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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Unruh über Bismnrck,

zuschieben. Derselbe soll nicht die Bedeutung einer Abtheilung des Staatsrathes
haben, er wird keine Beschlüsse mit verbindlicher Kraft fassen, sondern mir In¬
formationen, d. h. nur Gutachten liefern, die bei der Vorbereitung von Gesetz¬
vorlagen als Aeußerungen von Sachverständigen, von Fachleuten, von Kennern
der betreffenden Zustände, Bedürfnisse und Interessen Beachtung finden sollen.
Von einer Entscheidung der oder jener Frage durch den Volkswirthschaftsrath ist
in keiner Weise die Rede. Die Entscheidung steht einzig und allein bei den ver¬
fassungsmäßig zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung berufenen Organen des
Reiches, Krone, Bundesrat!) und Reichstag, welche die von der neuzuschasfenden
Körperschaft vorgebrachten Gründe nach gänzlich freiem Ermessen und unter
Berücksichtigung der dabei in Frage kommenden politischen Gesichtspunkte zu
würdigen und zu erledigen haben. Von einer Schädigung der Autorität unsrer
Herren Reichstagsabgeordneten, von einer Beeinträchtigung ihrer Würde kann
also hier nicht gesprochen werden.

Aber es lassen sich Fälle denken, wo der Volkswirthschaftsrath mit seinen
auf Erfahrung beruhenden Gutachten den nur auf Doctrin und Theorie sich
gründenden Reden liberaler Wortführer gegenüber als Vertreter der praktischen
Leute gegen die unpraktische Schöpferthätigkeit der Buchgelehrten, der Pro¬
fessoren, Literaten und Advocaten, der Rentner und Pensionäre, die nicht säen
und doch ernten, nicht in? Leben stehen und doch Gesetze für das Leben geben,
erscheinen würde, und das ist wohl der zweite Grund, weshalb man Eifersucht und
Furcht vor dem Volkswirthschaftsrath empfindet. Daß bei der Fortschrittspartei
noch der Haß gegen den Reichskanzler, von dem der Gedanke ausgegangen ist,
und die Absicht, ihm einen Plan zu vereiteln, mitwirken, darf als selbstver¬
ständlich angenommen werden.




Unruh über Bismarck.

er frühere Abgeordnete von Unruh hat im Octoberheft der "Deutschen
Revue" Bruchstücke der von ihm aufgezeichneten Erinnerungen aus
seinem Leben veröffentlicht, welche verschiedene interessante Mit¬
theilungen über die politischen Vorgänge und Verhältnisse von 1848
bis auf die neueste Zeit enthalten. Der Verfasser meint, dieselben
würden vielleicht von einigem Werth für den Historiker sein, und wir theilen
diese Meinung; nur wird der Historiker, der jene Mittheilungen benutzt, mit
Vorsicht verfahren müssen. Denn Herr von Unruh schreibt zwar zum Theil


Unruh über Bismnrck,

zuschieben. Derselbe soll nicht die Bedeutung einer Abtheilung des Staatsrathes
haben, er wird keine Beschlüsse mit verbindlicher Kraft fassen, sondern mir In¬
formationen, d. h. nur Gutachten liefern, die bei der Vorbereitung von Gesetz¬
vorlagen als Aeußerungen von Sachverständigen, von Fachleuten, von Kennern
der betreffenden Zustände, Bedürfnisse und Interessen Beachtung finden sollen.
Von einer Entscheidung der oder jener Frage durch den Volkswirthschaftsrath ist
in keiner Weise die Rede. Die Entscheidung steht einzig und allein bei den ver¬
fassungsmäßig zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung berufenen Organen des
Reiches, Krone, Bundesrat!) und Reichstag, welche die von der neuzuschasfenden
Körperschaft vorgebrachten Gründe nach gänzlich freiem Ermessen und unter
Berücksichtigung der dabei in Frage kommenden politischen Gesichtspunkte zu
würdigen und zu erledigen haben. Von einer Schädigung der Autorität unsrer
Herren Reichstagsabgeordneten, von einer Beeinträchtigung ihrer Würde kann
also hier nicht gesprochen werden.

Aber es lassen sich Fälle denken, wo der Volkswirthschaftsrath mit seinen
auf Erfahrung beruhenden Gutachten den nur auf Doctrin und Theorie sich
gründenden Reden liberaler Wortführer gegenüber als Vertreter der praktischen
Leute gegen die unpraktische Schöpferthätigkeit der Buchgelehrten, der Pro¬
fessoren, Literaten und Advocaten, der Rentner und Pensionäre, die nicht säen
und doch ernten, nicht in? Leben stehen und doch Gesetze für das Leben geben,
erscheinen würde, und das ist wohl der zweite Grund, weshalb man Eifersucht und
Furcht vor dem Volkswirthschaftsrath empfindet. Daß bei der Fortschrittspartei
noch der Haß gegen den Reichskanzler, von dem der Gedanke ausgegangen ist,
und die Absicht, ihm einen Plan zu vereiteln, mitwirken, darf als selbstver¬
ständlich angenommen werden.




Unruh über Bismarck.

er frühere Abgeordnete von Unruh hat im Octoberheft der „Deutschen
Revue" Bruchstücke der von ihm aufgezeichneten Erinnerungen aus
seinem Leben veröffentlicht, welche verschiedene interessante Mit¬
theilungen über die politischen Vorgänge und Verhältnisse von 1848
bis auf die neueste Zeit enthalten. Der Verfasser meint, dieselben
würden vielleicht von einigem Werth für den Historiker sein, und wir theilen
diese Meinung; nur wird der Historiker, der jene Mittheilungen benutzt, mit
Vorsicht verfahren müssen. Denn Herr von Unruh schreibt zwar zum Theil


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[0399] Unruh über Bismnrck, zuschieben. Derselbe soll nicht die Bedeutung einer Abtheilung des Staatsrathes haben, er wird keine Beschlüsse mit verbindlicher Kraft fassen, sondern mir In¬ formationen, d. h. nur Gutachten liefern, die bei der Vorbereitung von Gesetz¬ vorlagen als Aeußerungen von Sachverständigen, von Fachleuten, von Kennern der betreffenden Zustände, Bedürfnisse und Interessen Beachtung finden sollen. Von einer Entscheidung der oder jener Frage durch den Volkswirthschaftsrath ist in keiner Weise die Rede. Die Entscheidung steht einzig und allein bei den ver¬ fassungsmäßig zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung berufenen Organen des Reiches, Krone, Bundesrat!) und Reichstag, welche die von der neuzuschasfenden Körperschaft vorgebrachten Gründe nach gänzlich freiem Ermessen und unter Berücksichtigung der dabei in Frage kommenden politischen Gesichtspunkte zu würdigen und zu erledigen haben. Von einer Schädigung der Autorität unsrer Herren Reichstagsabgeordneten, von einer Beeinträchtigung ihrer Würde kann also hier nicht gesprochen werden. Aber es lassen sich Fälle denken, wo der Volkswirthschaftsrath mit seinen auf Erfahrung beruhenden Gutachten den nur auf Doctrin und Theorie sich gründenden Reden liberaler Wortführer gegenüber als Vertreter der praktischen Leute gegen die unpraktische Schöpferthätigkeit der Buchgelehrten, der Pro¬ fessoren, Literaten und Advocaten, der Rentner und Pensionäre, die nicht säen und doch ernten, nicht in? Leben stehen und doch Gesetze für das Leben geben, erscheinen würde, und das ist wohl der zweite Grund, weshalb man Eifersucht und Furcht vor dem Volkswirthschaftsrath empfindet. Daß bei der Fortschrittspartei noch der Haß gegen den Reichskanzler, von dem der Gedanke ausgegangen ist, und die Absicht, ihm einen Plan zu vereiteln, mitwirken, darf als selbstver¬ ständlich angenommen werden. Unruh über Bismarck. er frühere Abgeordnete von Unruh hat im Octoberheft der „Deutschen Revue" Bruchstücke der von ihm aufgezeichneten Erinnerungen aus seinem Leben veröffentlicht, welche verschiedene interessante Mit¬ theilungen über die politischen Vorgänge und Verhältnisse von 1848 bis auf die neueste Zeit enthalten. Der Verfasser meint, dieselben würden vielleicht von einigem Werth für den Historiker sein, und wir theilen diese Meinung; nur wird der Historiker, der jene Mittheilungen benutzt, mit Vorsicht verfahren müssen. Denn Herr von Unruh schreibt zwar zum Theil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/399>, abgerufen am 28.04.2024.