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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Aus der Baugeschichte Leipzigs.

Unser großer und edler Dichter hat das inhaltmächtige Wort gesprochen:
"nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre."
Nun wohl, zur Ehre einer Nation gehört mich die würdige, zum mindesten die
anständige Behandlung ihrer Sprache. Mag die deutsche Nation zusehen, wie
sie vor dem Urteile der fremden Volker und vor dem Gerichte der Weltgeschichte
besteht. Mögen die Regierenden erkennen, welche Macht ihnen gegeben, der Nation
zu helfen, und mögen sie sich beeilen, ihre Pflicht zu thun. Ich habe mein Ge¬
wissen gewahrt und wasche meine Hände.




Aus der Vaugeschichte Leipzigs.
von G. ZVustinaun.

cum ein Fremder, der die Geschichte Leipzigs nicht näher kennt,
zufüllig einen Blick thäte in einen Band des Leipziger Adre߬
buches ans dem vorigen Jahrhundert -- und etwas ähnliches
wie ein Adreßbuch giebt es in Leipzig schon seit 1701: das "Jtzt
florirende Leipzig" --, so würde er höchlichst erstaunen über die
große Zahl von Baumeistern, welche die Stadt damals gehabt hat. Was mögen
diese Leute alle zu bauen gehabt haben? würde er fragen. Und wie kommt
es, daß die allgemeine Kunstgeschichte von keinem einzigen von ihnen Notiz ge¬
nommen hat? -- Sie hatten eben nichts zu bauen, sondern führten den Namen
Baumeister nur als einen schönen Titel. Die Ehrenstellen, zu denen ein Leipziger
Bürger früher im Regimente der Stadt aufsteigen konnte, waren die eines Rats¬
verwandten, eines Vanmeistcrs und eines Bürgermeisters : so nämlich hatte man
römische Titel Lkimtm-, -uzäili" lind von8ni übersetzt. Das Natskolleginm bestand
seit 1506 aus dreißig Mitgliedern in drei Abteilungen, und zu jeder Abteilung
gehörten zwei Baumeister und ein Bürgermeister. Die Baumeister hatten aller¬
dings die Aufsicht zu führen über die öffentlichen Gebände der Stadt und
deren Benutzung und Verwertung, leiteten anch die Neubauten, welche die Stadt
ausführen ließ; aber an architektonische Aufgaben war dabei nicht zu denken.
Der wirkliche Stndtbanmeister war im 17. und noch im 13. Jahrhundert der
Obervvgt, dem der Ratsmänrer und der Ratszimmermann zur Seite standen.
Über jene Titnlarbanmeister aber bemerkt die in Form eines Wörterbuchs ver¬
faßte Spottschrift "Leipzig in: Profil" (1799) trocken: "Baumeister. Eine obrig¬
keitliche Person. Von Bankunst oder Bauwesen ist die Rede gar nicht."

In der That bietet die ältere Baugeschichte Leipzigs, wenn man sich nicht
auf den engen ortsgeschichtlichen, sondern ans einen weiterei? kunstgeschichtlichen


Aus der Baugeschichte Leipzigs.

Unser großer und edler Dichter hat das inhaltmächtige Wort gesprochen:
„nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre."
Nun wohl, zur Ehre einer Nation gehört mich die würdige, zum mindesten die
anständige Behandlung ihrer Sprache. Mag die deutsche Nation zusehen, wie
sie vor dem Urteile der fremden Volker und vor dem Gerichte der Weltgeschichte
besteht. Mögen die Regierenden erkennen, welche Macht ihnen gegeben, der Nation
zu helfen, und mögen sie sich beeilen, ihre Pflicht zu thun. Ich habe mein Ge¬
wissen gewahrt und wasche meine Hände.




Aus der Vaugeschichte Leipzigs.
von G. ZVustinaun.

cum ein Fremder, der die Geschichte Leipzigs nicht näher kennt,
zufüllig einen Blick thäte in einen Band des Leipziger Adre߬
buches ans dem vorigen Jahrhundert — und etwas ähnliches
wie ein Adreßbuch giebt es in Leipzig schon seit 1701: das „Jtzt
florirende Leipzig" —, so würde er höchlichst erstaunen über die
große Zahl von Baumeistern, welche die Stadt damals gehabt hat. Was mögen
diese Leute alle zu bauen gehabt haben? würde er fragen. Und wie kommt
es, daß die allgemeine Kunstgeschichte von keinem einzigen von ihnen Notiz ge¬
nommen hat? — Sie hatten eben nichts zu bauen, sondern führten den Namen
Baumeister nur als einen schönen Titel. Die Ehrenstellen, zu denen ein Leipziger
Bürger früher im Regimente der Stadt aufsteigen konnte, waren die eines Rats¬
verwandten, eines Vanmeistcrs und eines Bürgermeisters : so nämlich hatte man
römische Titel Lkimtm-, -uzäili« lind von8ni übersetzt. Das Natskolleginm bestand
seit 1506 aus dreißig Mitgliedern in drei Abteilungen, und zu jeder Abteilung
gehörten zwei Baumeister und ein Bürgermeister. Die Baumeister hatten aller¬
dings die Aufsicht zu führen über die öffentlichen Gebände der Stadt und
deren Benutzung und Verwertung, leiteten anch die Neubauten, welche die Stadt
ausführen ließ; aber an architektonische Aufgaben war dabei nicht zu denken.
Der wirkliche Stndtbanmeister war im 17. und noch im 13. Jahrhundert der
Obervvgt, dem der Ratsmänrer und der Ratszimmermann zur Seite standen.
Über jene Titnlarbanmeister aber bemerkt die in Form eines Wörterbuchs ver¬
faßte Spottschrift „Leipzig in: Profil" (1799) trocken: „Baumeister. Eine obrig¬
keitliche Person. Von Bankunst oder Bauwesen ist die Rede gar nicht."

In der That bietet die ältere Baugeschichte Leipzigs, wenn man sich nicht
auf den engen ortsgeschichtlichen, sondern ans einen weiterei? kunstgeschichtlichen


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[0544] Aus der Baugeschichte Leipzigs. Unser großer und edler Dichter hat das inhaltmächtige Wort gesprochen: „nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre." Nun wohl, zur Ehre einer Nation gehört mich die würdige, zum mindesten die anständige Behandlung ihrer Sprache. Mag die deutsche Nation zusehen, wie sie vor dem Urteile der fremden Volker und vor dem Gerichte der Weltgeschichte besteht. Mögen die Regierenden erkennen, welche Macht ihnen gegeben, der Nation zu helfen, und mögen sie sich beeilen, ihre Pflicht zu thun. Ich habe mein Ge¬ wissen gewahrt und wasche meine Hände. Aus der Vaugeschichte Leipzigs. von G. ZVustinaun. cum ein Fremder, der die Geschichte Leipzigs nicht näher kennt, zufüllig einen Blick thäte in einen Band des Leipziger Adre߬ buches ans dem vorigen Jahrhundert — und etwas ähnliches wie ein Adreßbuch giebt es in Leipzig schon seit 1701: das „Jtzt florirende Leipzig" —, so würde er höchlichst erstaunen über die große Zahl von Baumeistern, welche die Stadt damals gehabt hat. Was mögen diese Leute alle zu bauen gehabt haben? würde er fragen. Und wie kommt es, daß die allgemeine Kunstgeschichte von keinem einzigen von ihnen Notiz ge¬ nommen hat? — Sie hatten eben nichts zu bauen, sondern führten den Namen Baumeister nur als einen schönen Titel. Die Ehrenstellen, zu denen ein Leipziger Bürger früher im Regimente der Stadt aufsteigen konnte, waren die eines Rats¬ verwandten, eines Vanmeistcrs und eines Bürgermeisters : so nämlich hatte man römische Titel Lkimtm-, -uzäili« lind von8ni übersetzt. Das Natskolleginm bestand seit 1506 aus dreißig Mitgliedern in drei Abteilungen, und zu jeder Abteilung gehörten zwei Baumeister und ein Bürgermeister. Die Baumeister hatten aller¬ dings die Aufsicht zu führen über die öffentlichen Gebände der Stadt und deren Benutzung und Verwertung, leiteten anch die Neubauten, welche die Stadt ausführen ließ; aber an architektonische Aufgaben war dabei nicht zu denken. Der wirkliche Stndtbanmeister war im 17. und noch im 13. Jahrhundert der Obervvgt, dem der Ratsmänrer und der Ratszimmermann zur Seite standen. Über jene Titnlarbanmeister aber bemerkt die in Form eines Wörterbuchs ver¬ faßte Spottschrift „Leipzig in: Profil" (1799) trocken: „Baumeister. Eine obrig¬ keitliche Person. Von Bankunst oder Bauwesen ist die Rede gar nicht." In der That bietet die ältere Baugeschichte Leipzigs, wenn man sich nicht auf den engen ortsgeschichtlichen, sondern ans einen weiterei? kunstgeschichtlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/544>, abgerufen am 06.05.2024.