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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Schacksche Gemäldesammlung in München.

Jahren allgemein dachte, wird durch zahlreiche andre Zeugnisse bewiesen, die
sie geradezu als Muster weiblicher Tugend hinstellen, und nicht zum mindesten
durch das Verhältniß zwischen ihr und ihrer edlen Schwägerin Jsabella d'Este,
die anfänglich der Verbindung nut ihrem Bruder Alfonso nichts weniger als
günstig war, allmählich aber zu ihrer aufrichtigen Freundin wurde, wie der
siebzehn Jahre hindurch zwischen beiden bestehende Briefwechsel ausweist. Diese
liebenswürdige Erscheinung verdient es in besonderen Maße, daß ihrer in diesem
Zusammenhange eingehender gedacht werde,

(Schluß folgt.)




Die Hchacksche Gemäldesammlung in München.

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^meer den anmuthigen, aber meist ziemlich charakterlosen Villen
der Briennerstraße in München fällt dem Fremden, der diese
Straße zum erstenmale betritt, ein zweistöckiges, durch Erker und
Thurm ausgezeichnetes Gebäude ius Auge, welches wie eine stark
und eigenartig individualisirte Persönlichkeit ans nichtssagenden
Physiognomien hervorsieht. Nur in schlichtem Putzbau mit Architektnrtheilcn
aus Cementguß ausgeführt, zeigt es die Formen der deutschen, speciell der in
München neuerdings ausgebildeten Renaissance. Auch ohne den Fremdenführer
zu Rathe zu ziehen, empfindet man, daß hier ein über die Durchschnittsschablone
der Lebensgewohnheiten und Kuustanschauungeu emporgewachsener Geist sein
Heim ausgeschlagen hat. Es ist der Graf Adolf Friedrich von Schack, der
geistvolle, hochstrebende Dichter, der gelehrte Literarhistoriker, der Meister der
Üebersetzuugskuust. Wer ihn nicht aus diesen drei Seiten einer beneidenswerthen
Thätigkeit kennt, der weiß wenigstens aus eigner Anschauung oder aus den
Tagesblättern, die jüngst so viel davon gesprochen haben, daß er der Besitzer
der schönsten Privatgalerie Deutschlands ist, ein edler Mäcen, der den erlah¬
menden Flug manches Genius angefeuert und einem höhern Ziele entgegen-
geführt hat.

Lorenz Getön, der phantasievolle, nut genialer Leichtigkeit schaffende Archi¬
tekt und Bildhauer, hat das Haus gebaut und nach den Angaben des Grafen
die Räume eingerichtet, welche die kostbare Galerie bergen. Mit größter Libe¬
ralität ist der Eintritt jedermann gestattet, und kaum ein kunstsinniger Fremder
verläßt München, ohne die Schacksche Gemäldegalerie gesehen zu haben, die der
neuen Pinakothek im allgemeinen mindestens ebenbürtig, in manchen Einzeln-


Die Schacksche Gemäldesammlung in München.

Jahren allgemein dachte, wird durch zahlreiche andre Zeugnisse bewiesen, die
sie geradezu als Muster weiblicher Tugend hinstellen, und nicht zum mindesten
durch das Verhältniß zwischen ihr und ihrer edlen Schwägerin Jsabella d'Este,
die anfänglich der Verbindung nut ihrem Bruder Alfonso nichts weniger als
günstig war, allmählich aber zu ihrer aufrichtigen Freundin wurde, wie der
siebzehn Jahre hindurch zwischen beiden bestehende Briefwechsel ausweist. Diese
liebenswürdige Erscheinung verdient es in besonderen Maße, daß ihrer in diesem
Zusammenhange eingehender gedacht werde,

(Schluß folgt.)




Die Hchacksche Gemäldesammlung in München.

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^meer den anmuthigen, aber meist ziemlich charakterlosen Villen
der Briennerstraße in München fällt dem Fremden, der diese
Straße zum erstenmale betritt, ein zweistöckiges, durch Erker und
Thurm ausgezeichnetes Gebäude ius Auge, welches wie eine stark
und eigenartig individualisirte Persönlichkeit ans nichtssagenden
Physiognomien hervorsieht. Nur in schlichtem Putzbau mit Architektnrtheilcn
aus Cementguß ausgeführt, zeigt es die Formen der deutschen, speciell der in
München neuerdings ausgebildeten Renaissance. Auch ohne den Fremdenführer
zu Rathe zu ziehen, empfindet man, daß hier ein über die Durchschnittsschablone
der Lebensgewohnheiten und Kuustanschauungeu emporgewachsener Geist sein
Heim ausgeschlagen hat. Es ist der Graf Adolf Friedrich von Schack, der
geistvolle, hochstrebende Dichter, der gelehrte Literarhistoriker, der Meister der
Üebersetzuugskuust. Wer ihn nicht aus diesen drei Seiten einer beneidenswerthen
Thätigkeit kennt, der weiß wenigstens aus eigner Anschauung oder aus den
Tagesblättern, die jüngst so viel davon gesprochen haben, daß er der Besitzer
der schönsten Privatgalerie Deutschlands ist, ein edler Mäcen, der den erlah¬
menden Flug manches Genius angefeuert und einem höhern Ziele entgegen-
geführt hat.

Lorenz Getön, der phantasievolle, nut genialer Leichtigkeit schaffende Archi¬
tekt und Bildhauer, hat das Haus gebaut und nach den Angaben des Grafen
die Räume eingerichtet, welche die kostbare Galerie bergen. Mit größter Libe¬
ralität ist der Eintritt jedermann gestattet, und kaum ein kunstsinniger Fremder
verläßt München, ohne die Schacksche Gemäldegalerie gesehen zu haben, die der
neuen Pinakothek im allgemeinen mindestens ebenbürtig, in manchen Einzeln-


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[0375] Die Schacksche Gemäldesammlung in München. Jahren allgemein dachte, wird durch zahlreiche andre Zeugnisse bewiesen, die sie geradezu als Muster weiblicher Tugend hinstellen, und nicht zum mindesten durch das Verhältniß zwischen ihr und ihrer edlen Schwägerin Jsabella d'Este, die anfänglich der Verbindung nut ihrem Bruder Alfonso nichts weniger als günstig war, allmählich aber zu ihrer aufrichtigen Freundin wurde, wie der siebzehn Jahre hindurch zwischen beiden bestehende Briefwechsel ausweist. Diese liebenswürdige Erscheinung verdient es in besonderen Maße, daß ihrer in diesem Zusammenhange eingehender gedacht werde, (Schluß folgt.) Die Hchacksche Gemäldesammlung in München. ^»os.Si'^M M-4 ^meer den anmuthigen, aber meist ziemlich charakterlosen Villen der Briennerstraße in München fällt dem Fremden, der diese Straße zum erstenmale betritt, ein zweistöckiges, durch Erker und Thurm ausgezeichnetes Gebäude ius Auge, welches wie eine stark und eigenartig individualisirte Persönlichkeit ans nichtssagenden Physiognomien hervorsieht. Nur in schlichtem Putzbau mit Architektnrtheilcn aus Cementguß ausgeführt, zeigt es die Formen der deutschen, speciell der in München neuerdings ausgebildeten Renaissance. Auch ohne den Fremdenführer zu Rathe zu ziehen, empfindet man, daß hier ein über die Durchschnittsschablone der Lebensgewohnheiten und Kuustanschauungeu emporgewachsener Geist sein Heim ausgeschlagen hat. Es ist der Graf Adolf Friedrich von Schack, der geistvolle, hochstrebende Dichter, der gelehrte Literarhistoriker, der Meister der Üebersetzuugskuust. Wer ihn nicht aus diesen drei Seiten einer beneidenswerthen Thätigkeit kennt, der weiß wenigstens aus eigner Anschauung oder aus den Tagesblättern, die jüngst so viel davon gesprochen haben, daß er der Besitzer der schönsten Privatgalerie Deutschlands ist, ein edler Mäcen, der den erlah¬ menden Flug manches Genius angefeuert und einem höhern Ziele entgegen- geführt hat. Lorenz Getön, der phantasievolle, nut genialer Leichtigkeit schaffende Archi¬ tekt und Bildhauer, hat das Haus gebaut und nach den Angaben des Grafen die Räume eingerichtet, welche die kostbare Galerie bergen. Mit größter Libe¬ ralität ist der Eintritt jedermann gestattet, und kaum ein kunstsinniger Fremder verläßt München, ohne die Schacksche Gemäldegalerie gesehen zu haben, die der neuen Pinakothek im allgemeinen mindestens ebenbürtig, in manchen Einzeln-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/375>, abgerufen am 29.04.2024.