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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bcckchen und Thyrsosträger.

Ein paar Straßenjungen, die die Scene beobachteten, stießen ein Triumph¬
geschrei aus, und die Vorbeigehenden blickten sich verwundert um.

Sokrates und Xanthippe, sagte lachend ein Student zu seinen: Freunde. Er
hatte ein sanftes, gutherziges Liebchen und fühlte sich hoch erhaben über ver¬
heiratete Männer.




Zweites Aapitel.
B. L.

?oillinso prssäiw vt sxoliorum aräod^t g,morv.

Der Lieutenant Alfons Stahlhardt, über dessen Anlagen und mutmaßliches
Geschick feine Eltern so sehr verschiedener Meinung waren, befand sich an dem¬
selben Abend im Allianz-Klub, wo ein Souper zu Ehren der Sängerin Chepa
de Molini nach der Oper stattfinden sollte. Er hatte eine Caprice für diese
spanische Dame gefaßt und sich deshalb über finanzielle Bedenken hinsichtlich
des Allianz-Klubs hinweggesetzt.

Es war ein sehr teurer Klub, und es verkehrten dort fast nur Leute der
ersten Gesellschaft, Mitglieder des höchsten Adels und der hohen Finanz; aber
Alfons ward von einer starken Lust getrieben, auch dazu zu gehören. War er
doch Offizier und als solcher einer jeden Gesellschaft ebenbürtig.

Nur mit dem Gelde hatte es seine Bedenken.

Er war in einer Lage, die ihm oft qualvoll erschien. Er hatte das Be¬
streben, zur besten Gesellschaft zu gehören, ward darin stets von seiner Mutter
unterstützt, sah aber wohl ein, daß er bis jetzt noch nicht heimisch in derselben
geworden war, während er es doch schon dahin gebracht hatte, mit Leuten um¬
zugehen, die mehr Geld ausgaben, als er selbst aufbringen konnte, und während
er sich dabei seinen Kameraden, die auf einfacheren Fuße lebten, entfremdet hatte.
Es war ihm zuweilen so, als hätte er sich zwischen zwei Stühlen auf den Boden
gesetzt.

Seine Mutter half ihm nach besten Kräften mit Geld, ohne daß sein
Vater davon wußte, aber auch ihre Hilfsquellen hatten eine Grenze, und er
wagte nicht, ihr zu gestehen, daß er trotz allen Zuschusses Schulden hatte. Seinem
Vater wagte er mit seinen Sorgen und Plänen gar nicht vor die Augen zu
treten, denn er wußte ganz gut, daß sein Vater alles das verachtete und für
gänzlich erbärmlich hielt.

Alfons fühlte sich auch in seinem Stande nicht recht glücklich. Er hatte
sich im Kriege gut benommen, stand verhältnismäßig gut in der Anciennetät,
war aber immer noch seconde-Lieutenant und betrachtete ungeduldig die lange
Reihe von älteren Kameraden vor sich. Wohin sollte das führen? Wann sollte


Bcckchen und Thyrsosträger.

Ein paar Straßenjungen, die die Scene beobachteten, stießen ein Triumph¬
geschrei aus, und die Vorbeigehenden blickten sich verwundert um.

Sokrates und Xanthippe, sagte lachend ein Student zu seinen: Freunde. Er
hatte ein sanftes, gutherziges Liebchen und fühlte sich hoch erhaben über ver¬
heiratete Männer.




Zweites Aapitel.
B. L.

?oillinso prssäiw vt sxoliorum aräod^t g,morv.

Der Lieutenant Alfons Stahlhardt, über dessen Anlagen und mutmaßliches
Geschick feine Eltern so sehr verschiedener Meinung waren, befand sich an dem¬
selben Abend im Allianz-Klub, wo ein Souper zu Ehren der Sängerin Chepa
de Molini nach der Oper stattfinden sollte. Er hatte eine Caprice für diese
spanische Dame gefaßt und sich deshalb über finanzielle Bedenken hinsichtlich
des Allianz-Klubs hinweggesetzt.

Es war ein sehr teurer Klub, und es verkehrten dort fast nur Leute der
ersten Gesellschaft, Mitglieder des höchsten Adels und der hohen Finanz; aber
Alfons ward von einer starken Lust getrieben, auch dazu zu gehören. War er
doch Offizier und als solcher einer jeden Gesellschaft ebenbürtig.

Nur mit dem Gelde hatte es seine Bedenken.

Er war in einer Lage, die ihm oft qualvoll erschien. Er hatte das Be¬
streben, zur besten Gesellschaft zu gehören, ward darin stets von seiner Mutter
unterstützt, sah aber wohl ein, daß er bis jetzt noch nicht heimisch in derselben
geworden war, während er es doch schon dahin gebracht hatte, mit Leuten um¬
zugehen, die mehr Geld ausgaben, als er selbst aufbringen konnte, und während
er sich dabei seinen Kameraden, die auf einfacheren Fuße lebten, entfremdet hatte.
Es war ihm zuweilen so, als hätte er sich zwischen zwei Stühlen auf den Boden
gesetzt.

Seine Mutter half ihm nach besten Kräften mit Geld, ohne daß sein
Vater davon wußte, aber auch ihre Hilfsquellen hatten eine Grenze, und er
wagte nicht, ihr zu gestehen, daß er trotz allen Zuschusses Schulden hatte. Seinem
Vater wagte er mit seinen Sorgen und Plänen gar nicht vor die Augen zu
treten, denn er wußte ganz gut, daß sein Vater alles das verachtete und für
gänzlich erbärmlich hielt.

Alfons fühlte sich auch in seinem Stande nicht recht glücklich. Er hatte
sich im Kriege gut benommen, stand verhältnismäßig gut in der Anciennetät,
war aber immer noch seconde-Lieutenant und betrachtete ungeduldig die lange
Reihe von älteren Kameraden vor sich. Wohin sollte das führen? Wann sollte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/59>, abgerufen am 06.05.2024.