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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Reliefs von Gjölbaschi.

le Skulpturen von Gjölbaschi," "Schönbvrns Peribolos" werden
in nächster Zeit wohl ziemlich oft in der Öffentlichkeit genannt
werden, und schon jetzt wirft mancher mit diesen Bezeichnungen
um sich, als spräche er von allbekannten Dingen. Indessen
braucht sich dadurch niemand verblüffen oder beschämen zu lassen,
der mit den Name" keine Vorstellung zu verbinden weiß. Bis vor etwa einem
Jahre war die Zahl derer, welche die Namen kannten, noch äußerst gering.
Nicht einmal Schncinse, der doch das gedruckte Material der alten Kunstgeschichte
so gründlich durchgearbeitet hat, erwähnt sie, geschweige eins von den populäreren
Handbüchern. Einzig und allein Karl Ritter in seiner Erdkunde von Asien,
zweite Abteilung des nennten Bandes, berichtet nach dem ungedruckten Tage¬
buche des deutscheu Reisenden A. Schönborn, daß dieser in den Jahren 1841
und 1842 Gjölbaghtsche (so schreibt er den Ort) besucht habe. "Im Dezember
1841 kam er ans Pamphylien und Pisidien über Phineka nach Myra und rückte
unter einigen wichtigen Entdeckungen zu Lande über Syra, Gjölbaghtsche :c, bis
Xanthns vor, wo er Ende des Jahres ankam," heißt es an einer Stelle.
Später wird ausführlicher erzählt, daß er am 20. April des folgenden Jahres
abermals "dnrch die Wildnis" nach Gjölbaghtsche (d. i. Seegurken) vorgedrungen
sei. Außer lykischen Sarkophagen mit gewölbtem Deckel, Valkenköpfen und
kammartigen Erhöhungen, Tier- und Menschenköpfen in Relief, fand er den die
ganze Breite des obern Felsenrückens einnehmenden rechteckigen Peribolos mit
einer Ausdehnung von 30 zu 25 Schritt und dem Zugang von der Südseite.
Dieses Bauwerk erregte sein höchstes Interesse durch die in zwei, um der äußern
Südseite sogar in drei Reihen übereinander fortlaufenden Reliefs, "um deren
Schönheit er sich nicht satt sehen konnte"; trotz der Zerstörung machte das
Ganze einen so erhebenden Eindruck, wie er ihn auf der ganzen Reise nicht
wieder gehabt zu haben erklärt. Er sah in den Darstellungen die Landung der
Griechen an der troischen Küste und die Eroberung der Stadt. Und schließlich
sagt er: "Ich trage kein Bedenken es auszusprechen, daß diese Reliefs in ge¬
höriger Höhe aufgestellt jedem Museum zu einer wahren Zierde gereichen
würden, wie reich es auch sonst ausgestattet sein mag." Ein spekulativer Unter-
nehmer könne dabei noch einen bedeutenden Gewinn erzielen.

Leute der letztern Art lesen glücklicherweise keine Bücher wie Ritters Erd¬
kunde. Doch auch andrerseits blieben die Mitteilungen unbeachtet, und die Eng¬
länder, welche, wie Schönborn ebenfalls erwähnt, schon vor ihm an Ort und
Stelle gewesen waren und in bekannter Manier einzelne Steine herausgerissen


Die Reliefs von Gjölbaschi.

le Skulpturen von Gjölbaschi," „Schönbvrns Peribolos" werden
in nächster Zeit wohl ziemlich oft in der Öffentlichkeit genannt
werden, und schon jetzt wirft mancher mit diesen Bezeichnungen
um sich, als spräche er von allbekannten Dingen. Indessen
braucht sich dadurch niemand verblüffen oder beschämen zu lassen,
der mit den Name» keine Vorstellung zu verbinden weiß. Bis vor etwa einem
Jahre war die Zahl derer, welche die Namen kannten, noch äußerst gering.
Nicht einmal Schncinse, der doch das gedruckte Material der alten Kunstgeschichte
so gründlich durchgearbeitet hat, erwähnt sie, geschweige eins von den populäreren
Handbüchern. Einzig und allein Karl Ritter in seiner Erdkunde von Asien,
zweite Abteilung des nennten Bandes, berichtet nach dem ungedruckten Tage¬
buche des deutscheu Reisenden A. Schönborn, daß dieser in den Jahren 1841
und 1842 Gjölbaghtsche (so schreibt er den Ort) besucht habe. „Im Dezember
1841 kam er ans Pamphylien und Pisidien über Phineka nach Myra und rückte
unter einigen wichtigen Entdeckungen zu Lande über Syra, Gjölbaghtsche :c, bis
Xanthns vor, wo er Ende des Jahres ankam," heißt es an einer Stelle.
Später wird ausführlicher erzählt, daß er am 20. April des folgenden Jahres
abermals „dnrch die Wildnis" nach Gjölbaghtsche (d. i. Seegurken) vorgedrungen
sei. Außer lykischen Sarkophagen mit gewölbtem Deckel, Valkenköpfen und
kammartigen Erhöhungen, Tier- und Menschenköpfen in Relief, fand er den die
ganze Breite des obern Felsenrückens einnehmenden rechteckigen Peribolos mit
einer Ausdehnung von 30 zu 25 Schritt und dem Zugang von der Südseite.
Dieses Bauwerk erregte sein höchstes Interesse durch die in zwei, um der äußern
Südseite sogar in drei Reihen übereinander fortlaufenden Reliefs, „um deren
Schönheit er sich nicht satt sehen konnte"; trotz der Zerstörung machte das
Ganze einen so erhebenden Eindruck, wie er ihn auf der ganzen Reise nicht
wieder gehabt zu haben erklärt. Er sah in den Darstellungen die Landung der
Griechen an der troischen Küste und die Eroberung der Stadt. Und schließlich
sagt er: „Ich trage kein Bedenken es auszusprechen, daß diese Reliefs in ge¬
höriger Höhe aufgestellt jedem Museum zu einer wahren Zierde gereichen
würden, wie reich es auch sonst ausgestattet sein mag." Ein spekulativer Unter-
nehmer könne dabei noch einen bedeutenden Gewinn erzielen.

Leute der letztern Art lesen glücklicherweise keine Bücher wie Ritters Erd¬
kunde. Doch auch andrerseits blieben die Mitteilungen unbeachtet, und die Eng¬
länder, welche, wie Schönborn ebenfalls erwähnt, schon vor ihm an Ort und
Stelle gewesen waren und in bekannter Manier einzelne Steine herausgerissen


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[0456] Die Reliefs von Gjölbaschi. le Skulpturen von Gjölbaschi," „Schönbvrns Peribolos" werden in nächster Zeit wohl ziemlich oft in der Öffentlichkeit genannt werden, und schon jetzt wirft mancher mit diesen Bezeichnungen um sich, als spräche er von allbekannten Dingen. Indessen braucht sich dadurch niemand verblüffen oder beschämen zu lassen, der mit den Name» keine Vorstellung zu verbinden weiß. Bis vor etwa einem Jahre war die Zahl derer, welche die Namen kannten, noch äußerst gering. Nicht einmal Schncinse, der doch das gedruckte Material der alten Kunstgeschichte so gründlich durchgearbeitet hat, erwähnt sie, geschweige eins von den populäreren Handbüchern. Einzig und allein Karl Ritter in seiner Erdkunde von Asien, zweite Abteilung des nennten Bandes, berichtet nach dem ungedruckten Tage¬ buche des deutscheu Reisenden A. Schönborn, daß dieser in den Jahren 1841 und 1842 Gjölbaghtsche (so schreibt er den Ort) besucht habe. „Im Dezember 1841 kam er ans Pamphylien und Pisidien über Phineka nach Myra und rückte unter einigen wichtigen Entdeckungen zu Lande über Syra, Gjölbaghtsche :c, bis Xanthns vor, wo er Ende des Jahres ankam," heißt es an einer Stelle. Später wird ausführlicher erzählt, daß er am 20. April des folgenden Jahres abermals „dnrch die Wildnis" nach Gjölbaghtsche (d. i. Seegurken) vorgedrungen sei. Außer lykischen Sarkophagen mit gewölbtem Deckel, Valkenköpfen und kammartigen Erhöhungen, Tier- und Menschenköpfen in Relief, fand er den die ganze Breite des obern Felsenrückens einnehmenden rechteckigen Peribolos mit einer Ausdehnung von 30 zu 25 Schritt und dem Zugang von der Südseite. Dieses Bauwerk erregte sein höchstes Interesse durch die in zwei, um der äußern Südseite sogar in drei Reihen übereinander fortlaufenden Reliefs, „um deren Schönheit er sich nicht satt sehen konnte"; trotz der Zerstörung machte das Ganze einen so erhebenden Eindruck, wie er ihn auf der ganzen Reise nicht wieder gehabt zu haben erklärt. Er sah in den Darstellungen die Landung der Griechen an der troischen Küste und die Eroberung der Stadt. Und schließlich sagt er: „Ich trage kein Bedenken es auszusprechen, daß diese Reliefs in ge¬ höriger Höhe aufgestellt jedem Museum zu einer wahren Zierde gereichen würden, wie reich es auch sonst ausgestattet sein mag." Ein spekulativer Unter- nehmer könne dabei noch einen bedeutenden Gewinn erzielen. Leute der letztern Art lesen glücklicherweise keine Bücher wie Ritters Erd¬ kunde. Doch auch andrerseits blieben die Mitteilungen unbeachtet, und die Eng¬ länder, welche, wie Schönborn ebenfalls erwähnt, schon vor ihm an Ort und Stelle gewesen waren und in bekannter Manier einzelne Steine herausgerissen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/456>, abgerufen am 05.05.2024.