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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Vom literarischen Kongreß in N)im.

o oft in den letzten Jnhren die Kunde durch die Zeitungen lief,
daß die "Männer der Feder" zusammentreten würden, um
das Wohl und Wehe des Schriftthums zu berathen, hohe und
tiefe Gedanken auszutauschen und einander Rechenschaft zu geben
über den Fortschritt der Arbeit an dem Tempel der Harmonie
und Freiheit, in welcher dereinst unsre Söhne sich der Früchte unsers Fleißes
erfreue" sollen, so oft entbrannte in meinem Innern ein Kampf zwischen Sehn¬
sucht und Bescheidenheit. Sich, wenn auch uur im letzten Gliede, in die heilige
Schacir einreihen, lauschen zu dürfen den erhabenen Lehren, welche von den
Lippen der Geweihten fließen, sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen, die Männer,
auf welche die Nation stolz ist, wie schön müßte das sein! lockte die Sehnsucht.
Frischanf, auch du kannst ja den Tintenfleck am Finger als Legitimation auf¬
weisen, und Werke von dir harren in den Magazinen der Buchhändler geduldig
der Unsterblichkeit. Allein die Bescheidenheit warnte: Was willst du Troßknecht
unter den Rittern vom Geist? Deiner Kleinheit inne werden neben den Großen,
deiner Dürftigkeit neben dem Reichthum und Glanz der Könige der Literatur?
Sei und bleibe zufrieden in deiner Verborgenheit. Und jedesmal folgte ich,
wiewohl mit Seufzen, dem für weise gehaltenen Rathschlage. Doch als es hieß:
I" Wien, dem schönen, heitern, gemüthlichen Wien, ist in diesem Jahre großer,
allgemeiner Parnaß, nicht nur die Blüte der deutschen, sondern aller Nationen
wird dort vereinigt sein, da war kein Halten mehr. Und ich bereue das Wagniß
keineswegs. Nicht niedergedrückt, sondern gehoben kehre ich in meine Heimat
zurück, denn nun weiß ich, wie schön und wie ehrenvoll und wie leicht es ist,
ein bedeutender Schriftsteller zu sein.

Noch unmittelbar unter den mächtigsten Eindrücken abgefaßt, wird mein
Bericht vielleicht etwas ungeordnet ausfallen, dafür aber desto frischer und
treuer sein.

Hätte Schiller mir die Wendung nicht vorweg genommen, so würde ich anh¬
äufen: Wer zählt die Völker, nennt die Namen! Und sie hätte hier unstreitig
größere Berechtigung als bei der Schilderung eines griechischen Volksfestes.


Vom Arno und vom Scinestrand,
Von Deutsch-, Hol-, Ruß- und Engelland,
Indianer, Jndier und Dänen,
Hispcmier, San Marincscn,
Magyaren, Polen und Rumänen
Sind gastlich da beisamen' gewesen!

Grcnzvvten IV. l381. 5
Vom literarischen Kongreß in N)im.

o oft in den letzten Jnhren die Kunde durch die Zeitungen lief,
daß die „Männer der Feder" zusammentreten würden, um
das Wohl und Wehe des Schriftthums zu berathen, hohe und
tiefe Gedanken auszutauschen und einander Rechenschaft zu geben
über den Fortschritt der Arbeit an dem Tempel der Harmonie
und Freiheit, in welcher dereinst unsre Söhne sich der Früchte unsers Fleißes
erfreue« sollen, so oft entbrannte in meinem Innern ein Kampf zwischen Sehn¬
sucht und Bescheidenheit. Sich, wenn auch uur im letzten Gliede, in die heilige
Schacir einreihen, lauschen zu dürfen den erhabenen Lehren, welche von den
Lippen der Geweihten fließen, sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen, die Männer,
auf welche die Nation stolz ist, wie schön müßte das sein! lockte die Sehnsucht.
Frischanf, auch du kannst ja den Tintenfleck am Finger als Legitimation auf¬
weisen, und Werke von dir harren in den Magazinen der Buchhändler geduldig
der Unsterblichkeit. Allein die Bescheidenheit warnte: Was willst du Troßknecht
unter den Rittern vom Geist? Deiner Kleinheit inne werden neben den Großen,
deiner Dürftigkeit neben dem Reichthum und Glanz der Könige der Literatur?
Sei und bleibe zufrieden in deiner Verborgenheit. Und jedesmal folgte ich,
wiewohl mit Seufzen, dem für weise gehaltenen Rathschlage. Doch als es hieß:
I» Wien, dem schönen, heitern, gemüthlichen Wien, ist in diesem Jahre großer,
allgemeiner Parnaß, nicht nur die Blüte der deutschen, sondern aller Nationen
wird dort vereinigt sein, da war kein Halten mehr. Und ich bereue das Wagniß
keineswegs. Nicht niedergedrückt, sondern gehoben kehre ich in meine Heimat
zurück, denn nun weiß ich, wie schön und wie ehrenvoll und wie leicht es ist,
ein bedeutender Schriftsteller zu sein.

Noch unmittelbar unter den mächtigsten Eindrücken abgefaßt, wird mein
Bericht vielleicht etwas ungeordnet ausfallen, dafür aber desto frischer und
treuer sein.

Hätte Schiller mir die Wendung nicht vorweg genommen, so würde ich anh¬
äufen: Wer zählt die Völker, nennt die Namen! Und sie hätte hier unstreitig
größere Berechtigung als bei der Schilderung eines griechischen Volksfestes.


Vom Arno und vom Scinestrand,
Von Deutsch-, Hol-, Ruß- und Engelland,
Indianer, Jndier und Dänen,
Hispcmier, San Marincscn,
Magyaren, Polen und Rumänen
Sind gastlich da beisamen' gewesen!

Grcnzvvten IV. l381. 5
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[0039] Vom literarischen Kongreß in N)im. o oft in den letzten Jnhren die Kunde durch die Zeitungen lief, daß die „Männer der Feder" zusammentreten würden, um das Wohl und Wehe des Schriftthums zu berathen, hohe und tiefe Gedanken auszutauschen und einander Rechenschaft zu geben über den Fortschritt der Arbeit an dem Tempel der Harmonie und Freiheit, in welcher dereinst unsre Söhne sich der Früchte unsers Fleißes erfreue« sollen, so oft entbrannte in meinem Innern ein Kampf zwischen Sehn¬ sucht und Bescheidenheit. Sich, wenn auch uur im letzten Gliede, in die heilige Schacir einreihen, lauschen zu dürfen den erhabenen Lehren, welche von den Lippen der Geweihten fließen, sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen, die Männer, auf welche die Nation stolz ist, wie schön müßte das sein! lockte die Sehnsucht. Frischanf, auch du kannst ja den Tintenfleck am Finger als Legitimation auf¬ weisen, und Werke von dir harren in den Magazinen der Buchhändler geduldig der Unsterblichkeit. Allein die Bescheidenheit warnte: Was willst du Troßknecht unter den Rittern vom Geist? Deiner Kleinheit inne werden neben den Großen, deiner Dürftigkeit neben dem Reichthum und Glanz der Könige der Literatur? Sei und bleibe zufrieden in deiner Verborgenheit. Und jedesmal folgte ich, wiewohl mit Seufzen, dem für weise gehaltenen Rathschlage. Doch als es hieß: I» Wien, dem schönen, heitern, gemüthlichen Wien, ist in diesem Jahre großer, allgemeiner Parnaß, nicht nur die Blüte der deutschen, sondern aller Nationen wird dort vereinigt sein, da war kein Halten mehr. Und ich bereue das Wagniß keineswegs. Nicht niedergedrückt, sondern gehoben kehre ich in meine Heimat zurück, denn nun weiß ich, wie schön und wie ehrenvoll und wie leicht es ist, ein bedeutender Schriftsteller zu sein. Noch unmittelbar unter den mächtigsten Eindrücken abgefaßt, wird mein Bericht vielleicht etwas ungeordnet ausfallen, dafür aber desto frischer und treuer sein. Hätte Schiller mir die Wendung nicht vorweg genommen, so würde ich anh¬ äufen: Wer zählt die Völker, nennt die Namen! Und sie hätte hier unstreitig größere Berechtigung als bei der Schilderung eines griechischen Volksfestes. Vom Arno und vom Scinestrand, Von Deutsch-, Hol-, Ruß- und Engelland, Indianer, Jndier und Dänen, Hispcmier, San Marincscn, Magyaren, Polen und Rumänen Sind gastlich da beisamen' gewesen! Grcnzvvten IV. l381. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/39>, abgerufen am 28.04.2024.