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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Frauen der italienischen Renaissance.

eilf Grund ihres frühzeitigen Todes bezeichnet wird. Alles, so lauten die Worte
des Aretincrs, gedieh dem armen jungen Wesen zu glücklichem Ende, nur nicht
ihre unselige Liebe. Die Untersuchungen Gucilandis haben es nun höchst wahr¬
scheinlich gemacht, daß der Gegenstand dieser Liebe ein gewisser Antonio Gnleazzo
Mcilvasia war, ein junger Jurist, der zu Bologna studirte und dort im Jahre
1524 den Doetorhut erwarb. Daß derselbe in intimen Verhältniß zu der
Künstlerin stand, beweist ein Proceß, in den er vier Jahre zuvor verwickelt war;
ein Sammcthäudler, dessen Grundstück an Properzias Wohnung grenzte, hatte
ihn angeklagt, mit seiner Geliebten die in seinem Garten befindlichen Weinstöcke
und einen Kirschbaum demolirt zu haben. Der Ausgang des Processes, in dem
Antonio sich und die Geliebte persönlich vertheidigte, ist nicht bekannt; überhaupt
findet sich von dem jungen Rechtsgelehrten keine weitere Spur, und es steht
zu vermuthen, daß derselbe nach seiner Promovirnng Properzia verlassen hat.
Alles übrige, was sich auf die Liebe der Künstlerin bezieht, ist in Dunkel ge¬
hüllt; sicher ist nur, daß Properzia 1530 in der Blüte ihrer Jahre aus dem
Leben schied. Auch der Ruhm, den sie bei ihren Landsleuten genoß, ward ihr
verkümmert durch kleinliche Intriguen, welche der Neid unbedeutender Geister
gegen sie anzettelte. Namentlich war es der Maler Amico Aspertini, ein
Schüler des Francesco Francia, der sie von den Arbeiten an San Petronio
zu verdrängen suchte; daß er Grund hatte, eine gefährliche Rivalin in ihr zu
fürchten, zeigt nur zu deutlich der Nicodemus mit dem Leichnam Christi, eine
Gruppe, die er, auf das Gebiet der Plastik sich wagend, für die Lünette des
einen Kirchenportals lieferte; er soll es durch seine gehässigen Reden dahin ge¬
bracht haben, daß der Künstlerin der Lohn für ihre Arbeiten verkürzt wurde.

Aber nicht nur als Bildhauerin stand Properzia in hohem Rufe: auch
ihre literarische Bildung wird als eine umfassende gerühmt, und im Saitenspiel
und Gesang stellte sie sämmtliche Frauen Bolognas in Schatten. Daß das
allgemeine Lob ihres äußern Liebreizes kein übertriebenes ist, beweist eine in
bolognesischen Privatbesitz befindliche Terracottabüste, in der sie angeblich ihr
älterer Kunstgeuosse Alfonso Cittadella, genannt Lombardo, verewigte und von
der verschiedene Abbildungrn existiren.*) Das Profil nähert sich mit seinen
edlen Linien griechischen Jdealbildungen, und in dem sreiblickcudeu großen Auge
giebt sich ein hoher und lebendiger Geist zu erkennen.

Von romantischem Licht umflossen wie ihr Leben, ist auch das Hinscheiden
der großen Künstlerin. Als Papst Clemens VII. 1530 zu Bologna weilte, um
Karl V. zum Kaiser zu krönen, und sich bei dieser Gelegenheit die hervorragendsten
Künstler der Stadt vorstellen ließ, wünschte er, heißt es, auch die gefeierte
Properzia de' Rossi kennen zu lernen. Zu seinem großen Leidwesen ward ihm



Die beste in des Grafen Canullo Gmssi vosoiiÄono al, -nomen minutissimi inwM
(ti in-um al krnxorüik av nashi, Lolog'n" 1829.
Grenzboten IV. Z831. 23
Die Frauen der italienischen Renaissance.

eilf Grund ihres frühzeitigen Todes bezeichnet wird. Alles, so lauten die Worte
des Aretincrs, gedieh dem armen jungen Wesen zu glücklichem Ende, nur nicht
ihre unselige Liebe. Die Untersuchungen Gucilandis haben es nun höchst wahr¬
scheinlich gemacht, daß der Gegenstand dieser Liebe ein gewisser Antonio Gnleazzo
Mcilvasia war, ein junger Jurist, der zu Bologna studirte und dort im Jahre
1524 den Doetorhut erwarb. Daß derselbe in intimen Verhältniß zu der
Künstlerin stand, beweist ein Proceß, in den er vier Jahre zuvor verwickelt war;
ein Sammcthäudler, dessen Grundstück an Properzias Wohnung grenzte, hatte
ihn angeklagt, mit seiner Geliebten die in seinem Garten befindlichen Weinstöcke
und einen Kirschbaum demolirt zu haben. Der Ausgang des Processes, in dem
Antonio sich und die Geliebte persönlich vertheidigte, ist nicht bekannt; überhaupt
findet sich von dem jungen Rechtsgelehrten keine weitere Spur, und es steht
zu vermuthen, daß derselbe nach seiner Promovirnng Properzia verlassen hat.
Alles übrige, was sich auf die Liebe der Künstlerin bezieht, ist in Dunkel ge¬
hüllt; sicher ist nur, daß Properzia 1530 in der Blüte ihrer Jahre aus dem
Leben schied. Auch der Ruhm, den sie bei ihren Landsleuten genoß, ward ihr
verkümmert durch kleinliche Intriguen, welche der Neid unbedeutender Geister
gegen sie anzettelte. Namentlich war es der Maler Amico Aspertini, ein
Schüler des Francesco Francia, der sie von den Arbeiten an San Petronio
zu verdrängen suchte; daß er Grund hatte, eine gefährliche Rivalin in ihr zu
fürchten, zeigt nur zu deutlich der Nicodemus mit dem Leichnam Christi, eine
Gruppe, die er, auf das Gebiet der Plastik sich wagend, für die Lünette des
einen Kirchenportals lieferte; er soll es durch seine gehässigen Reden dahin ge¬
bracht haben, daß der Künstlerin der Lohn für ihre Arbeiten verkürzt wurde.

Aber nicht nur als Bildhauerin stand Properzia in hohem Rufe: auch
ihre literarische Bildung wird als eine umfassende gerühmt, und im Saitenspiel
und Gesang stellte sie sämmtliche Frauen Bolognas in Schatten. Daß das
allgemeine Lob ihres äußern Liebreizes kein übertriebenes ist, beweist eine in
bolognesischen Privatbesitz befindliche Terracottabüste, in der sie angeblich ihr
älterer Kunstgeuosse Alfonso Cittadella, genannt Lombardo, verewigte und von
der verschiedene Abbildungrn existiren.*) Das Profil nähert sich mit seinen
edlen Linien griechischen Jdealbildungen, und in dem sreiblickcudeu großen Auge
giebt sich ein hoher und lebendiger Geist zu erkennen.

Von romantischem Licht umflossen wie ihr Leben, ist auch das Hinscheiden
der großen Künstlerin. Als Papst Clemens VII. 1530 zu Bologna weilte, um
Karl V. zum Kaiser zu krönen, und sich bei dieser Gelegenheit die hervorragendsten
Künstler der Stadt vorstellen ließ, wünschte er, heißt es, auch die gefeierte
Properzia de' Rossi kennen zu lernen. Zu seinem großen Leidwesen ward ihm



Die beste in des Grafen Canullo Gmssi vosoiiÄono al, -nomen minutissimi inwM
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[0419] Die Frauen der italienischen Renaissance. eilf Grund ihres frühzeitigen Todes bezeichnet wird. Alles, so lauten die Worte des Aretincrs, gedieh dem armen jungen Wesen zu glücklichem Ende, nur nicht ihre unselige Liebe. Die Untersuchungen Gucilandis haben es nun höchst wahr¬ scheinlich gemacht, daß der Gegenstand dieser Liebe ein gewisser Antonio Gnleazzo Mcilvasia war, ein junger Jurist, der zu Bologna studirte und dort im Jahre 1524 den Doetorhut erwarb. Daß derselbe in intimen Verhältniß zu der Künstlerin stand, beweist ein Proceß, in den er vier Jahre zuvor verwickelt war; ein Sammcthäudler, dessen Grundstück an Properzias Wohnung grenzte, hatte ihn angeklagt, mit seiner Geliebten die in seinem Garten befindlichen Weinstöcke und einen Kirschbaum demolirt zu haben. Der Ausgang des Processes, in dem Antonio sich und die Geliebte persönlich vertheidigte, ist nicht bekannt; überhaupt findet sich von dem jungen Rechtsgelehrten keine weitere Spur, und es steht zu vermuthen, daß derselbe nach seiner Promovirnng Properzia verlassen hat. Alles übrige, was sich auf die Liebe der Künstlerin bezieht, ist in Dunkel ge¬ hüllt; sicher ist nur, daß Properzia 1530 in der Blüte ihrer Jahre aus dem Leben schied. Auch der Ruhm, den sie bei ihren Landsleuten genoß, ward ihr verkümmert durch kleinliche Intriguen, welche der Neid unbedeutender Geister gegen sie anzettelte. Namentlich war es der Maler Amico Aspertini, ein Schüler des Francesco Francia, der sie von den Arbeiten an San Petronio zu verdrängen suchte; daß er Grund hatte, eine gefährliche Rivalin in ihr zu fürchten, zeigt nur zu deutlich der Nicodemus mit dem Leichnam Christi, eine Gruppe, die er, auf das Gebiet der Plastik sich wagend, für die Lünette des einen Kirchenportals lieferte; er soll es durch seine gehässigen Reden dahin ge¬ bracht haben, daß der Künstlerin der Lohn für ihre Arbeiten verkürzt wurde. Aber nicht nur als Bildhauerin stand Properzia in hohem Rufe: auch ihre literarische Bildung wird als eine umfassende gerühmt, und im Saitenspiel und Gesang stellte sie sämmtliche Frauen Bolognas in Schatten. Daß das allgemeine Lob ihres äußern Liebreizes kein übertriebenes ist, beweist eine in bolognesischen Privatbesitz befindliche Terracottabüste, in der sie angeblich ihr älterer Kunstgeuosse Alfonso Cittadella, genannt Lombardo, verewigte und von der verschiedene Abbildungrn existiren.*) Das Profil nähert sich mit seinen edlen Linien griechischen Jdealbildungen, und in dem sreiblickcudeu großen Auge giebt sich ein hoher und lebendiger Geist zu erkennen. Von romantischem Licht umflossen wie ihr Leben, ist auch das Hinscheiden der großen Künstlerin. Als Papst Clemens VII. 1530 zu Bologna weilte, um Karl V. zum Kaiser zu krönen, und sich bei dieser Gelegenheit die hervorragendsten Künstler der Stadt vorstellen ließ, wünschte er, heißt es, auch die gefeierte Properzia de' Rossi kennen zu lernen. Zu seinem großen Leidwesen ward ihm Die beste in des Grafen Canullo Gmssi vosoiiÄono al, -nomen minutissimi inwM (ti in-um al krnxorüik av nashi, Lolog'n» 1829. Grenzboten IV. Z831. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/419>, abgerufen am 14.05.2024.