Betreff der Arbeiterversorgung mit staatlicher Hilfe zugleich in herzlich warmer Weise kundgegeben. Wer jetzt die erwähnten Pläne des Kanzlers bekämpft, der wird sich nicht beklagen dürfen, wenn man ihm vorwirft, angelegentliche Wünsche und Hoffnungen des Kaisers zu bekämpfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/353>, abgerufen am 15.05.2024.