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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.

Aber noch mehr Trost gab ihm der stille Blick seiner Mutter, die mit ihrem
sanften Gesicht sich in dem Gedränge ihrer Kinder wie eine Henne unter mehr
Küchlein bewegte, als sie zu versorgen imstande ist, und die doch nie unterließ,
geduldig und liebreich zu sein. Hätte irgend etwas in den Zügen der Mutter
wie ein Vorwurf ciusgeseheu, so wäre es die schwerste Prüfung für ihn gewesen.
Aber in ihren Augen -- liebe, alte herrnhutische Mutter! -- lag etwas, woraus
August Mut schöpfte. Die Mutter war für ihn ein Gewissen außerhalb seiner
Person, und als jetzt Gottlieb, der seiner Frau halber ins Dentschreden ver¬
fallen war, in feiner Anklage gegen dieses kanaanitische Aankeemädchen, in das
sein Sohn sich verliebt, fortlürmte, sah der Sohn dann und wann seiner Mutter
in die Augen, diese stillen deutschen Augen, und freute sich von Herzen, daß er
darin keinen Widerschein des Tadels seines Vaters begegnete. Der alte Weste
nahm bald darauf sein schlechtes Englisch wieder auf, wahrscheinlich, weil es sich
besser zum Zanken eignete. Ob er glaubte, er wolle seine Kinder dadurch das
Deutsche lieben lehren, daß er sie auf Englisch ausschalt, weiß ich uicht, aber es
war seine Gewohnheit.

Ich sage dir, diese Jankees sind Aankees. Niemals hat einer zu was gutem
getaugt. Na ja, Andrew Anderson ist einer. Der Mann blieb bei uns, als
wir alle miteinander krank waren, und er ist so gut, als ob er in Deutschland
geboren wäre. Aber alle übrigen sind Mnkees. Heirate eine deutsche Frau,
die so verständig ist, Sauerkraut zu essen und in Federbetten zu schlafen, wenn
es kalt ist, und laß die Icmkecs Aankees sein.

Als er sah, daß August seinen Hut nahm und nach der Thür ging, rief er
verdrießlich aus: Na, wo gehts deun schon wieder hin?

Hinüber nach der Burg.

Gut, das ist recht. Geh nach der Burg. Andrew wird dir sagen, was
für eine Sorte von Weibern die Jankeemädels sind.




Fünftes Tiapitel.
In der Burg.

Als Angust Andrew Andersons Burg erreichte, war es dunkel geworden.
Die Burg war in einer Bodensenkung erbaut und blickte nach dem Ohio hinaus,
einem Flusse, der die Eigentümlichkeit hat, allenthalben schön zu sein, von Pitts-
burg bis nach Kairo. Durch die Bäume, an denen eben die Knospen aufsprangen,
sah August hinaus auf die goldne Straße, welche die Mondstrahlen über den
Strom gebaut hatten. Und in den Aufruhr feiner Gefühle senkte sich der milde
Segensspruch der Natur. Und was ist die Natur anderes als die Stimme
Gottes'?


Grenzboten III. 1882, ' 86
Der jüngste Tag.

Aber noch mehr Trost gab ihm der stille Blick seiner Mutter, die mit ihrem
sanften Gesicht sich in dem Gedränge ihrer Kinder wie eine Henne unter mehr
Küchlein bewegte, als sie zu versorgen imstande ist, und die doch nie unterließ,
geduldig und liebreich zu sein. Hätte irgend etwas in den Zügen der Mutter
wie ein Vorwurf ciusgeseheu, so wäre es die schwerste Prüfung für ihn gewesen.
Aber in ihren Augen — liebe, alte herrnhutische Mutter! — lag etwas, woraus
August Mut schöpfte. Die Mutter war für ihn ein Gewissen außerhalb seiner
Person, und als jetzt Gottlieb, der seiner Frau halber ins Dentschreden ver¬
fallen war, in feiner Anklage gegen dieses kanaanitische Aankeemädchen, in das
sein Sohn sich verliebt, fortlürmte, sah der Sohn dann und wann seiner Mutter
in die Augen, diese stillen deutschen Augen, und freute sich von Herzen, daß er
darin keinen Widerschein des Tadels seines Vaters begegnete. Der alte Weste
nahm bald darauf sein schlechtes Englisch wieder auf, wahrscheinlich, weil es sich
besser zum Zanken eignete. Ob er glaubte, er wolle seine Kinder dadurch das
Deutsche lieben lehren, daß er sie auf Englisch ausschalt, weiß ich uicht, aber es
war seine Gewohnheit.

Ich sage dir, diese Jankees sind Aankees. Niemals hat einer zu was gutem
getaugt. Na ja, Andrew Anderson ist einer. Der Mann blieb bei uns, als
wir alle miteinander krank waren, und er ist so gut, als ob er in Deutschland
geboren wäre. Aber alle übrigen sind Mnkees. Heirate eine deutsche Frau,
die so verständig ist, Sauerkraut zu essen und in Federbetten zu schlafen, wenn
es kalt ist, und laß die Icmkecs Aankees sein.

Als er sah, daß August seinen Hut nahm und nach der Thür ging, rief er
verdrießlich aus: Na, wo gehts deun schon wieder hin?

Hinüber nach der Burg.

Gut, das ist recht. Geh nach der Burg. Andrew wird dir sagen, was
für eine Sorte von Weibern die Jankeemädels sind.




Fünftes Tiapitel.
In der Burg.

Als Angust Andrew Andersons Burg erreichte, war es dunkel geworden.
Die Burg war in einer Bodensenkung erbaut und blickte nach dem Ohio hinaus,
einem Flusse, der die Eigentümlichkeit hat, allenthalben schön zu sein, von Pitts-
burg bis nach Kairo. Durch die Bäume, an denen eben die Knospen aufsprangen,
sah August hinaus auf die goldne Straße, welche die Mondstrahlen über den
Strom gebaut hatten. Und in den Aufruhr feiner Gefühle senkte sich der milde
Segensspruch der Natur. Und was ist die Natur anderes als die Stimme
Gottes'?


Grenzboten III. 1882, ' 86
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[0289] Der jüngste Tag. Aber noch mehr Trost gab ihm der stille Blick seiner Mutter, die mit ihrem sanften Gesicht sich in dem Gedränge ihrer Kinder wie eine Henne unter mehr Küchlein bewegte, als sie zu versorgen imstande ist, und die doch nie unterließ, geduldig und liebreich zu sein. Hätte irgend etwas in den Zügen der Mutter wie ein Vorwurf ciusgeseheu, so wäre es die schwerste Prüfung für ihn gewesen. Aber in ihren Augen — liebe, alte herrnhutische Mutter! — lag etwas, woraus August Mut schöpfte. Die Mutter war für ihn ein Gewissen außerhalb seiner Person, und als jetzt Gottlieb, der seiner Frau halber ins Dentschreden ver¬ fallen war, in feiner Anklage gegen dieses kanaanitische Aankeemädchen, in das sein Sohn sich verliebt, fortlürmte, sah der Sohn dann und wann seiner Mutter in die Augen, diese stillen deutschen Augen, und freute sich von Herzen, daß er darin keinen Widerschein des Tadels seines Vaters begegnete. Der alte Weste nahm bald darauf sein schlechtes Englisch wieder auf, wahrscheinlich, weil es sich besser zum Zanken eignete. Ob er glaubte, er wolle seine Kinder dadurch das Deutsche lieben lehren, daß er sie auf Englisch ausschalt, weiß ich uicht, aber es war seine Gewohnheit. Ich sage dir, diese Jankees sind Aankees. Niemals hat einer zu was gutem getaugt. Na ja, Andrew Anderson ist einer. Der Mann blieb bei uns, als wir alle miteinander krank waren, und er ist so gut, als ob er in Deutschland geboren wäre. Aber alle übrigen sind Mnkees. Heirate eine deutsche Frau, die so verständig ist, Sauerkraut zu essen und in Federbetten zu schlafen, wenn es kalt ist, und laß die Icmkecs Aankees sein. Als er sah, daß August seinen Hut nahm und nach der Thür ging, rief er verdrießlich aus: Na, wo gehts deun schon wieder hin? Hinüber nach der Burg. Gut, das ist recht. Geh nach der Burg. Andrew wird dir sagen, was für eine Sorte von Weibern die Jankeemädels sind. Fünftes Tiapitel. In der Burg. Als Angust Andrew Andersons Burg erreichte, war es dunkel geworden. Die Burg war in einer Bodensenkung erbaut und blickte nach dem Ohio hinaus, einem Flusse, der die Eigentümlichkeit hat, allenthalben schön zu sein, von Pitts- burg bis nach Kairo. Durch die Bäume, an denen eben die Knospen aufsprangen, sah August hinaus auf die goldne Straße, welche die Mondstrahlen über den Strom gebaut hatten. Und in den Aufruhr feiner Gefühle senkte sich der milde Segensspruch der Natur. Und was ist die Natur anderes als die Stimme Gottes'? Grenzboten III. 1882, ' 86

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/289>, abgerufen am 05.05.2024.