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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Reform des englischen Parlaments.
von Wilhelm Hasbach.

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^eit einiger Zeit wird der Ruf nach Parlamcntsreform, der in
den letzten fünfzig, ja hundert Jahren in England niemals ganz
verstummt ist, wieder kräftiger und deutlicher. Wenn es einer
Vergleichung erlaubt ist, zu hinken, so möchten wir ihn mit einer
^ Fuge vergleichen; denn er besteht in der That aus einer Weise,
die, mit Auslassung oder Hinzufügung einiger Takte, leicht verändert oder in
andre Tonarten hinübergeführt, doch im wesentlichen sich gleichbleibt und von
den verschiednen Parteien nacheinander aufgenommen wird. Zuletzt setzte Glad-
stone mit zwei Reden in den Chorus ein. Am 16. August, am Tage seines
Triumphs über das Oberhaus, am Abende nach der ereignisvvllen Nacht, in
welcher er die letzte Hand an sein Reformwerk gelegt hatte, wies der Premier
zum zweitenmale auf das Programm hin, welches er in das eine Wort "Par-
lamentsreform" zusammenfaßte. Trotz dieser Allgemeinheit zündete das Wort;
keine Zuhörer wußten, welche Mannichfaltigkeit gesetzgeberischer Aufgaben in ihm
^thätten sind: die Regelung der Eidesfrage, welche durch Bradlaugh stets in
^uß gehalten wird, die Fortführung der Reform der Geschäftsordnung, die
^usdehnnng des Stimmrechts, die Neubegrcnzung der Wahlkreise, eine andre
Erteilung der Parlamcntssitze, Beschränkung der Wahlkostcn und eine Umbil-
ung der Selbstverwaltung. Vor die Seele phantasicvoller und für große po-
Msche Ziele und Gedanken empfänglicher Engländer führte es berauschende Bilder
^' hohen Politik: die Schaffung von Landtagen in den drei Königreichen, die
Umwandlung des brittischen Reiches in einen Bundesstaat mit einer Vertretung
tur gemeinsame Angelegenheiten in einem Reichstage, und als Krönung des Gc-


Grenzbotcn I. 1382. 20


Die Reform des englischen Parlaments.
von Wilhelm Hasbach.

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^eit einiger Zeit wird der Ruf nach Parlamcntsreform, der in
den letzten fünfzig, ja hundert Jahren in England niemals ganz
verstummt ist, wieder kräftiger und deutlicher. Wenn es einer
Vergleichung erlaubt ist, zu hinken, so möchten wir ihn mit einer
^ Fuge vergleichen; denn er besteht in der That aus einer Weise,
die, mit Auslassung oder Hinzufügung einiger Takte, leicht verändert oder in
andre Tonarten hinübergeführt, doch im wesentlichen sich gleichbleibt und von
den verschiednen Parteien nacheinander aufgenommen wird. Zuletzt setzte Glad-
stone mit zwei Reden in den Chorus ein. Am 16. August, am Tage seines
Triumphs über das Oberhaus, am Abende nach der ereignisvvllen Nacht, in
welcher er die letzte Hand an sein Reformwerk gelegt hatte, wies der Premier
zum zweitenmale auf das Programm hin, welches er in das eine Wort „Par-
lamentsreform" zusammenfaßte. Trotz dieser Allgemeinheit zündete das Wort;
keine Zuhörer wußten, welche Mannichfaltigkeit gesetzgeberischer Aufgaben in ihm
^thätten sind: die Regelung der Eidesfrage, welche durch Bradlaugh stets in
^uß gehalten wird, die Fortführung der Reform der Geschäftsordnung, die
^usdehnnng des Stimmrechts, die Neubegrcnzung der Wahlkreise, eine andre
Erteilung der Parlamcntssitze, Beschränkung der Wahlkostcn und eine Umbil-
ung der Selbstverwaltung. Vor die Seele phantasicvoller und für große po-
Msche Ziele und Gedanken empfänglicher Engländer führte es berauschende Bilder
^' hohen Politik: die Schaffung von Landtagen in den drei Königreichen, die
Umwandlung des brittischen Reiches in einen Bundesstaat mit einer Vertretung
tur gemeinsame Angelegenheiten in einem Reichstage, und als Krönung des Gc-


Grenzbotcn I. 1382. 20
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[0161] [Abbildung] Die Reform des englischen Parlaments. von Wilhelm Hasbach. AM?> ^eit einiger Zeit wird der Ruf nach Parlamcntsreform, der in den letzten fünfzig, ja hundert Jahren in England niemals ganz verstummt ist, wieder kräftiger und deutlicher. Wenn es einer Vergleichung erlaubt ist, zu hinken, so möchten wir ihn mit einer ^ Fuge vergleichen; denn er besteht in der That aus einer Weise, die, mit Auslassung oder Hinzufügung einiger Takte, leicht verändert oder in andre Tonarten hinübergeführt, doch im wesentlichen sich gleichbleibt und von den verschiednen Parteien nacheinander aufgenommen wird. Zuletzt setzte Glad- stone mit zwei Reden in den Chorus ein. Am 16. August, am Tage seines Triumphs über das Oberhaus, am Abende nach der ereignisvvllen Nacht, in welcher er die letzte Hand an sein Reformwerk gelegt hatte, wies der Premier zum zweitenmale auf das Programm hin, welches er in das eine Wort „Par- lamentsreform" zusammenfaßte. Trotz dieser Allgemeinheit zündete das Wort; keine Zuhörer wußten, welche Mannichfaltigkeit gesetzgeberischer Aufgaben in ihm ^thätten sind: die Regelung der Eidesfrage, welche durch Bradlaugh stets in ^uß gehalten wird, die Fortführung der Reform der Geschäftsordnung, die ^usdehnnng des Stimmrechts, die Neubegrcnzung der Wahlkreise, eine andre Erteilung der Parlamcntssitze, Beschränkung der Wahlkostcn und eine Umbil- ung der Selbstverwaltung. Vor die Seele phantasicvoller und für große po- Msche Ziele und Gedanken empfänglicher Engländer führte es berauschende Bilder ^' hohen Politik: die Schaffung von Landtagen in den drei Königreichen, die Umwandlung des brittischen Reiches in einen Bundesstaat mit einer Vertretung tur gemeinsame Angelegenheiten in einem Reichstage, und als Krönung des Gc- Grenzbotcn I. 1382. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/161>, abgerufen am 06.05.2024.