Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Frauen der italienischen Renaissance.

umbauen und ihr darin noch bei Lebzeiten eine Kapelle und ein Mausoleum
errichten, während außen an dem Tempel zwischen den Arkaden der Langseiten
Sarkophage für Dichter und Gelehrte Platz fanden, die den Hof von Rimini
geziert hatten. Unter den erstern mögen Basinio von Parma, Giusto de' Conti,
Benedetto da Cesena, Porcellio de' Pandoni, von andern Berühmtheiten der
Historiker Gasparre Broglio und der Ingenieur und Kriegsschriststeller Roberto
Valturio genannt sein.

Ferrara, wo, wie wir sahen, schon Eleonora von Aragon einen gewählten
Kreis um sich versammelt hatte, blieb auch zu der Zeit, als Lucrezia Borgia
dort waltete, ein hervorragender Musensitz. Obwohl die Bildung dieser inter¬
essanten Fran, die bekanntlich neuerdings in Ferdinand Gregorovius einen ebenso
unparteiischen wie feinsinnigen Biographen gefunden hat, durchaus keine außer¬
gewöhnliche war und nicht einmal eine vollkommene Beherrschung des Lateinischen
in sich begriff, zeigte sich die Tochter Alexanders doch in jener besten Periode
ihres Lebens, die 1502 mit ihrem Einzug in Ferrara als Gattin des jungen
Alfonso anhebt, als eine warme Freundin geistiger Bestrebungen. Während ihr
Gatte für höhere Interessen kein Organ besaß, sondern fast gänzlich in der Sorge
für militärische Befestigungswerke und Herstellung von Kanonen aufging, über¬
nahm es die vielverleumdete Lucrezia, dem ferrarischen Hofe den Nimbus eines
kleinen Athen zu erhalten. Wenn etwas geeignet ist, den Charakter Luerezias
in ein wesentlich andres Licht zu rücken als die Schmähungen eines Sannazar
und andrer Zeitgenossen, so ist es die enthusiastische Verehrung, die ihr eine
Reihe in enger Beziehung zu ihr stehender hochangesehener Männer entgegen¬
brachte. Daß sich bei Bembo diese Verehrung zu leidenschaftlicher Liebe steigerte,
beweisen die Briefe und die Verse, die er an sie richtete. Auch die Dichter Tito
Strozzi und sein Sohn Ercole widmeten ihr einen platonischen Cultus; der
erstere rühmt von ihr, daß sich alle himmlische und irdische Herrlichkeit in ihr
vereinigt habe und nichts in der Welt zu finden sei, das ihr gleiche, während
Ercole in ihr eine Juno, Pallas und Venus zugleich erblickte. Alle die Dichter
aber, die mit den genannten in lateinischen und italienischen Gesängen ihre schöne
Gönnerin mit Ruhm und Preis überschütteten, werden überstrahlt von Ariost,
der sie schon als Braut in einem lateinischen Carmen begrüßt hatte und später
dein 42. Gesänge seines OrlMäo turioso eine Strophe zu ihrer Huldigung ein¬
flocht. In dem Ehrentempel der Frauen, in den er daselbst den Rinaldo ein¬
fühlt, findet sich auch, und zwar an erster Stelle genannt, Luerezias Bild, ge¬
tragen von den ferraresischen Dichtern Antonio Tebaldio und Ercole Strozzi
und mit einer Unterschrift versehen, des Inhalts, daß ihre Vaterstadt Rom sie
ihrer berühmten Namensschwester im Alterthum vorziehen müsse ob ihrer Schön¬
heit und Sittsamkeit. Daß darin nicht bloß höfische Schmeichelei zu erblicken
ist, die Ariost allerdings so wenig verabscheute, wie seine Zeitgenossen, sondern
nur der poetische Ausdruck dessen, was man über Lucrezia in ihren spätern


Die Frauen der italienischen Renaissance.

umbauen und ihr darin noch bei Lebzeiten eine Kapelle und ein Mausoleum
errichten, während außen an dem Tempel zwischen den Arkaden der Langseiten
Sarkophage für Dichter und Gelehrte Platz fanden, die den Hof von Rimini
geziert hatten. Unter den erstern mögen Basinio von Parma, Giusto de' Conti,
Benedetto da Cesena, Porcellio de' Pandoni, von andern Berühmtheiten der
Historiker Gasparre Broglio und der Ingenieur und Kriegsschriststeller Roberto
Valturio genannt sein.

Ferrara, wo, wie wir sahen, schon Eleonora von Aragon einen gewählten
Kreis um sich versammelt hatte, blieb auch zu der Zeit, als Lucrezia Borgia
dort waltete, ein hervorragender Musensitz. Obwohl die Bildung dieser inter¬
essanten Fran, die bekanntlich neuerdings in Ferdinand Gregorovius einen ebenso
unparteiischen wie feinsinnigen Biographen gefunden hat, durchaus keine außer¬
gewöhnliche war und nicht einmal eine vollkommene Beherrschung des Lateinischen
in sich begriff, zeigte sich die Tochter Alexanders doch in jener besten Periode
ihres Lebens, die 1502 mit ihrem Einzug in Ferrara als Gattin des jungen
Alfonso anhebt, als eine warme Freundin geistiger Bestrebungen. Während ihr
Gatte für höhere Interessen kein Organ besaß, sondern fast gänzlich in der Sorge
für militärische Befestigungswerke und Herstellung von Kanonen aufging, über¬
nahm es die vielverleumdete Lucrezia, dem ferrarischen Hofe den Nimbus eines
kleinen Athen zu erhalten. Wenn etwas geeignet ist, den Charakter Luerezias
in ein wesentlich andres Licht zu rücken als die Schmähungen eines Sannazar
und andrer Zeitgenossen, so ist es die enthusiastische Verehrung, die ihr eine
Reihe in enger Beziehung zu ihr stehender hochangesehener Männer entgegen¬
brachte. Daß sich bei Bembo diese Verehrung zu leidenschaftlicher Liebe steigerte,
beweisen die Briefe und die Verse, die er an sie richtete. Auch die Dichter Tito
Strozzi und sein Sohn Ercole widmeten ihr einen platonischen Cultus; der
erstere rühmt von ihr, daß sich alle himmlische und irdische Herrlichkeit in ihr
vereinigt habe und nichts in der Welt zu finden sei, das ihr gleiche, während
Ercole in ihr eine Juno, Pallas und Venus zugleich erblickte. Alle die Dichter
aber, die mit den genannten in lateinischen und italienischen Gesängen ihre schöne
Gönnerin mit Ruhm und Preis überschütteten, werden überstrahlt von Ariost,
der sie schon als Braut in einem lateinischen Carmen begrüßt hatte und später
dein 42. Gesänge seines OrlMäo turioso eine Strophe zu ihrer Huldigung ein¬
flocht. In dem Ehrentempel der Frauen, in den er daselbst den Rinaldo ein¬
fühlt, findet sich auch, und zwar an erster Stelle genannt, Luerezias Bild, ge¬
tragen von den ferraresischen Dichtern Antonio Tebaldio und Ercole Strozzi
und mit einer Unterschrift versehen, des Inhalts, daß ihre Vaterstadt Rom sie
ihrer berühmten Namensschwester im Alterthum vorziehen müsse ob ihrer Schön¬
heit und Sittsamkeit. Daß darin nicht bloß höfische Schmeichelei zu erblicken
ist, die Ariost allerdings so wenig verabscheute, wie seine Zeitgenossen, sondern
nur der poetische Ausdruck dessen, was man über Lucrezia in ihren spätern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151096"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Frauen der italienischen Renaissance.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1239" prev="#ID_1238"> umbauen und ihr darin noch bei Lebzeiten eine Kapelle und ein Mausoleum<lb/>
errichten, während außen an dem Tempel zwischen den Arkaden der Langseiten<lb/>
Sarkophage für Dichter und Gelehrte Platz fanden, die den Hof von Rimini<lb/>
geziert hatten. Unter den erstern mögen Basinio von Parma, Giusto de' Conti,<lb/>
Benedetto da Cesena, Porcellio de' Pandoni, von andern Berühmtheiten der<lb/>
Historiker Gasparre Broglio und der Ingenieur und Kriegsschriststeller Roberto<lb/>
Valturio genannt sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1240" next="#ID_1241"> Ferrara, wo, wie wir sahen, schon Eleonora von Aragon einen gewählten<lb/>
Kreis um sich versammelt hatte, blieb auch zu der Zeit, als Lucrezia Borgia<lb/>
dort waltete, ein hervorragender Musensitz. Obwohl die Bildung dieser inter¬<lb/>
essanten Fran, die bekanntlich neuerdings in Ferdinand Gregorovius einen ebenso<lb/>
unparteiischen wie feinsinnigen Biographen gefunden hat, durchaus keine außer¬<lb/>
gewöhnliche war und nicht einmal eine vollkommene Beherrschung des Lateinischen<lb/>
in sich begriff, zeigte sich die Tochter Alexanders doch in jener besten Periode<lb/>
ihres Lebens, die 1502 mit ihrem Einzug in Ferrara als Gattin des jungen<lb/>
Alfonso anhebt, als eine warme Freundin geistiger Bestrebungen. Während ihr<lb/>
Gatte für höhere Interessen kein Organ besaß, sondern fast gänzlich in der Sorge<lb/>
für militärische Befestigungswerke und Herstellung von Kanonen aufging, über¬<lb/>
nahm es die vielverleumdete Lucrezia, dem ferrarischen Hofe den Nimbus eines<lb/>
kleinen Athen zu erhalten. Wenn etwas geeignet ist, den Charakter Luerezias<lb/>
in ein wesentlich andres Licht zu rücken als die Schmähungen eines Sannazar<lb/>
und andrer Zeitgenossen, so ist es die enthusiastische Verehrung, die ihr eine<lb/>
Reihe in enger Beziehung zu ihr stehender hochangesehener Männer entgegen¬<lb/>
brachte. Daß sich bei Bembo diese Verehrung zu leidenschaftlicher Liebe steigerte,<lb/>
beweisen die Briefe und die Verse, die er an sie richtete. Auch die Dichter Tito<lb/>
Strozzi und sein Sohn Ercole widmeten ihr einen platonischen Cultus; der<lb/>
erstere rühmt von ihr, daß sich alle himmlische und irdische Herrlichkeit in ihr<lb/>
vereinigt habe und nichts in der Welt zu finden sei, das ihr gleiche, während<lb/>
Ercole in ihr eine Juno, Pallas und Venus zugleich erblickte. Alle die Dichter<lb/>
aber, die mit den genannten in lateinischen und italienischen Gesängen ihre schöne<lb/>
Gönnerin mit Ruhm und Preis überschütteten, werden überstrahlt von Ariost,<lb/>
der sie schon als Braut in einem lateinischen Carmen begrüßt hatte und später<lb/>
dein 42. Gesänge seines OrlMäo turioso eine Strophe zu ihrer Huldigung ein¬<lb/>
flocht. In dem Ehrentempel der Frauen, in den er daselbst den Rinaldo ein¬<lb/>
fühlt, findet sich auch, und zwar an erster Stelle genannt, Luerezias Bild, ge¬<lb/>
tragen von den ferraresischen Dichtern Antonio Tebaldio und Ercole Strozzi<lb/>
und mit einer Unterschrift versehen, des Inhalts, daß ihre Vaterstadt Rom sie<lb/>
ihrer berühmten Namensschwester im Alterthum vorziehen müsse ob ihrer Schön¬<lb/>
heit und Sittsamkeit. Daß darin nicht bloß höfische Schmeichelei zu erblicken<lb/>
ist, die Ariost allerdings so wenig verabscheute, wie seine Zeitgenossen, sondern<lb/>
nur der poetische Ausdruck dessen, was man über Lucrezia in ihren spätern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0374] Die Frauen der italienischen Renaissance. umbauen und ihr darin noch bei Lebzeiten eine Kapelle und ein Mausoleum errichten, während außen an dem Tempel zwischen den Arkaden der Langseiten Sarkophage für Dichter und Gelehrte Platz fanden, die den Hof von Rimini geziert hatten. Unter den erstern mögen Basinio von Parma, Giusto de' Conti, Benedetto da Cesena, Porcellio de' Pandoni, von andern Berühmtheiten der Historiker Gasparre Broglio und der Ingenieur und Kriegsschriststeller Roberto Valturio genannt sein. Ferrara, wo, wie wir sahen, schon Eleonora von Aragon einen gewählten Kreis um sich versammelt hatte, blieb auch zu der Zeit, als Lucrezia Borgia dort waltete, ein hervorragender Musensitz. Obwohl die Bildung dieser inter¬ essanten Fran, die bekanntlich neuerdings in Ferdinand Gregorovius einen ebenso unparteiischen wie feinsinnigen Biographen gefunden hat, durchaus keine außer¬ gewöhnliche war und nicht einmal eine vollkommene Beherrschung des Lateinischen in sich begriff, zeigte sich die Tochter Alexanders doch in jener besten Periode ihres Lebens, die 1502 mit ihrem Einzug in Ferrara als Gattin des jungen Alfonso anhebt, als eine warme Freundin geistiger Bestrebungen. Während ihr Gatte für höhere Interessen kein Organ besaß, sondern fast gänzlich in der Sorge für militärische Befestigungswerke und Herstellung von Kanonen aufging, über¬ nahm es die vielverleumdete Lucrezia, dem ferrarischen Hofe den Nimbus eines kleinen Athen zu erhalten. Wenn etwas geeignet ist, den Charakter Luerezias in ein wesentlich andres Licht zu rücken als die Schmähungen eines Sannazar und andrer Zeitgenossen, so ist es die enthusiastische Verehrung, die ihr eine Reihe in enger Beziehung zu ihr stehender hochangesehener Männer entgegen¬ brachte. Daß sich bei Bembo diese Verehrung zu leidenschaftlicher Liebe steigerte, beweisen die Briefe und die Verse, die er an sie richtete. Auch die Dichter Tito Strozzi und sein Sohn Ercole widmeten ihr einen platonischen Cultus; der erstere rühmt von ihr, daß sich alle himmlische und irdische Herrlichkeit in ihr vereinigt habe und nichts in der Welt zu finden sei, das ihr gleiche, während Ercole in ihr eine Juno, Pallas und Venus zugleich erblickte. Alle die Dichter aber, die mit den genannten in lateinischen und italienischen Gesängen ihre schöne Gönnerin mit Ruhm und Preis überschütteten, werden überstrahlt von Ariost, der sie schon als Braut in einem lateinischen Carmen begrüßt hatte und später dein 42. Gesänge seines OrlMäo turioso eine Strophe zu ihrer Huldigung ein¬ flocht. In dem Ehrentempel der Frauen, in den er daselbst den Rinaldo ein¬ fühlt, findet sich auch, und zwar an erster Stelle genannt, Luerezias Bild, ge¬ tragen von den ferraresischen Dichtern Antonio Tebaldio und Ercole Strozzi und mit einer Unterschrift versehen, des Inhalts, daß ihre Vaterstadt Rom sie ihrer berühmten Namensschwester im Alterthum vorziehen müsse ob ihrer Schön¬ heit und Sittsamkeit. Daß darin nicht bloß höfische Schmeichelei zu erblicken ist, die Ariost allerdings so wenig verabscheute, wie seine Zeitgenossen, sondern nur der poetische Ausdruck dessen, was man über Lucrezia in ihren spätern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/374
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/374>, abgerufen am 15.05.2024.