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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Ägypten und die Allianzgerüchte.

or der Schlacht bei Tel El Kabir ging in Damaskus dus Ge¬
rücht mu, Arabi habe den Herzog von Conuaught gefangen ge¬
nommen, und die Königin Viktoria sei dadurch genötigt worden,
mit dem Ägypter auf folgende Bedingungen hin Frieden zu schließen:
England zahlt alle Kriegskosten, dnrch die Staatsschuld Ägyptens
wird, soweit die Gläubiger Franken sind, ein Strich gemacht, die britischen
Truppen verlassen Ägypten ohne Verzug, vorher aber werden General Wolseley
und Admiral Seymour hingerichtet, endlich giebt die Königin dem siegreichen
Arabi ihre Tochter Beatrice zur Frau.

Die Sache hat bekanntlich eine wesentlich andre Wendung genommen. Nun
aber schwebten und schweben ans der Gegenseite allerlei Mißverständnisse und
Erfindungen in der Luft, die zwar nicht so naiv wie jenes, aber immerhin noch
Ziemlich komisch sind, zumut da einige davon an recht hoher Stelle geglaubt
wurden. So redete z. B. Herr Glndstone in einer Weise, daß man annehmen
Mußte, das ägyptische Volk sei voll von unterdrückter Zuneigung zu seinem Chc-
dive und dessen englischen Gönnern und warte nur auf die Beseitigung Nrabis,
Um in die tiefste Friedensstimmung zurückzuversiukeu, sodaß es keiner Bewachung
wehr bedürfte. Hat der englische Premier das wirklich zu wissen gemeint, so
wird er jetzt enttäuscht sein. Niemand wird heute daran zweifeln, daß ein Sieg
^rudis ganz Ägypten in Aufstand versetzt und im gestimmten muhammedanischen
Oriente gefährliche Zuckungen hervorgerufen haben würde, und jeder Billig-
denkende und Vorsichtige muß zugeben, daß die Engländer noch für geraume Zeit
Kezwnngen sein werden, eine starke Militärmacht in Kairo, Alexandrien und den
^reen am Suezknnal zurückzulassen, wenn die Wiederherstellung der Ordnung von
Dauer sein und ihr Schützling Tewfik nicht abermals verjagt werden soll. Dem¬
zufolge wird denn auch etwa die Hälfte von Wolseleys Heer im Nilthale bis


GrcuzbllltUl IV. 1382. 14


Ägypten und die Allianzgerüchte.

or der Schlacht bei Tel El Kabir ging in Damaskus dus Ge¬
rücht mu, Arabi habe den Herzog von Conuaught gefangen ge¬
nommen, und die Königin Viktoria sei dadurch genötigt worden,
mit dem Ägypter auf folgende Bedingungen hin Frieden zu schließen:
England zahlt alle Kriegskosten, dnrch die Staatsschuld Ägyptens
wird, soweit die Gläubiger Franken sind, ein Strich gemacht, die britischen
Truppen verlassen Ägypten ohne Verzug, vorher aber werden General Wolseley
und Admiral Seymour hingerichtet, endlich giebt die Königin dem siegreichen
Arabi ihre Tochter Beatrice zur Frau.

Die Sache hat bekanntlich eine wesentlich andre Wendung genommen. Nun
aber schwebten und schweben ans der Gegenseite allerlei Mißverständnisse und
Erfindungen in der Luft, die zwar nicht so naiv wie jenes, aber immerhin noch
Ziemlich komisch sind, zumut da einige davon an recht hoher Stelle geglaubt
wurden. So redete z. B. Herr Glndstone in einer Weise, daß man annehmen
Mußte, das ägyptische Volk sei voll von unterdrückter Zuneigung zu seinem Chc-
dive und dessen englischen Gönnern und warte nur auf die Beseitigung Nrabis,
Um in die tiefste Friedensstimmung zurückzuversiukeu, sodaß es keiner Bewachung
wehr bedürfte. Hat der englische Premier das wirklich zu wissen gemeint, so
wird er jetzt enttäuscht sein. Niemand wird heute daran zweifeln, daß ein Sieg
^rudis ganz Ägypten in Aufstand versetzt und im gestimmten muhammedanischen
Oriente gefährliche Zuckungen hervorgerufen haben würde, und jeder Billig-
denkende und Vorsichtige muß zugeben, daß die Engländer noch für geraume Zeit
Kezwnngen sein werden, eine starke Militärmacht in Kairo, Alexandrien und den
^reen am Suezknnal zurückzulassen, wenn die Wiederherstellung der Ordnung von
Dauer sein und ihr Schützling Tewfik nicht abermals verjagt werden soll. Dem¬
zufolge wird denn auch etwa die Hälfte von Wolseleys Heer im Nilthale bis


GrcuzbllltUl IV. 1382. 14
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[0109] [Abbildung] Ägypten und die Allianzgerüchte. or der Schlacht bei Tel El Kabir ging in Damaskus dus Ge¬ rücht mu, Arabi habe den Herzog von Conuaught gefangen ge¬ nommen, und die Königin Viktoria sei dadurch genötigt worden, mit dem Ägypter auf folgende Bedingungen hin Frieden zu schließen: England zahlt alle Kriegskosten, dnrch die Staatsschuld Ägyptens wird, soweit die Gläubiger Franken sind, ein Strich gemacht, die britischen Truppen verlassen Ägypten ohne Verzug, vorher aber werden General Wolseley und Admiral Seymour hingerichtet, endlich giebt die Königin dem siegreichen Arabi ihre Tochter Beatrice zur Frau. Die Sache hat bekanntlich eine wesentlich andre Wendung genommen. Nun aber schwebten und schweben ans der Gegenseite allerlei Mißverständnisse und Erfindungen in der Luft, die zwar nicht so naiv wie jenes, aber immerhin noch Ziemlich komisch sind, zumut da einige davon an recht hoher Stelle geglaubt wurden. So redete z. B. Herr Glndstone in einer Weise, daß man annehmen Mußte, das ägyptische Volk sei voll von unterdrückter Zuneigung zu seinem Chc- dive und dessen englischen Gönnern und warte nur auf die Beseitigung Nrabis, Um in die tiefste Friedensstimmung zurückzuversiukeu, sodaß es keiner Bewachung wehr bedürfte. Hat der englische Premier das wirklich zu wissen gemeint, so wird er jetzt enttäuscht sein. Niemand wird heute daran zweifeln, daß ein Sieg ^rudis ganz Ägypten in Aufstand versetzt und im gestimmten muhammedanischen Oriente gefährliche Zuckungen hervorgerufen haben würde, und jeder Billig- denkende und Vorsichtige muß zugeben, daß die Engländer noch für geraume Zeit Kezwnngen sein werden, eine starke Militärmacht in Kairo, Alexandrien und den ^reen am Suezknnal zurückzulassen, wenn die Wiederherstellung der Ordnung von Dauer sein und ihr Schützling Tewfik nicht abermals verjagt werden soll. Dem¬ zufolge wird denn auch etwa die Hälfte von Wolseleys Heer im Nilthale bis GrcuzbllltUl IV. 1382. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/109>, abgerufen am 06.05.2024.