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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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politische Rückblicke und Ausblicke.
2.

n unserm ersten Artikel haben wir die Blicke nach Westen ge¬
richtet. Lenken wir sie jetzt auf unsern großen östlichen Nachbar,
so sehen wir, daß sich das bewahrheitet hat, was wir bei der
Thronbesteigung Alexanders des Dritten andeuteten. Der, neue
Kaiser von Rußland hatte dem europäischen Publicum in der Zeit,
wo er noch Großfürst-Thronfolger war, als Deutschland abgeneigt gegolten,
Man wollte wissen, daß unsre Erfolge ihn mit Eifersucht und Befürchtungen
erfüllt hätten, und daß ihm der Einfluß des deutschen Elements in Rußland
^lbst unerwünscht und bedenklich erscheine. Man hielt ihn für einen russischen
Patrioten von der Aksakoffschen Schule, für erfüllt von panslavistischen An¬
schauungen und Absichten. Wir hatten Gründe, diese Urtheile über den Zare-
n!!^ ^ bezweifeln oder wenigstens einzuschränken, andre und zwar die meisten
glätter meinten besser unterrichtet zu sein, und so sah man den Ereignissen,
^ man, nachdem er sich mit dem Purpur bekleidet, erwartete, in weiten Kreisen
'we Unruhe und Beklemmung entgegen. Auch wir waren, offen gestanden, unsrer
^ache nicht so sicher, daß wir aus die Entwicklung der Dinge nicht mindestens einiger¬
maßen gespannt gewesen wären. Der neue Zar schien einen Augenblick am
cheidewege zu stehen. Es sah vor ihm und um ihn einige Wochen unklar aus.
Früchte gingen, daß er ein Mann der Action sei und sich demnächst als solcher
weisen werde. Das Manifest, das in dem Giersschen Rundschreiben erging,
prüde darüber beruhigen, und im weitern Verlaufe der Zeit klärte es sich
^mählich noch mehr auf, bis endlich die Sonne des Friedens unbewölkt her¬
vortrat,


Grenzboten IV. 1881. 1


politische Rückblicke und Ausblicke.
2.

n unserm ersten Artikel haben wir die Blicke nach Westen ge¬
richtet. Lenken wir sie jetzt auf unsern großen östlichen Nachbar,
so sehen wir, daß sich das bewahrheitet hat, was wir bei der
Thronbesteigung Alexanders des Dritten andeuteten. Der, neue
Kaiser von Rußland hatte dem europäischen Publicum in der Zeit,
wo er noch Großfürst-Thronfolger war, als Deutschland abgeneigt gegolten,
Man wollte wissen, daß unsre Erfolge ihn mit Eifersucht und Befürchtungen
erfüllt hätten, und daß ihm der Einfluß des deutschen Elements in Rußland
^lbst unerwünscht und bedenklich erscheine. Man hielt ihn für einen russischen
Patrioten von der Aksakoffschen Schule, für erfüllt von panslavistischen An¬
schauungen und Absichten. Wir hatten Gründe, diese Urtheile über den Zare-
n!!^ ^ bezweifeln oder wenigstens einzuschränken, andre und zwar die meisten
glätter meinten besser unterrichtet zu sein, und so sah man den Ereignissen,
^ man, nachdem er sich mit dem Purpur bekleidet, erwartete, in weiten Kreisen
'we Unruhe und Beklemmung entgegen. Auch wir waren, offen gestanden, unsrer
^ache nicht so sicher, daß wir aus die Entwicklung der Dinge nicht mindestens einiger¬
maßen gespannt gewesen wären. Der neue Zar schien einen Augenblick am
cheidewege zu stehen. Es sah vor ihm und um ihn einige Wochen unklar aus.
Früchte gingen, daß er ein Mann der Action sei und sich demnächst als solcher
weisen werde. Das Manifest, das in dem Giersschen Rundschreiben erging,
prüde darüber beruhigen, und im weitern Verlaufe der Zeit klärte es sich
^mählich noch mehr auf, bis endlich die Sonne des Friedens unbewölkt her¬
vortrat,


Grenzboten IV. 1881. 1
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[0007] [Abbildung] politische Rückblicke und Ausblicke. 2. n unserm ersten Artikel haben wir die Blicke nach Westen ge¬ richtet. Lenken wir sie jetzt auf unsern großen östlichen Nachbar, so sehen wir, daß sich das bewahrheitet hat, was wir bei der Thronbesteigung Alexanders des Dritten andeuteten. Der, neue Kaiser von Rußland hatte dem europäischen Publicum in der Zeit, wo er noch Großfürst-Thronfolger war, als Deutschland abgeneigt gegolten, Man wollte wissen, daß unsre Erfolge ihn mit Eifersucht und Befürchtungen erfüllt hätten, und daß ihm der Einfluß des deutschen Elements in Rußland ^lbst unerwünscht und bedenklich erscheine. Man hielt ihn für einen russischen Patrioten von der Aksakoffschen Schule, für erfüllt von panslavistischen An¬ schauungen und Absichten. Wir hatten Gründe, diese Urtheile über den Zare- n!!^ ^ bezweifeln oder wenigstens einzuschränken, andre und zwar die meisten glätter meinten besser unterrichtet zu sein, und so sah man den Ereignissen, ^ man, nachdem er sich mit dem Purpur bekleidet, erwartete, in weiten Kreisen 'we Unruhe und Beklemmung entgegen. Auch wir waren, offen gestanden, unsrer ^ache nicht so sicher, daß wir aus die Entwicklung der Dinge nicht mindestens einiger¬ maßen gespannt gewesen wären. Der neue Zar schien einen Augenblick am cheidewege zu stehen. Es sah vor ihm und um ihn einige Wochen unklar aus. Früchte gingen, daß er ein Mann der Action sei und sich demnächst als solcher weisen werde. Das Manifest, das in dem Giersschen Rundschreiben erging, prüde darüber beruhigen, und im weitern Verlaufe der Zeit klärte es sich ^mählich noch mehr auf, bis endlich die Sonne des Friedens unbewölkt her¬ vortrat, Grenzboten IV. 1881. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/7>, abgerufen am 28.04.2024.