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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Litt halbasmtischor Roman.

die Nachricht, daß die Künstlerin soeben gestorben sei und in dem Lpöäalo clslla
Norto ihre Ruhestätte gefunden habe. Mitten unter dem Festjubel, der die
Stadt erfüllte, hatte der Tod ihrem ruhmreichen Dasein ein Ziel gesetzt/')
"Wenn das Glück ihr so hold gewesen wäre," sagte ihre Grabschrift, "wie die
Natur und die Kunst, so würde sie den berühmtesten Bildnern gleichgekommen
sein; doch auch so verkünden die Marmorwerke, von weiblicher Hand geschaffen, was
ein kräftiger Geist und Talent vermögen." Dieses Lob wird keinem, der Pro-
perzias Schöpfungen, namentlich das Relief in San Petronio, kennt, übertriebe"
erscheinen. Nicht wie die Mehrzahl weiblicher Talente nur von fremden Leistungen
zehrend, sondern aus eignem kräftigem Impuls selbständig schaffend und im
Besitz eines seltenen Schönheitssinnes und Gestaltungsvermögens, nimmt Pro-
perzia de' Rossi auf dem Gebiete der bildenden Kunst denselben Rang ein wie
Vittoria Colonna als Dichterin, und zieht man speciell den Umstand in Be¬
tracht, daß sie dem Meißel ihren Ruhm verdankt, so erscheint sie unbedingt
als eine der merkwürdigsten Frauen, welche das Zeitalter der Renaissance her¬
vorbrachte.




Ein halbasiatischer Roman.

art Emil Franzos gehört zu jenen jüngern Schriftstellern, denen
eine glücklich gefundne oder gewühlte Specialität rasch zu einem
weitverbreiteten Namen und großem äußern Erfolg verholfen hat.
Seine Specialität ist "Halbasien." Was sich nach Nord und Süd,
Ost und West vom Wald und Bergland der Bukowina ausbreitet:
Galizien, das neue Königreich Rumänien, die Karpathenthälcr von Siebenbürgen
und die weiten kleiurnssischen Ebenen am Pruth, das ganze vielsprachige Völker¬
gemisch, das zwischen Don und Donau mit wundersamer Halbcultur haust, ist
ihm durch Jugendeindrücke und spätere Studien vertraut und hat ihm reichen
Stoff zu einer großen Reihe von fcirbeufrischen Schilderungen geboten, welche
den Reiz der Neuheit entschieden zu beanspruchen hatten. Den Skizzen schlössen
sich Erzählungen ("Die Juden von Barrow," "Moschko von Parma") an, welche



Es kann nicht Wunder nehmen, daß das geheimnißvolle Dunkel, welches die Gestalt
der Properzia de' Rossi umhüllt, zu dichterischer Behandlung reizte. Paolo Costa machte
sie zur Heldin einer Tragödie (Bologna 1828), deren Fabel er ans Goethes "stelln"
entlehnte. Das Stilet laßt ziemlich kalt und leidet außerdem vielfach an mangelhafter Mo-
tivirung. Zu einer Novelle benutzte sie der bekannte Kunstschriftsteller Pietro Selvntico
(ttiormils eil I^Iovü., Jahrg. 1870, Ur. I2L--136), ohne den dnukbareu Stoff poetisch zu
erschöpfen.
Litt halbasmtischor Roman.

die Nachricht, daß die Künstlerin soeben gestorben sei und in dem Lpöäalo clslla
Norto ihre Ruhestätte gefunden habe. Mitten unter dem Festjubel, der die
Stadt erfüllte, hatte der Tod ihrem ruhmreichen Dasein ein Ziel gesetzt/')
„Wenn das Glück ihr so hold gewesen wäre," sagte ihre Grabschrift, „wie die
Natur und die Kunst, so würde sie den berühmtesten Bildnern gleichgekommen
sein; doch auch so verkünden die Marmorwerke, von weiblicher Hand geschaffen, was
ein kräftiger Geist und Talent vermögen." Dieses Lob wird keinem, der Pro-
perzias Schöpfungen, namentlich das Relief in San Petronio, kennt, übertriebe»
erscheinen. Nicht wie die Mehrzahl weiblicher Talente nur von fremden Leistungen
zehrend, sondern aus eignem kräftigem Impuls selbständig schaffend und im
Besitz eines seltenen Schönheitssinnes und Gestaltungsvermögens, nimmt Pro-
perzia de' Rossi auf dem Gebiete der bildenden Kunst denselben Rang ein wie
Vittoria Colonna als Dichterin, und zieht man speciell den Umstand in Be¬
tracht, daß sie dem Meißel ihren Ruhm verdankt, so erscheint sie unbedingt
als eine der merkwürdigsten Frauen, welche das Zeitalter der Renaissance her¬
vorbrachte.




Ein halbasiatischer Roman.

art Emil Franzos gehört zu jenen jüngern Schriftstellern, denen
eine glücklich gefundne oder gewühlte Specialität rasch zu einem
weitverbreiteten Namen und großem äußern Erfolg verholfen hat.
Seine Specialität ist „Halbasien." Was sich nach Nord und Süd,
Ost und West vom Wald und Bergland der Bukowina ausbreitet:
Galizien, das neue Königreich Rumänien, die Karpathenthälcr von Siebenbürgen
und die weiten kleiurnssischen Ebenen am Pruth, das ganze vielsprachige Völker¬
gemisch, das zwischen Don und Donau mit wundersamer Halbcultur haust, ist
ihm durch Jugendeindrücke und spätere Studien vertraut und hat ihm reichen
Stoff zu einer großen Reihe von fcirbeufrischen Schilderungen geboten, welche
den Reiz der Neuheit entschieden zu beanspruchen hatten. Den Skizzen schlössen
sich Erzählungen („Die Juden von Barrow," „Moschko von Parma") an, welche



Es kann nicht Wunder nehmen, daß das geheimnißvolle Dunkel, welches die Gestalt
der Properzia de' Rossi umhüllt, zu dichterischer Behandlung reizte. Paolo Costa machte
sie zur Heldin einer Tragödie (Bologna 1828), deren Fabel er ans Goethes „stelln"
entlehnte. Das Stilet laßt ziemlich kalt und leidet außerdem vielfach an mangelhafter Mo-
tivirung. Zu einer Novelle benutzte sie der bekannte Kunstschriftsteller Pietro Selvntico
(ttiormils eil I^Iovü., Jahrg. 1870, Ur. I2L—136), ohne den dnukbareu Stoff poetisch zu
erschöpfen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/420>, abgerufen am 28.04.2024.