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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fremdwörterseuche.

leidet. Da kam sie mir vor wie die ärmste und häßlichste von allen. Dies ist
denn auch die Ansicht derjenigen Ausländer, die das Deutsche uur aus Zeitungen,
aus dem Handelsverkehr und ähnlichen Quellen kennen. Was sollen sie von
einer "deutschen" Sprache denken, deren drittes Wort sie in ihrem deutschen
Wörterlmche nicht finden ? Sie verspotten uus ohne Rücksicht und um so rück¬
sichtsloser, je öfter und lebhafter sie irgendwo und -wie die deutsche Sprache
haben rühmen und preisen hören. Von Engländern muß mau sich sagen lassen,
unsre Sprache sei kaum noch deutsch, von den Franzosen muß man hören, wie
sie spotten, daß wir um zwar ein deutsches Reich hätten, daß aber die arm¬
selige deutsche Sprache doch voll sei von französischen Wörtern, die sie nicht
entbehren könne, daß so die großartige Überlegenheit des französischen Volkes
glänzend zum Ausdruck käme. Den jungen deutschen Mädchen sogar werden
in den Erziehungsanstalten zu Genf und Lausanne von ihren ausländischen
Genossinnen die deutschen Zeitungen höhnisch uuter die Nase gehalten mit der
herausfordernden Frage, ob das die gerühmte deutsche Sprache sei? So weit
ist es gekommen. Selbst in den Schriften des Auslandes, namentlich in denen
der Franzosen, kommt dieser Hohn bereits zum Ausdruck, bald schärfer, bald
milder, je nach den Umstünden. Ich führe eines der mildesten Beispiele an,
eine Stelle ans einem Aufsatze von G. Valbert über den ersten Vaud der
"Politischen Korrespondenz Friedrichs des Großen" in der Revue des äeux
M0n<Z<Z8 (1879, März). Von dem Deutsch, das der König schrieb, sagt der
Verfasser: "Das ist eine Art von lustigem Sprachenmischmasch (makarouischem
Kauderwälsch -- M'Avr inÄvWwniqns), dessen Ausschreitungen das Zartgefühl
"ud deu Vaterlaudssiuu aller Sprachfreuude jenseit des Rheins (soll wohl
heißen des Wnsgcnwaldes) empören müssen. Man begegnet da fast in jeder
Zeile sehr bezeichnenden französischen Wörtern, abenteuerlich zurecht gestutzt
mit einer deutschen Endung, die sie noch bezeichnender macht, wie z. B. in-
Miotirsn, omdarrsKiron, sonxyonniren, inenaAirsn, oaMirvn, oontreoarrirvn,
all88imnliren, <Da8g.<zue torirniren, iMraxiron, kuriU8ir<zu, ^diiniren. Friedrich
empfahl seinem Stnatsminister, Heinrich von Podewils, "smicler Lruit zu ver¬
fahren und ne" Mrmgnten Noleck," zu machen n. s. w. Man darf also nicht um den
Briefwechsel des großen Friedrich die jungen Leute weisen, welche ihren Stil
reinigen und sich in der Sprache Lessings und Goethes ausbilden wollen."
Sehr richtig. Aber leider fällt es uns garnicht ein, unsern Stil reinigen zu
wollen, "ud die jungen Leute, welche ihre Sprache rein halten: wollen, finden
an uns kein Vorbild. Wir machen uns zwar selber hente über das Deutsch
Friedrichs des Großen weidlich lustig, und mit Recht, denn es ist, trotz seiner
klaren Satzbildung, eine Miisterleistung klassische" Kauderwälsches. Aber schreiben
wir denn, den heutigen Verhältnissen gegenüber, besser, reiner und schöner als
er? Nein, mancher ist heutzutage uoch toller in seinem ,M'Fon ruÄvgroniauk
als der königliche Schriftsteller mit dem langen Zopfe.

(Fortsetzung folgt.)


Die Fremdwörterseuche.

leidet. Da kam sie mir vor wie die ärmste und häßlichste von allen. Dies ist
denn auch die Ansicht derjenigen Ausländer, die das Deutsche uur aus Zeitungen,
aus dem Handelsverkehr und ähnlichen Quellen kennen. Was sollen sie von
einer „deutschen" Sprache denken, deren drittes Wort sie in ihrem deutschen
Wörterlmche nicht finden ? Sie verspotten uus ohne Rücksicht und um so rück¬
sichtsloser, je öfter und lebhafter sie irgendwo und -wie die deutsche Sprache
haben rühmen und preisen hören. Von Engländern muß mau sich sagen lassen,
unsre Sprache sei kaum noch deutsch, von den Franzosen muß man hören, wie
sie spotten, daß wir um zwar ein deutsches Reich hätten, daß aber die arm¬
selige deutsche Sprache doch voll sei von französischen Wörtern, die sie nicht
entbehren könne, daß so die großartige Überlegenheit des französischen Volkes
glänzend zum Ausdruck käme. Den jungen deutschen Mädchen sogar werden
in den Erziehungsanstalten zu Genf und Lausanne von ihren ausländischen
Genossinnen die deutschen Zeitungen höhnisch uuter die Nase gehalten mit der
herausfordernden Frage, ob das die gerühmte deutsche Sprache sei? So weit
ist es gekommen. Selbst in den Schriften des Auslandes, namentlich in denen
der Franzosen, kommt dieser Hohn bereits zum Ausdruck, bald schärfer, bald
milder, je nach den Umstünden. Ich führe eines der mildesten Beispiele an,
eine Stelle ans einem Aufsatze von G. Valbert über den ersten Vaud der
„Politischen Korrespondenz Friedrichs des Großen" in der Revue des äeux
M0n<Z<Z8 (1879, März). Von dem Deutsch, das der König schrieb, sagt der
Verfasser: „Das ist eine Art von lustigem Sprachenmischmasch (makarouischem
Kauderwälsch — M'Avr inÄvWwniqns), dessen Ausschreitungen das Zartgefühl
»ud deu Vaterlaudssiuu aller Sprachfreuude jenseit des Rheins (soll wohl
heißen des Wnsgcnwaldes) empören müssen. Man begegnet da fast in jeder
Zeile sehr bezeichnenden französischen Wörtern, abenteuerlich zurecht gestutzt
mit einer deutschen Endung, die sie noch bezeichnender macht, wie z. B. in-
Miotirsn, omdarrsKiron, sonxyonniren, inenaAirsn, oaMirvn, oontreoarrirvn,
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empfahl seinem Stnatsminister, Heinrich von Podewils, »smicler Lruit zu ver¬
fahren und ne» Mrmgnten Noleck,« zu machen n. s. w. Man darf also nicht um den
Briefwechsel des großen Friedrich die jungen Leute weisen, welche ihren Stil
reinigen und sich in der Sprache Lessings und Goethes ausbilden wollen."
Sehr richtig. Aber leider fällt es uns garnicht ein, unsern Stil reinigen zu
wollen, »ud die jungen Leute, welche ihre Sprache rein halten: wollen, finden
an uns kein Vorbild. Wir machen uns zwar selber hente über das Deutsch
Friedrichs des Großen weidlich lustig, und mit Recht, denn es ist, trotz seiner
klaren Satzbildung, eine Miisterleistung klassische« Kauderwälsches. Aber schreiben
wir denn, den heutigen Verhältnissen gegenüber, besser, reiner und schöner als
er? Nein, mancher ist heutzutage uoch toller in seinem ,M'Fon ruÄvgroniauk
als der königliche Schriftsteller mit dem langen Zopfe.

(Fortsetzung folgt.)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/455>, abgerufen am 18.05.2024.