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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Literatur.

240

Er verleumdete deine Mutter. Du hörtest ihm zu, wie er deine Mutter ver¬
leumdete!

Frau Anderson war jetzt in Weißglühhitze. Julia war sprachlos. Ich sah
dich gestern, wie du mit diesem Dntchmcm liebeltest und zuhörtest, wie er deine
Mutter beschimpfte. Und jetzt beleidigst du mich. Nun denn, morgen wird der
letzte Tag sein, wo dieser Dntchman an dieser Stelle einen Pflug führen wird.
Und du, Mamsell, thätest besser, dich um dich selber zu bekümmern. Und --

Hier folgte eine Salve von Schimpfnamen, die Julia stehend über sich er¬
gehen ließ. Aber als die Stimme ihrer Mutter zu einem Gekreisch ausartete,
nahm Julia das Wort und sagte: Schweig, Mutter!

Es war das erste Wort der Widersetzlichkeit, das sie je geäußert. Der
innere Schmerz und Kampf mußte schrecklich gewesen sein, daß er ihr das ab¬
gerungen hatte. Die Mutter war ganz verblüfft vor Ärger und Erstaunen.
Sie konnte sich davon nicht genügend erholen, um eher die Sprache wiederzu¬
finden, als bis Julia sich schou die halbe Treppe hinausgeflüchtet hatte. Dann
deckte ihre Mutter ihren Rückzug, indem sie ihr nachkreischte: Marsch ans deine
Stube, du unverschämtes Ding! Du weißt, daß ich jede Minute an meiner
Herzkrankheit sterben kann, aber du willst mich umbringen! (Fortsetzung folgt.)




Literatur,

Archäologische Wandtafeln. Von Professor Georg Niemann in Wien,
dessen Name durch seinen Anteil an der Expedition nach Samvthrake bekannt ist,
und der sich vor kurzem zu verwandten Zwecken auf den Weg nach Kleinasien
gemacht hat, ist in den für das archäologische Seminar der Wiener Universität
hergestellten archäologischen Vorlegeblättern eine Ansicht des Erechtheions in Rekon-
struktion und mit teilweiser Bloßlegung der äußern und innern Konstruktion er¬
schienen. Das Blatt bildet ein Seitenstück zu der vor mehreren Jahren Publizirten
Ansicht eiuer Ecke des Partheuons. Bei seiner Größe (mit dem Plattenrande
48x58 Centimeter) kann es als Wandtafel benutzt werden und ist als äußerst
instruktives Lehrmittel zu empfehlen. Erfahrungsgemäß macht es beträchtliche
Schwierigkeiten, Schülern der verschiedensten Kategorien, falls sie nicht schon Ge¬
legenheit gehabt haben, antike Bauten zu sehen, eine klare Vorstellung von solchen
zu geben, und gewiß jeder Lehrer der Kunstgeschichte oder Stillehre hat schon merk¬
würdige Erfahrungen darin gemacht, wie verworrene Begriffe sich oft mit den ge¬
wissenhaft auswendig gelernten technischen Ausdrücken verbinden. Die Niemaunschen
Prospekte bieten nun hierfür eine große Erleichterung, sie ermöglichen eine Demon¬
stration in ähnlicher Weise wie vor dem menschlichen Akt neben der anatomischen
Figur. Hoffentlich findet der Künstler Zeit, entsprechende Anschauungsmittel auch
für deu römischem und die mittelalterlichen Baustile, wie für die dorische und die
ionische Ordnung zu liefern. _




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes lÄi.uno>v in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.
Literatur.

240

Er verleumdete deine Mutter. Du hörtest ihm zu, wie er deine Mutter ver¬
leumdete!

Frau Anderson war jetzt in Weißglühhitze. Julia war sprachlos. Ich sah
dich gestern, wie du mit diesem Dntchmcm liebeltest und zuhörtest, wie er deine
Mutter beschimpfte. Und jetzt beleidigst du mich. Nun denn, morgen wird der
letzte Tag sein, wo dieser Dntchman an dieser Stelle einen Pflug führen wird.
Und du, Mamsell, thätest besser, dich um dich selber zu bekümmern. Und —

Hier folgte eine Salve von Schimpfnamen, die Julia stehend über sich er¬
gehen ließ. Aber als die Stimme ihrer Mutter zu einem Gekreisch ausartete,
nahm Julia das Wort und sagte: Schweig, Mutter!

Es war das erste Wort der Widersetzlichkeit, das sie je geäußert. Der
innere Schmerz und Kampf mußte schrecklich gewesen sein, daß er ihr das ab¬
gerungen hatte. Die Mutter war ganz verblüfft vor Ärger und Erstaunen.
Sie konnte sich davon nicht genügend erholen, um eher die Sprache wiederzu¬
finden, als bis Julia sich schou die halbe Treppe hinausgeflüchtet hatte. Dann
deckte ihre Mutter ihren Rückzug, indem sie ihr nachkreischte: Marsch ans deine
Stube, du unverschämtes Ding! Du weißt, daß ich jede Minute an meiner
Herzkrankheit sterben kann, aber du willst mich umbringen! (Fortsetzung folgt.)




Literatur,

Archäologische Wandtafeln. Von Professor Georg Niemann in Wien,
dessen Name durch seinen Anteil an der Expedition nach Samvthrake bekannt ist,
und der sich vor kurzem zu verwandten Zwecken auf den Weg nach Kleinasien
gemacht hat, ist in den für das archäologische Seminar der Wiener Universität
hergestellten archäologischen Vorlegeblättern eine Ansicht des Erechtheions in Rekon-
struktion und mit teilweiser Bloßlegung der äußern und innern Konstruktion er¬
schienen. Das Blatt bildet ein Seitenstück zu der vor mehreren Jahren Publizirten
Ansicht eiuer Ecke des Partheuons. Bei seiner Größe (mit dem Plattenrande
48x58 Centimeter) kann es als Wandtafel benutzt werden und ist als äußerst
instruktives Lehrmittel zu empfehlen. Erfahrungsgemäß macht es beträchtliche
Schwierigkeiten, Schülern der verschiedensten Kategorien, falls sie nicht schon Ge¬
legenheit gehabt haben, antike Bauten zu sehen, eine klare Vorstellung von solchen
zu geben, und gewiß jeder Lehrer der Kunstgeschichte oder Stillehre hat schon merk¬
würdige Erfahrungen darin gemacht, wie verworrene Begriffe sich oft mit den ge¬
wissenhaft auswendig gelernten technischen Ausdrücken verbinden. Die Niemaunschen
Prospekte bieten nun hierfür eine große Erleichterung, sie ermöglichen eine Demon¬
stration in ähnlicher Weise wie vor dem menschlichen Akt neben der anatomischen
Figur. Hoffentlich findet der Künstler Zeit, entsprechende Anschauungsmittel auch
für deu römischem und die mittelalterlichen Baustile, wie für die dorische und die
ionische Ordnung zu liefern. _




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes lÄi.uno>v in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.
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[0248] Literatur. 240 Er verleumdete deine Mutter. Du hörtest ihm zu, wie er deine Mutter ver¬ leumdete! Frau Anderson war jetzt in Weißglühhitze. Julia war sprachlos. Ich sah dich gestern, wie du mit diesem Dntchmcm liebeltest und zuhörtest, wie er deine Mutter beschimpfte. Und jetzt beleidigst du mich. Nun denn, morgen wird der letzte Tag sein, wo dieser Dntchman an dieser Stelle einen Pflug führen wird. Und du, Mamsell, thätest besser, dich um dich selber zu bekümmern. Und — Hier folgte eine Salve von Schimpfnamen, die Julia stehend über sich er¬ gehen ließ. Aber als die Stimme ihrer Mutter zu einem Gekreisch ausartete, nahm Julia das Wort und sagte: Schweig, Mutter! Es war das erste Wort der Widersetzlichkeit, das sie je geäußert. Der innere Schmerz und Kampf mußte schrecklich gewesen sein, daß er ihr das ab¬ gerungen hatte. Die Mutter war ganz verblüfft vor Ärger und Erstaunen. Sie konnte sich davon nicht genügend erholen, um eher die Sprache wiederzu¬ finden, als bis Julia sich schou die halbe Treppe hinausgeflüchtet hatte. Dann deckte ihre Mutter ihren Rückzug, indem sie ihr nachkreischte: Marsch ans deine Stube, du unverschämtes Ding! Du weißt, daß ich jede Minute an meiner Herzkrankheit sterben kann, aber du willst mich umbringen! (Fortsetzung folgt.) Literatur, Archäologische Wandtafeln. Von Professor Georg Niemann in Wien, dessen Name durch seinen Anteil an der Expedition nach Samvthrake bekannt ist, und der sich vor kurzem zu verwandten Zwecken auf den Weg nach Kleinasien gemacht hat, ist in den für das archäologische Seminar der Wiener Universität hergestellten archäologischen Vorlegeblättern eine Ansicht des Erechtheions in Rekon- struktion und mit teilweiser Bloßlegung der äußern und innern Konstruktion er¬ schienen. Das Blatt bildet ein Seitenstück zu der vor mehreren Jahren Publizirten Ansicht eiuer Ecke des Partheuons. Bei seiner Größe (mit dem Plattenrande 48x58 Centimeter) kann es als Wandtafel benutzt werden und ist als äußerst instruktives Lehrmittel zu empfehlen. Erfahrungsgemäß macht es beträchtliche Schwierigkeiten, Schülern der verschiedensten Kategorien, falls sie nicht schon Ge¬ legenheit gehabt haben, antike Bauten zu sehen, eine klare Vorstellung von solchen zu geben, und gewiß jeder Lehrer der Kunstgeschichte oder Stillehre hat schon merk¬ würdige Erfahrungen darin gemacht, wie verworrene Begriffe sich oft mit den ge¬ wissenhaft auswendig gelernten technischen Ausdrücken verbinden. Die Niemaunschen Prospekte bieten nun hierfür eine große Erleichterung, sie ermöglichen eine Demon¬ stration in ähnlicher Weise wie vor dem menschlichen Akt neben der anatomischen Figur. Hoffentlich findet der Künstler Zeit, entsprechende Anschauungsmittel auch für deu römischem und die mittelalterlichen Baustile, wie für die dorische und die ionische Ordnung zu liefern. _ Für die Redaktion verantwortlich: Johannes lÄi.uno>v in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/248>, abgerufen am 05.05.2024.