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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Muscheln von der Insel Rügen.

und durch den Londoner Traktat vom 6. Juli sich mit de" Westmünster über
eine Regelung der griechischen Frage verständigte, womit die ganze Partei¬
stellung der Großmächte sich verschob. Die Schlacht bei Navarin, die nach dem
Ausdrucke des Kaisers Franz alle Merkmale des Meuchelmordes an sich trug,
that das Übrige. Der Bund der Ostmächte existirte nicht mehr.

, Der Name der Heiligen Allianz hat zwar auch diese Katastrophe überdauert,
er ist sogar durch die Julirevolution zu neuer Geltung gekommen; in Wirklich¬
keit wurde nur der alte Gegensatz zwischen Rußland und Österreich durch das
gemeinsame Interesse des Zusnmmenhalteus gegen die von Westen her drohenden
Gewalten der Zerstörung oberflächlich verdeckt.




Muscheln von der Insel Rügen.

uter den Inseln der deutscheu Küste erfreut sich die größte derselben,
die Insel Rügen, auch der größten Sympathien in ganz Deutsch¬
land, besonders bei den Bewohnern des Binnenlandes. Diese
allgemeine Sympathie der Deutschen für das meerumschlnngeue
Eiland an der nördlichsten Spitze des Ostseestrcmdes fuhrt all¬
jährlich viele Tausende von Reisenden nach den hervorragendsten Stätten der
Insel, wo sich ihre eigentümliche Schönheit im hellsten Glänze zeigt. Was
Wohl am meisten die Sehnsucht nach dem Besuche Rügens weckt, ist das ge¬
heimnisvolle Wehen der Sage, welche die rauschenden Haine und die stillen Wald¬
seen, die steilen Vorgebirge und den aus der Tiefe der Wellen heraufschimmernden
weißen Meeresgrund mit leisen Klängen der Erinnerung an unsre deutsche Vor¬
zeit nmklingt.

Aber auch ohne den verklärenden Schein der Sage besitzt die Insel eine
vielgestaltige und eigenartige Schönheit, die jeden, der ein offnes Auge für die
Natur besitzt, anzieht und fesselt. Vor allem das Meer, das zumal den Be¬
wohner des mittlern Dentschlands gewaltig ergreift und in seinen stetig wechselnden
Erscheinungsformen dem Auge täglich neue Reize enthüllt; dazu der Strand mit
!n"er Mannichfaltigkeit an Steinen jeglicher Größe und Gestalt, von dem ge¬
waltigen Felsblock, an dem tosend und schäumend sich die Welle bricht, bis zu
den kleinen Kieseln, die dnrch die nimmer rastende Arbeit der Meereswogen zu
völlig runder oder ovaler Form abgeschliffen sind, zwischen ihnen die verschieden¬
artigen Versteinerungen, Muscheln und Bernsteinstücke, die das aufgeregte Meer
aus seinen Tiefen hervorwühlt; dazu die seltsame Vegetation, die das Meerwasser


Muscheln von der Insel Rügen.

und durch den Londoner Traktat vom 6. Juli sich mit de» Westmünster über
eine Regelung der griechischen Frage verständigte, womit die ganze Partei¬
stellung der Großmächte sich verschob. Die Schlacht bei Navarin, die nach dem
Ausdrucke des Kaisers Franz alle Merkmale des Meuchelmordes an sich trug,
that das Übrige. Der Bund der Ostmächte existirte nicht mehr.

, Der Name der Heiligen Allianz hat zwar auch diese Katastrophe überdauert,
er ist sogar durch die Julirevolution zu neuer Geltung gekommen; in Wirklich¬
keit wurde nur der alte Gegensatz zwischen Rußland und Österreich durch das
gemeinsame Interesse des Zusnmmenhalteus gegen die von Westen her drohenden
Gewalten der Zerstörung oberflächlich verdeckt.




Muscheln von der Insel Rügen.

uter den Inseln der deutscheu Küste erfreut sich die größte derselben,
die Insel Rügen, auch der größten Sympathien in ganz Deutsch¬
land, besonders bei den Bewohnern des Binnenlandes. Diese
allgemeine Sympathie der Deutschen für das meerumschlnngeue
Eiland an der nördlichsten Spitze des Ostseestrcmdes fuhrt all¬
jährlich viele Tausende von Reisenden nach den hervorragendsten Stätten der
Insel, wo sich ihre eigentümliche Schönheit im hellsten Glänze zeigt. Was
Wohl am meisten die Sehnsucht nach dem Besuche Rügens weckt, ist das ge¬
heimnisvolle Wehen der Sage, welche die rauschenden Haine und die stillen Wald¬
seen, die steilen Vorgebirge und den aus der Tiefe der Wellen heraufschimmernden
weißen Meeresgrund mit leisen Klängen der Erinnerung an unsre deutsche Vor¬
zeit nmklingt.

Aber auch ohne den verklärenden Schein der Sage besitzt die Insel eine
vielgestaltige und eigenartige Schönheit, die jeden, der ein offnes Auge für die
Natur besitzt, anzieht und fesselt. Vor allem das Meer, das zumal den Be¬
wohner des mittlern Dentschlands gewaltig ergreift und in seinen stetig wechselnden
Erscheinungsformen dem Auge täglich neue Reize enthüllt; dazu der Strand mit
!n»er Mannichfaltigkeit an Steinen jeglicher Größe und Gestalt, von dem ge¬
waltigen Felsblock, an dem tosend und schäumend sich die Welle bricht, bis zu
den kleinen Kieseln, die dnrch die nimmer rastende Arbeit der Meereswogen zu
völlig runder oder ovaler Form abgeschliffen sind, zwischen ihnen die verschieden¬
artigen Versteinerungen, Muscheln und Bernsteinstücke, die das aufgeregte Meer
aus seinen Tiefen hervorwühlt; dazu die seltsame Vegetation, die das Meerwasser


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[0211] Muscheln von der Insel Rügen. und durch den Londoner Traktat vom 6. Juli sich mit de» Westmünster über eine Regelung der griechischen Frage verständigte, womit die ganze Partei¬ stellung der Großmächte sich verschob. Die Schlacht bei Navarin, die nach dem Ausdrucke des Kaisers Franz alle Merkmale des Meuchelmordes an sich trug, that das Übrige. Der Bund der Ostmächte existirte nicht mehr. , Der Name der Heiligen Allianz hat zwar auch diese Katastrophe überdauert, er ist sogar durch die Julirevolution zu neuer Geltung gekommen; in Wirklich¬ keit wurde nur der alte Gegensatz zwischen Rußland und Österreich durch das gemeinsame Interesse des Zusnmmenhalteus gegen die von Westen her drohenden Gewalten der Zerstörung oberflächlich verdeckt. Muscheln von der Insel Rügen. uter den Inseln der deutscheu Küste erfreut sich die größte derselben, die Insel Rügen, auch der größten Sympathien in ganz Deutsch¬ land, besonders bei den Bewohnern des Binnenlandes. Diese allgemeine Sympathie der Deutschen für das meerumschlnngeue Eiland an der nördlichsten Spitze des Ostseestrcmdes fuhrt all¬ jährlich viele Tausende von Reisenden nach den hervorragendsten Stätten der Insel, wo sich ihre eigentümliche Schönheit im hellsten Glänze zeigt. Was Wohl am meisten die Sehnsucht nach dem Besuche Rügens weckt, ist das ge¬ heimnisvolle Wehen der Sage, welche die rauschenden Haine und die stillen Wald¬ seen, die steilen Vorgebirge und den aus der Tiefe der Wellen heraufschimmernden weißen Meeresgrund mit leisen Klängen der Erinnerung an unsre deutsche Vor¬ zeit nmklingt. Aber auch ohne den verklärenden Schein der Sage besitzt die Insel eine vielgestaltige und eigenartige Schönheit, die jeden, der ein offnes Auge für die Natur besitzt, anzieht und fesselt. Vor allem das Meer, das zumal den Be¬ wohner des mittlern Dentschlands gewaltig ergreift und in seinen stetig wechselnden Erscheinungsformen dem Auge täglich neue Reize enthüllt; dazu der Strand mit !n»er Mannichfaltigkeit an Steinen jeglicher Größe und Gestalt, von dem ge¬ waltigen Felsblock, an dem tosend und schäumend sich die Welle bricht, bis zu den kleinen Kieseln, die dnrch die nimmer rastende Arbeit der Meereswogen zu völlig runder oder ovaler Form abgeschliffen sind, zwischen ihnen die verschieden¬ artigen Versteinerungen, Muscheln und Bernsteinstücke, die das aufgeregte Meer aus seinen Tiefen hervorwühlt; dazu die seltsame Vegetation, die das Meerwasser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/211>, abgerufen am 05.05.2024.