Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bakchen und Thyrsosträger.

endlich ein Erfolg kommen? Immer Dienst thun, immer exerciren, immer auf
zwei Beinen im Straßenstaub laufen, ohne eine glänzende Aussicht und für eine
elende Gage, das war keine Carriöre, wie er sie sich wünschte. Er fühlte genug
Talent in sich, um es weit zu bringen, aber er wußte, daß es für sein Fort¬
kommen ganz gleichgiltig war. ob er mehr oder weniger Talent hatte. Es
ging nach der Reihe. Er dachte von den meisten Kameraden, sie seien nicht so klug
wie er, aber sie avancirten gerade so gut. Er hatte es nun glücklich erreicht, zur
Kriegs-Akademie kommandirt zu werden, aber es blieb immer noch sehr fraglich,
ob er in den Generalstab käme. Er dachte mit Schrecken an die mächtige Kon¬
kurrenz so vieler Leute aus vornehmen und einflußreichen Familien.

Was er thun konnte, das that er. Er war sorgfältig, nicht nur in seinem
Dienste, sondern auch in seinem außerdienstlichen Verhalten, und versäumte
keine Gelegenheit, sich bei den höheren Vorgesetzten in ein günstiges Licht zu
setzen. Er besuchte die Häuser einiger namhaften Professoren und war bekannt
mit berühmten Künstlern, so daß er in der Unterhaltung über Gegenstände der
Kunst und Wissenschaft stets ein Urteil abgeben konnte, dem man anmerkte, es
sei an der Quelle geschöpft. Er ging in fashionable Gesellschaften, zeigte eine
Liebe zum Sport, die ihm nicht ganz natürlich war, kurz, er war alles in allein
ein kleines Muster von Vollkommenheiten, aber -- er hatte stets das Gefiihl,
daß ihm alles das möglicherweise doch nichts nütze, und wenn er seinen Vetter
Amadeus Freiherrn von Lovendal sah und bedachte, was für Pferde dieser ritt
und fuhr, wie er wohnte, aß und traut, und daß er demnächst eine Gräfin hei¬
raten werde, so bereute er, nicht auch Banquier geworden zu sein und erinnerte
sich mit stiller Wut der Erzählung seiner Mutter, daß das Lovendalsche Ver¬
mögen zum größten Teil von einer Summe herrühre, die sein Großvater dem
alten Lovendal geliehen und nie wieder bekommen habe.

Er ließ sich solche Ansichten freilich nicht merken und that im Gegenteil
so, als verachte er alle Stunde, die dein Erwerbe nachgingen, gefiel sich besonders
den väterlichen Verwandten gegenüber in der Rolle eines Eid Campeador oder
eines Roland, dem nichts von Wert ist als "sein Roß und sein Schwert und
der Minne zu dienen", aber es war das nur gute Miene zum bösen Spiel,
und anderen Verwandten gegenüber machte er bisweilen seinem Herzen Luft,
indem er von glänzendem Elend sprach und auf Protektionen, Konnexionen und
den Adel schalt.

Eine stille Hoffnung, daß schließlich alles doch noch eine gute Wendung
nehmen werde, indem der alte Krösus Lovendal in seinein Testamente die von
Frau Clara berechnete halbe Million Thaler den Familien Stahlhardt und
Irrwisch zuwenden werde, gab ihm in dieser Lage der Dinge immer wieder neuen
Mut auf dem alten Wege.

Die Sängerin Molini, für die er sich jetzt begeistert hatte, war als Gast
an der Oper, und die Stadt hallte wieder von ihrem Lobe. Der Militär-


Bakchen und Thyrsosträger.

endlich ein Erfolg kommen? Immer Dienst thun, immer exerciren, immer auf
zwei Beinen im Straßenstaub laufen, ohne eine glänzende Aussicht und für eine
elende Gage, das war keine Carriöre, wie er sie sich wünschte. Er fühlte genug
Talent in sich, um es weit zu bringen, aber er wußte, daß es für sein Fort¬
kommen ganz gleichgiltig war. ob er mehr oder weniger Talent hatte. Es
ging nach der Reihe. Er dachte von den meisten Kameraden, sie seien nicht so klug
wie er, aber sie avancirten gerade so gut. Er hatte es nun glücklich erreicht, zur
Kriegs-Akademie kommandirt zu werden, aber es blieb immer noch sehr fraglich,
ob er in den Generalstab käme. Er dachte mit Schrecken an die mächtige Kon¬
kurrenz so vieler Leute aus vornehmen und einflußreichen Familien.

Was er thun konnte, das that er. Er war sorgfältig, nicht nur in seinem
Dienste, sondern auch in seinem außerdienstlichen Verhalten, und versäumte
keine Gelegenheit, sich bei den höheren Vorgesetzten in ein günstiges Licht zu
setzen. Er besuchte die Häuser einiger namhaften Professoren und war bekannt
mit berühmten Künstlern, so daß er in der Unterhaltung über Gegenstände der
Kunst und Wissenschaft stets ein Urteil abgeben konnte, dem man anmerkte, es
sei an der Quelle geschöpft. Er ging in fashionable Gesellschaften, zeigte eine
Liebe zum Sport, die ihm nicht ganz natürlich war, kurz, er war alles in allein
ein kleines Muster von Vollkommenheiten, aber — er hatte stets das Gefiihl,
daß ihm alles das möglicherweise doch nichts nütze, und wenn er seinen Vetter
Amadeus Freiherrn von Lovendal sah und bedachte, was für Pferde dieser ritt
und fuhr, wie er wohnte, aß und traut, und daß er demnächst eine Gräfin hei¬
raten werde, so bereute er, nicht auch Banquier geworden zu sein und erinnerte
sich mit stiller Wut der Erzählung seiner Mutter, daß das Lovendalsche Ver¬
mögen zum größten Teil von einer Summe herrühre, die sein Großvater dem
alten Lovendal geliehen und nie wieder bekommen habe.

Er ließ sich solche Ansichten freilich nicht merken und that im Gegenteil
so, als verachte er alle Stunde, die dein Erwerbe nachgingen, gefiel sich besonders
den väterlichen Verwandten gegenüber in der Rolle eines Eid Campeador oder
eines Roland, dem nichts von Wert ist als „sein Roß und sein Schwert und
der Minne zu dienen", aber es war das nur gute Miene zum bösen Spiel,
und anderen Verwandten gegenüber machte er bisweilen seinem Herzen Luft,
indem er von glänzendem Elend sprach und auf Protektionen, Konnexionen und
den Adel schalt.

Eine stille Hoffnung, daß schließlich alles doch noch eine gute Wendung
nehmen werde, indem der alte Krösus Lovendal in seinein Testamente die von
Frau Clara berechnete halbe Million Thaler den Familien Stahlhardt und
Irrwisch zuwenden werde, gab ihm in dieser Lage der Dinge immer wieder neuen
Mut auf dem alten Wege.

Die Sängerin Molini, für die er sich jetzt begeistert hatte, war als Gast
an der Oper, und die Stadt hallte wieder von ihrem Lobe. Der Militär-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86181"/>
            <fw type="header" place="top"> Bakchen und Thyrsosträger.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_212" prev="#ID_211"> endlich ein Erfolg kommen? Immer Dienst thun, immer exerciren, immer auf<lb/>
zwei Beinen im Straßenstaub laufen, ohne eine glänzende Aussicht und für eine<lb/>
elende Gage, das war keine Carriöre, wie er sie sich wünschte. Er fühlte genug<lb/>
Talent in sich, um es weit zu bringen, aber er wußte, daß es für sein Fort¬<lb/>
kommen ganz gleichgiltig war. ob er mehr oder weniger Talent hatte. Es<lb/>
ging nach der Reihe. Er dachte von den meisten Kameraden, sie seien nicht so klug<lb/>
wie er, aber sie avancirten gerade so gut. Er hatte es nun glücklich erreicht, zur<lb/>
Kriegs-Akademie kommandirt zu werden, aber es blieb immer noch sehr fraglich,<lb/>
ob er in den Generalstab käme. Er dachte mit Schrecken an die mächtige Kon¬<lb/>
kurrenz so vieler Leute aus vornehmen und einflußreichen Familien.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_213"> Was er thun konnte, das that er. Er war sorgfältig, nicht nur in seinem<lb/>
Dienste, sondern auch in seinem außerdienstlichen Verhalten, und versäumte<lb/>
keine Gelegenheit, sich bei den höheren Vorgesetzten in ein günstiges Licht zu<lb/>
setzen. Er besuchte die Häuser einiger namhaften Professoren und war bekannt<lb/>
mit berühmten Künstlern, so daß er in der Unterhaltung über Gegenstände der<lb/>
Kunst und Wissenschaft stets ein Urteil abgeben konnte, dem man anmerkte, es<lb/>
sei an der Quelle geschöpft. Er ging in fashionable Gesellschaften, zeigte eine<lb/>
Liebe zum Sport, die ihm nicht ganz natürlich war, kurz, er war alles in allein<lb/>
ein kleines Muster von Vollkommenheiten, aber &#x2014; er hatte stets das Gefiihl,<lb/>
daß ihm alles das möglicherweise doch nichts nütze, und wenn er seinen Vetter<lb/>
Amadeus Freiherrn von Lovendal sah und bedachte, was für Pferde dieser ritt<lb/>
und fuhr, wie er wohnte, aß und traut, und daß er demnächst eine Gräfin hei¬<lb/>
raten werde, so bereute er, nicht auch Banquier geworden zu sein und erinnerte<lb/>
sich mit stiller Wut der Erzählung seiner Mutter, daß das Lovendalsche Ver¬<lb/>
mögen zum größten Teil von einer Summe herrühre, die sein Großvater dem<lb/>
alten Lovendal geliehen und nie wieder bekommen habe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_214"> Er ließ sich solche Ansichten freilich nicht merken und that im Gegenteil<lb/>
so, als verachte er alle Stunde, die dein Erwerbe nachgingen, gefiel sich besonders<lb/>
den väterlichen Verwandten gegenüber in der Rolle eines Eid Campeador oder<lb/>
eines Roland, dem nichts von Wert ist als &#x201E;sein Roß und sein Schwert und<lb/>
der Minne zu dienen", aber es war das nur gute Miene zum bösen Spiel,<lb/>
und anderen Verwandten gegenüber machte er bisweilen seinem Herzen Luft,<lb/>
indem er von glänzendem Elend sprach und auf Protektionen, Konnexionen und<lb/>
den Adel schalt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_215"> Eine stille Hoffnung, daß schließlich alles doch noch eine gute Wendung<lb/>
nehmen werde, indem der alte Krösus Lovendal in seinein Testamente die von<lb/>
Frau Clara berechnete halbe Million Thaler den Familien Stahlhardt und<lb/>
Irrwisch zuwenden werde, gab ihm in dieser Lage der Dinge immer wieder neuen<lb/>
Mut auf dem alten Wege.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_216" next="#ID_217"> Die Sängerin Molini, für die er sich jetzt begeistert hatte, war als Gast<lb/>
an der Oper, und die Stadt hallte wieder von ihrem Lobe.  Der Militär-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] Bakchen und Thyrsosträger. endlich ein Erfolg kommen? Immer Dienst thun, immer exerciren, immer auf zwei Beinen im Straßenstaub laufen, ohne eine glänzende Aussicht und für eine elende Gage, das war keine Carriöre, wie er sie sich wünschte. Er fühlte genug Talent in sich, um es weit zu bringen, aber er wußte, daß es für sein Fort¬ kommen ganz gleichgiltig war. ob er mehr oder weniger Talent hatte. Es ging nach der Reihe. Er dachte von den meisten Kameraden, sie seien nicht so klug wie er, aber sie avancirten gerade so gut. Er hatte es nun glücklich erreicht, zur Kriegs-Akademie kommandirt zu werden, aber es blieb immer noch sehr fraglich, ob er in den Generalstab käme. Er dachte mit Schrecken an die mächtige Kon¬ kurrenz so vieler Leute aus vornehmen und einflußreichen Familien. Was er thun konnte, das that er. Er war sorgfältig, nicht nur in seinem Dienste, sondern auch in seinem außerdienstlichen Verhalten, und versäumte keine Gelegenheit, sich bei den höheren Vorgesetzten in ein günstiges Licht zu setzen. Er besuchte die Häuser einiger namhaften Professoren und war bekannt mit berühmten Künstlern, so daß er in der Unterhaltung über Gegenstände der Kunst und Wissenschaft stets ein Urteil abgeben konnte, dem man anmerkte, es sei an der Quelle geschöpft. Er ging in fashionable Gesellschaften, zeigte eine Liebe zum Sport, die ihm nicht ganz natürlich war, kurz, er war alles in allein ein kleines Muster von Vollkommenheiten, aber — er hatte stets das Gefiihl, daß ihm alles das möglicherweise doch nichts nütze, und wenn er seinen Vetter Amadeus Freiherrn von Lovendal sah und bedachte, was für Pferde dieser ritt und fuhr, wie er wohnte, aß und traut, und daß er demnächst eine Gräfin hei¬ raten werde, so bereute er, nicht auch Banquier geworden zu sein und erinnerte sich mit stiller Wut der Erzählung seiner Mutter, daß das Lovendalsche Ver¬ mögen zum größten Teil von einer Summe herrühre, die sein Großvater dem alten Lovendal geliehen und nie wieder bekommen habe. Er ließ sich solche Ansichten freilich nicht merken und that im Gegenteil so, als verachte er alle Stunde, die dein Erwerbe nachgingen, gefiel sich besonders den väterlichen Verwandten gegenüber in der Rolle eines Eid Campeador oder eines Roland, dem nichts von Wert ist als „sein Roß und sein Schwert und der Minne zu dienen", aber es war das nur gute Miene zum bösen Spiel, und anderen Verwandten gegenüber machte er bisweilen seinem Herzen Luft, indem er von glänzendem Elend sprach und auf Protektionen, Konnexionen und den Adel schalt. Eine stille Hoffnung, daß schließlich alles doch noch eine gute Wendung nehmen werde, indem der alte Krösus Lovendal in seinein Testamente die von Frau Clara berechnete halbe Million Thaler den Familien Stahlhardt und Irrwisch zuwenden werde, gab ihm in dieser Lage der Dinge immer wieder neuen Mut auf dem alten Wege. Die Sängerin Molini, für die er sich jetzt begeistert hatte, war als Gast an der Oper, und die Stadt hallte wieder von ihrem Lobe. Der Militär-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/60
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/60>, abgerufen am 26.05.2024.