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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Aus der Laugeschichte Leipzigs.

Standpunkt stellen will, nur ein mäßiges Interesse, Leipzig steht zwar aus¬
wärts in dem Rufe, jederzeit eine außerordentlich reiche Stadt gewesen zu sein.
Der unermüdliche Wohlthätigleitssiun und die stets bereite Gastfreundschaft seiner
Bürger haben ihm diesen Ruf eingetragen. Doch ist derselbe sehr oren g'riruo
"Ms zu nehmen. Es hat schon im 16. und dann wieder im 18. Jahrhundert
namentlich im Hnndelsstande Leipzigs uicht an reichen und dabei kunstsinnigen
Männern gefehlt, ein die uns noch hente mancher stattliche Privatbau des alten
Leipzigs erinnert. Die Stadt als solche aber, fort und fort heimgesucht von
Kriegsdrangsalen -- im 15. Jahrhundert in den Fehden der Wettiner, im 16.
im schmnlkaldischen Kriege, im 17. im dreißigjährigen Kriege, im 18. in den
Kriegen Friedrichs des Großen, im 19. in den Befreiungskriegen --, hat jederzeit
Ursache gehabt mit ihren Mitteln möglichst haushälterisch umzugehen, und alle
ihre älteren öffentlichen Bauten spiegeln diese Lage deutlich wieder. Zu jenem
edeln Luxus, der im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts selbst in zahlreichen
kleineren deutschen Städten so herrliche Denkmäler bürgerlichen Gemeinsinns
geschaffen, hat sich Leipzig, da es immer nur das Notwendige und Zweckmäßige
ins Auge fassen durfte, nie versteigen können.

Und doch -- wer hätte nicht das "alte Leipzig" lieb, wenn er jemals mit
offenen Augen und kundigen Blicken dnrch seine Straßen, Gassen und Höfe ge¬
wandert? Nicht ohne Wehmut sieht der Freund der alten Zeit eines nach dem
andern von den Denkmälern früherer Jahrhunderte verschwinden und neuen
Schöpfungen Platz machen. Wie weniges verhältnismäßig ist ans dem 16. Jahr¬
hundert noch übrig! Wie vieles, das erst das 18. geschaffen, ist allein im Lnnfe
der letzten Monate zerstört worden! Und das schmerzlichste steht noch bevor:
anch die Tage des ehrwürdigen Rathauses, der schmucken Börse sind gezählt;
einem großartigen Rathnusueubau soll binnen wenigen Jahren ein ganzes Hünser-
viereck der innern, alten Stadt zum Opfer fallen.

Die folgenden Seiten enthalten einen kurzen Überblick über die ältere Bau-
geschichte Leipzigs, der sicher manchem Leser dieser Blätter willkommen sein wird.
Lockt doch die alte Universitäts-, Meß- und Buchhandelsstadt alljährlich tausende
uns allen Teilen Deutschlands in ihre Mauern, und wenn man freilich von
Bauwerken eigentlich uicht reden und schreiben sollte ohne Abbildungen, so ist
in diesem Falle doch wohl darauf zu rechnen, daß den meisten die Erinnerung
an einst gesehenes ein wenig zu Hilfe komme.

Leipzig ist, wie bekannt, slavischen Ursprungs, die Stadt wie ihr Name.
Das slavische Lipzk soll am Nordwestrande der heutigen Stadt, nahe beim Zu-
sammenflusse der Parese und der Pleiße, gelegen haben. Dort wurde auch im
10. Jahrhundert, als die Deutschen kvlonisirend vordrangen und die Slaven
von ihnen verdrängt oder unterworfen wurden, zum Schutze gegen slavische
Überfälle, vielleicht durch König Heinrich selbst, eine Befestigung augelegt, deren
bewaffnete Insassen nicht zur Stadtgemeinde zählten. Noch heute wird im


Aus der Laugeschichte Leipzigs.

Standpunkt stellen will, nur ein mäßiges Interesse, Leipzig steht zwar aus¬
wärts in dem Rufe, jederzeit eine außerordentlich reiche Stadt gewesen zu sein.
Der unermüdliche Wohlthätigleitssiun und die stets bereite Gastfreundschaft seiner
Bürger haben ihm diesen Ruf eingetragen. Doch ist derselbe sehr oren g'riruo
«Ms zu nehmen. Es hat schon im 16. und dann wieder im 18. Jahrhundert
namentlich im Hnndelsstande Leipzigs uicht an reichen und dabei kunstsinnigen
Männern gefehlt, ein die uns noch hente mancher stattliche Privatbau des alten
Leipzigs erinnert. Die Stadt als solche aber, fort und fort heimgesucht von
Kriegsdrangsalen — im 15. Jahrhundert in den Fehden der Wettiner, im 16.
im schmnlkaldischen Kriege, im 17. im dreißigjährigen Kriege, im 18. in den
Kriegen Friedrichs des Großen, im 19. in den Befreiungskriegen —, hat jederzeit
Ursache gehabt mit ihren Mitteln möglichst haushälterisch umzugehen, und alle
ihre älteren öffentlichen Bauten spiegeln diese Lage deutlich wieder. Zu jenem
edeln Luxus, der im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts selbst in zahlreichen
kleineren deutschen Städten so herrliche Denkmäler bürgerlichen Gemeinsinns
geschaffen, hat sich Leipzig, da es immer nur das Notwendige und Zweckmäßige
ins Auge fassen durfte, nie versteigen können.

Und doch — wer hätte nicht das „alte Leipzig" lieb, wenn er jemals mit
offenen Augen und kundigen Blicken dnrch seine Straßen, Gassen und Höfe ge¬
wandert? Nicht ohne Wehmut sieht der Freund der alten Zeit eines nach dem
andern von den Denkmälern früherer Jahrhunderte verschwinden und neuen
Schöpfungen Platz machen. Wie weniges verhältnismäßig ist ans dem 16. Jahr¬
hundert noch übrig! Wie vieles, das erst das 18. geschaffen, ist allein im Lnnfe
der letzten Monate zerstört worden! Und das schmerzlichste steht noch bevor:
anch die Tage des ehrwürdigen Rathauses, der schmucken Börse sind gezählt;
einem großartigen Rathnusueubau soll binnen wenigen Jahren ein ganzes Hünser-
viereck der innern, alten Stadt zum Opfer fallen.

Die folgenden Seiten enthalten einen kurzen Überblick über die ältere Bau-
geschichte Leipzigs, der sicher manchem Leser dieser Blätter willkommen sein wird.
Lockt doch die alte Universitäts-, Meß- und Buchhandelsstadt alljährlich tausende
uns allen Teilen Deutschlands in ihre Mauern, und wenn man freilich von
Bauwerken eigentlich uicht reden und schreiben sollte ohne Abbildungen, so ist
in diesem Falle doch wohl darauf zu rechnen, daß den meisten die Erinnerung
an einst gesehenes ein wenig zu Hilfe komme.

Leipzig ist, wie bekannt, slavischen Ursprungs, die Stadt wie ihr Name.
Das slavische Lipzk soll am Nordwestrande der heutigen Stadt, nahe beim Zu-
sammenflusse der Parese und der Pleiße, gelegen haben. Dort wurde auch im
10. Jahrhundert, als die Deutschen kvlonisirend vordrangen und die Slaven
von ihnen verdrängt oder unterworfen wurden, zum Schutze gegen slavische
Überfälle, vielleicht durch König Heinrich selbst, eine Befestigung augelegt, deren
bewaffnete Insassen nicht zur Stadtgemeinde zählten. Noch heute wird im


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[0545] Aus der Laugeschichte Leipzigs. Standpunkt stellen will, nur ein mäßiges Interesse, Leipzig steht zwar aus¬ wärts in dem Rufe, jederzeit eine außerordentlich reiche Stadt gewesen zu sein. Der unermüdliche Wohlthätigleitssiun und die stets bereite Gastfreundschaft seiner Bürger haben ihm diesen Ruf eingetragen. Doch ist derselbe sehr oren g'riruo «Ms zu nehmen. Es hat schon im 16. und dann wieder im 18. Jahrhundert namentlich im Hnndelsstande Leipzigs uicht an reichen und dabei kunstsinnigen Männern gefehlt, ein die uns noch hente mancher stattliche Privatbau des alten Leipzigs erinnert. Die Stadt als solche aber, fort und fort heimgesucht von Kriegsdrangsalen — im 15. Jahrhundert in den Fehden der Wettiner, im 16. im schmnlkaldischen Kriege, im 17. im dreißigjährigen Kriege, im 18. in den Kriegen Friedrichs des Großen, im 19. in den Befreiungskriegen —, hat jederzeit Ursache gehabt mit ihren Mitteln möglichst haushälterisch umzugehen, und alle ihre älteren öffentlichen Bauten spiegeln diese Lage deutlich wieder. Zu jenem edeln Luxus, der im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts selbst in zahlreichen kleineren deutschen Städten so herrliche Denkmäler bürgerlichen Gemeinsinns geschaffen, hat sich Leipzig, da es immer nur das Notwendige und Zweckmäßige ins Auge fassen durfte, nie versteigen können. Und doch — wer hätte nicht das „alte Leipzig" lieb, wenn er jemals mit offenen Augen und kundigen Blicken dnrch seine Straßen, Gassen und Höfe ge¬ wandert? Nicht ohne Wehmut sieht der Freund der alten Zeit eines nach dem andern von den Denkmälern früherer Jahrhunderte verschwinden und neuen Schöpfungen Platz machen. Wie weniges verhältnismäßig ist ans dem 16. Jahr¬ hundert noch übrig! Wie vieles, das erst das 18. geschaffen, ist allein im Lnnfe der letzten Monate zerstört worden! Und das schmerzlichste steht noch bevor: anch die Tage des ehrwürdigen Rathauses, der schmucken Börse sind gezählt; einem großartigen Rathnusueubau soll binnen wenigen Jahren ein ganzes Hünser- viereck der innern, alten Stadt zum Opfer fallen. Die folgenden Seiten enthalten einen kurzen Überblick über die ältere Bau- geschichte Leipzigs, der sicher manchem Leser dieser Blätter willkommen sein wird. Lockt doch die alte Universitäts-, Meß- und Buchhandelsstadt alljährlich tausende uns allen Teilen Deutschlands in ihre Mauern, und wenn man freilich von Bauwerken eigentlich uicht reden und schreiben sollte ohne Abbildungen, so ist in diesem Falle doch wohl darauf zu rechnen, daß den meisten die Erinnerung an einst gesehenes ein wenig zu Hilfe komme. Leipzig ist, wie bekannt, slavischen Ursprungs, die Stadt wie ihr Name. Das slavische Lipzk soll am Nordwestrande der heutigen Stadt, nahe beim Zu- sammenflusse der Parese und der Pleiße, gelegen haben. Dort wurde auch im 10. Jahrhundert, als die Deutschen kvlonisirend vordrangen und die Slaven von ihnen verdrängt oder unterworfen wurden, zum Schutze gegen slavische Überfälle, vielleicht durch König Heinrich selbst, eine Befestigung augelegt, deren bewaffnete Insassen nicht zur Stadtgemeinde zählten. Noch heute wird im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/545>, abgerufen am 27.05.2024.