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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Joseph von sonnenfels.

el den: Aufschwünge, den der deutsche Geist seit dein Anfange des
vorigen Jahrhunderts genommen hat. ist die Besserung der
Theaterverhältnisse eine stets behandelte Frage gewesen. Auch
in dein Zeitalter, welches der Hnnptthütigkeit Goethes und Schillers
vorausging, können wir zugleich mit dein Beginn einer frischeren
Poesie das Bestreben, die Bühne zu reformiren, Platz greifen sehen. Man denkt
hier zunächst an Lessing und die Hamburgische Dramaturgie. Doch darf, unbe¬
schadet der Wichtigkeit, welche die "Literaturbriefc," das Hamburger Projekt
und alle sonstigen hauptsächlich von Lessing vertretenen Unternehmungen gehabt
haben, eine andre Erscheinung nicht vergessen werden, die ein Seitenstück zu
jeuer, vorwiegend in Norddeutschlnud entfalteten Thätigkeit bildet: in die sech¬
ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts füllt die durchgreifende Hebung des Wiener
Theaterwesens durch Joseph von Sonnenfels.

Sonnenfels gehört zu den einflußreichsten und glücklichsten Aufklärern seiner
Zeit und seines Volkes. Sein Kampf gegen die zahlreichen Verkehrtheiten und
Übelstände der damaligen Bühne hatte zur Folge, daß die theatralischen Aus-
führungen in Wien sich von Grund aus umgestalteten, und daß eine Richtung zum
Bessern eingeschlagen wurde, die hinfort keine erhebliche Störung mehr erfuhr.
Es wurde ein Boden für das nationale Drama geschaffen. Aber nicht nur
der Dramaturg, der Hauptförderer des Wiener Theaters, ist an Sonnenfels
von Bedeutung. Der vielseitige Mann wirkte auch nicht wenig erfolgreich als
akademischer Lehrer, als Staatsbeamter, als moralischer Schriftsteller; kurz, er
stellte sich bewußt und entschieden in den Dienst des allgemeinen Fortschrittes.

Die Zahl derer, denen man solches nachrühmen kann, war damals ver¬
hältnismäßig groß. Das schöpferische Genie arbeitete weniger einsam als heut¬
zutage und fand leicht bei Leuten Anklang, welche, ohne eben große Geister zu
sein, doch für die Vervollkommnung der Gesannntanschauung eingenommen waren
und die bedeutenden Ideen der Zeit aufnähme!?, interpretirten und weiterbildeten.
Lohnt es der Mühe, von diesem Kreise der Genossen und Mitarbeiter an den
großen modernen Bewegungen Notiz zu nehmen, so dürfen dabei anch die Ver¬
dienste Sonnenfelsens nicht übersehen werden. Ein zusammenfassendes Bild von
seiner Thätigkeit lag bis jetzt nicht vor. Diese Lücke in den Darstellungen aus
jener Zeit ist nunmehr ausgefüllt durch eine Schrift von Wilibald Müller,
welche, aus die Anregung der Brauinüllerschen Verlagsbuchhandlung in Wien
entstanden, das Leben und Schaffen des hervorragenden Mannes, des geistigen


Joseph von sonnenfels.

el den: Aufschwünge, den der deutsche Geist seit dein Anfange des
vorigen Jahrhunderts genommen hat. ist die Besserung der
Theaterverhältnisse eine stets behandelte Frage gewesen. Auch
in dein Zeitalter, welches der Hnnptthütigkeit Goethes und Schillers
vorausging, können wir zugleich mit dein Beginn einer frischeren
Poesie das Bestreben, die Bühne zu reformiren, Platz greifen sehen. Man denkt
hier zunächst an Lessing und die Hamburgische Dramaturgie. Doch darf, unbe¬
schadet der Wichtigkeit, welche die „Literaturbriefc," das Hamburger Projekt
und alle sonstigen hauptsächlich von Lessing vertretenen Unternehmungen gehabt
haben, eine andre Erscheinung nicht vergessen werden, die ein Seitenstück zu
jeuer, vorwiegend in Norddeutschlnud entfalteten Thätigkeit bildet: in die sech¬
ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts füllt die durchgreifende Hebung des Wiener
Theaterwesens durch Joseph von Sonnenfels.

Sonnenfels gehört zu den einflußreichsten und glücklichsten Aufklärern seiner
Zeit und seines Volkes. Sein Kampf gegen die zahlreichen Verkehrtheiten und
Übelstände der damaligen Bühne hatte zur Folge, daß die theatralischen Aus-
führungen in Wien sich von Grund aus umgestalteten, und daß eine Richtung zum
Bessern eingeschlagen wurde, die hinfort keine erhebliche Störung mehr erfuhr.
Es wurde ein Boden für das nationale Drama geschaffen. Aber nicht nur
der Dramaturg, der Hauptförderer des Wiener Theaters, ist an Sonnenfels
von Bedeutung. Der vielseitige Mann wirkte auch nicht wenig erfolgreich als
akademischer Lehrer, als Staatsbeamter, als moralischer Schriftsteller; kurz, er
stellte sich bewußt und entschieden in den Dienst des allgemeinen Fortschrittes.

Die Zahl derer, denen man solches nachrühmen kann, war damals ver¬
hältnismäßig groß. Das schöpferische Genie arbeitete weniger einsam als heut¬
zutage und fand leicht bei Leuten Anklang, welche, ohne eben große Geister zu
sein, doch für die Vervollkommnung der Gesannntanschauung eingenommen waren
und die bedeutenden Ideen der Zeit aufnähme!?, interpretirten und weiterbildeten.
Lohnt es der Mühe, von diesem Kreise der Genossen und Mitarbeiter an den
großen modernen Bewegungen Notiz zu nehmen, so dürfen dabei anch die Ver¬
dienste Sonnenfelsens nicht übersehen werden. Ein zusammenfassendes Bild von
seiner Thätigkeit lag bis jetzt nicht vor. Diese Lücke in den Darstellungen aus
jener Zeit ist nunmehr ausgefüllt durch eine Schrift von Wilibald Müller,
welche, aus die Anregung der Brauinüllerschen Verlagsbuchhandlung in Wien
entstanden, das Leben und Schaffen des hervorragenden Mannes, des geistigen


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[0652] Joseph von sonnenfels. el den: Aufschwünge, den der deutsche Geist seit dein Anfange des vorigen Jahrhunderts genommen hat. ist die Besserung der Theaterverhältnisse eine stets behandelte Frage gewesen. Auch in dein Zeitalter, welches der Hnnptthütigkeit Goethes und Schillers vorausging, können wir zugleich mit dein Beginn einer frischeren Poesie das Bestreben, die Bühne zu reformiren, Platz greifen sehen. Man denkt hier zunächst an Lessing und die Hamburgische Dramaturgie. Doch darf, unbe¬ schadet der Wichtigkeit, welche die „Literaturbriefc," das Hamburger Projekt und alle sonstigen hauptsächlich von Lessing vertretenen Unternehmungen gehabt haben, eine andre Erscheinung nicht vergessen werden, die ein Seitenstück zu jeuer, vorwiegend in Norddeutschlnud entfalteten Thätigkeit bildet: in die sech¬ ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts füllt die durchgreifende Hebung des Wiener Theaterwesens durch Joseph von Sonnenfels. Sonnenfels gehört zu den einflußreichsten und glücklichsten Aufklärern seiner Zeit und seines Volkes. Sein Kampf gegen die zahlreichen Verkehrtheiten und Übelstände der damaligen Bühne hatte zur Folge, daß die theatralischen Aus- führungen in Wien sich von Grund aus umgestalteten, und daß eine Richtung zum Bessern eingeschlagen wurde, die hinfort keine erhebliche Störung mehr erfuhr. Es wurde ein Boden für das nationale Drama geschaffen. Aber nicht nur der Dramaturg, der Hauptförderer des Wiener Theaters, ist an Sonnenfels von Bedeutung. Der vielseitige Mann wirkte auch nicht wenig erfolgreich als akademischer Lehrer, als Staatsbeamter, als moralischer Schriftsteller; kurz, er stellte sich bewußt und entschieden in den Dienst des allgemeinen Fortschrittes. Die Zahl derer, denen man solches nachrühmen kann, war damals ver¬ hältnismäßig groß. Das schöpferische Genie arbeitete weniger einsam als heut¬ zutage und fand leicht bei Leuten Anklang, welche, ohne eben große Geister zu sein, doch für die Vervollkommnung der Gesannntanschauung eingenommen waren und die bedeutenden Ideen der Zeit aufnähme!?, interpretirten und weiterbildeten. Lohnt es der Mühe, von diesem Kreise der Genossen und Mitarbeiter an den großen modernen Bewegungen Notiz zu nehmen, so dürfen dabei anch die Ver¬ dienste Sonnenfelsens nicht übersehen werden. Ein zusammenfassendes Bild von seiner Thätigkeit lag bis jetzt nicht vor. Diese Lücke in den Darstellungen aus jener Zeit ist nunmehr ausgefüllt durch eine Schrift von Wilibald Müller, welche, aus die Anregung der Brauinüllerschen Verlagsbuchhandlung in Wien entstanden, das Leben und Schaffen des hervorragenden Mannes, des geistigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/652>, abgerufen am 06.05.2024.