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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Literatur.

Wer Witwen freit, hat fertig Brod
Und dazu die liebe Not.

Unsre Leserinnen müssen uns verzeihen wegen dieser kein Alter und keinen
Stand ihres Geschlechtes verschönerten Blumenlese; es ist aber nicht unsre Schuld,
daß wir thuen nichts augeuehnies sagen, den" -- wir haben nichts gefunden. Und
doch! Von einem Stande wissen auch unsre Sprüche uur gutes zu sagen, von der
Mutterschaft, der sie das schöne Wort leihen: "Eine Mutter ist unsers Herrgotts
Kindermagd."

Unsre Vorfahren wissen sehr wohl, welches die erste Tugend des Weibes ist:


Ein Weib ohne Schand
Ist ohne Licht ein' Lamp'.

auch wils sonst für Eigenschaften eine Frau zieren sollen:


Aussichtig, aufrichtig
Macht Frauen tüchtig.

"Was die Frau spart, ist soviel, als was der Mann verdient." "Ein kluges Weib
faßt jedes Töpfchen am rechten Henkel an," und wodurch der Ehefrieden ge¬
sichert wird:


Zwei sein von Lieb, und eins vou Muth (d. h. Gesinnung),
Macht alles Unglück im Eh'stund gut.

Aber freilich, daß solche Tugenden den Frauen in Wirklichkeit besonders eigen ge¬
wesen, ist "irgend gesagt, und wenn man nach diesem Büchlein ihren Wert be¬
messen wollte, so müßte man zu, einem sehr ungünstigen Urteil kommen. Doch
liegt es in der Natur und dem Zweck dieser Sprüche, die ja eine rcformcitorische
Tendenz hoben, daß in ihnen an den Dingen mehr die schlechten als die gute"
Seiten hervorgehoben werden, und so darf es nicht wundern, wenn die thatsächlich
die Frauen schmückenden Vorzüge mit Stillschweigen Übergängen sind. Wie der
Mann des siebzehnten Jahrhunderts sich sein Ideal vorstellt, das er auch zu ver¬
wirklichen gedenkt, sagt er mit deu Worten:


Von feurigem Geblüt",
Vou zärtlichem Gemüte,
Ein Engelein an Güte
Soll meine Liebste sein.

Was aber ini allgemeinen von diesen Sprüchen zu halten ist, erfahren wir am
besten durch sie selbst: "Dem Deutschen wachsen die Sprichwörter im Herzen."






Für die Redaction verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig.
Verlag vou F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Maraunrt in Reuduih Leipzig.
Literatur.

Wer Witwen freit, hat fertig Brod
Und dazu die liebe Not.

Unsre Leserinnen müssen uns verzeihen wegen dieser kein Alter und keinen
Stand ihres Geschlechtes verschönerten Blumenlese; es ist aber nicht unsre Schuld,
daß wir thuen nichts augeuehnies sagen, den» — wir haben nichts gefunden. Und
doch! Von einem Stande wissen auch unsre Sprüche uur gutes zu sagen, von der
Mutterschaft, der sie das schöne Wort leihen: „Eine Mutter ist unsers Herrgotts
Kindermagd."

Unsre Vorfahren wissen sehr wohl, welches die erste Tugend des Weibes ist:


Ein Weib ohne Schand
Ist ohne Licht ein' Lamp'.

auch wils sonst für Eigenschaften eine Frau zieren sollen:


Aussichtig, aufrichtig
Macht Frauen tüchtig.

„Was die Frau spart, ist soviel, als was der Mann verdient." „Ein kluges Weib
faßt jedes Töpfchen am rechten Henkel an," und wodurch der Ehefrieden ge¬
sichert wird:


Zwei sein von Lieb, und eins vou Muth (d. h. Gesinnung),
Macht alles Unglück im Eh'stund gut.

Aber freilich, daß solche Tugenden den Frauen in Wirklichkeit besonders eigen ge¬
wesen, ist »irgend gesagt, und wenn man nach diesem Büchlein ihren Wert be¬
messen wollte, so müßte man zu, einem sehr ungünstigen Urteil kommen. Doch
liegt es in der Natur und dem Zweck dieser Sprüche, die ja eine rcformcitorische
Tendenz hoben, daß in ihnen an den Dingen mehr die schlechten als die gute»
Seiten hervorgehoben werden, und so darf es nicht wundern, wenn die thatsächlich
die Frauen schmückenden Vorzüge mit Stillschweigen Übergängen sind. Wie der
Mann des siebzehnten Jahrhunderts sich sein Ideal vorstellt, das er auch zu ver¬
wirklichen gedenkt, sagt er mit deu Worten:


Von feurigem Geblüt»,
Vou zärtlichem Gemüte,
Ein Engelein an Güte
Soll meine Liebste sein.

Was aber ini allgemeinen von diesen Sprüchen zu halten ist, erfahren wir am
besten durch sie selbst: „Dem Deutschen wachsen die Sprichwörter im Herzen."






Für die Redaction verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig.
Verlag vou F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Maraunrt in Reuduih Leipzig.
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[0160] Literatur. Wer Witwen freit, hat fertig Brod Und dazu die liebe Not. Unsre Leserinnen müssen uns verzeihen wegen dieser kein Alter und keinen Stand ihres Geschlechtes verschönerten Blumenlese; es ist aber nicht unsre Schuld, daß wir thuen nichts augeuehnies sagen, den» — wir haben nichts gefunden. Und doch! Von einem Stande wissen auch unsre Sprüche uur gutes zu sagen, von der Mutterschaft, der sie das schöne Wort leihen: „Eine Mutter ist unsers Herrgotts Kindermagd." Unsre Vorfahren wissen sehr wohl, welches die erste Tugend des Weibes ist: Ein Weib ohne Schand Ist ohne Licht ein' Lamp'. auch wils sonst für Eigenschaften eine Frau zieren sollen: Aussichtig, aufrichtig Macht Frauen tüchtig. „Was die Frau spart, ist soviel, als was der Mann verdient." „Ein kluges Weib faßt jedes Töpfchen am rechten Henkel an," und wodurch der Ehefrieden ge¬ sichert wird: Zwei sein von Lieb, und eins vou Muth (d. h. Gesinnung), Macht alles Unglück im Eh'stund gut. Aber freilich, daß solche Tugenden den Frauen in Wirklichkeit besonders eigen ge¬ wesen, ist »irgend gesagt, und wenn man nach diesem Büchlein ihren Wert be¬ messen wollte, so müßte man zu, einem sehr ungünstigen Urteil kommen. Doch liegt es in der Natur und dem Zweck dieser Sprüche, die ja eine rcformcitorische Tendenz hoben, daß in ihnen an den Dingen mehr die schlechten als die gute» Seiten hervorgehoben werden, und so darf es nicht wundern, wenn die thatsächlich die Frauen schmückenden Vorzüge mit Stillschweigen Übergängen sind. Wie der Mann des siebzehnten Jahrhunderts sich sein Ideal vorstellt, das er auch zu ver¬ wirklichen gedenkt, sagt er mit deu Worten: Von feurigem Geblüt», Vou zärtlichem Gemüte, Ein Engelein an Güte Soll meine Liebste sein. Was aber ini allgemeinen von diesen Sprüchen zu halten ist, erfahren wir am besten durch sie selbst: „Dem Deutschen wachsen die Sprichwörter im Herzen." Für die Redaction verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig. Verlag vou F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Maraunrt in Reuduih Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/160>, abgerufen am 26.05.2024.