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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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von Julius Schmorr von (Larolsfeld. Vier Festreden Mitgeteilt aus seinem Nachlasse,

ur den handschriftlichen Nachlaß des Malers Julius Schmorr von
Carolsfeld hat sich der Erbe uoch nicht gefunden, der befähigt
und gewillt gewesen wäre, das darin gebotene Material zu einer
Darstellung der Geschichte seines Lebens und der Knnstbestrebungen
seiner Zeit zu verarbeiten. Man kann dies bedauern, da die ge¬
schichtlichen Quellen bis jetzt nnr spärlich fließen, ans denen die Reformbestre¬
bungen, welche sich um das Auftreten der deutscheu Künstler in Rom und die
Namen von Cornelius, Overbeck und Schmorr selbst knüpfen, genauer erkannt,
Irrtümer, denen die Beurteilung dieser Männer gegenwärtig ausgesetzt ist, be¬
richtigt werden könnten. Aber für die Wahrheit des historischen Gesammtnrteils
über die Bedeutung Schmorrs und der von ihm vertretenen Kunstrichtung kann
es doch schließlich nur ein Gewinn sein, wenn jene kunstgeschichtliche Arbeit nicht
eher an das Licht tritt, als bis die so rasch wechselnden, so jäh in ihr Gegen¬
teil sich verkehrende" Tagesmeinungen aufgehört haben werden, dieses Gesammt-
urteil zu beeinflussen. Denn es steht erfahrungsmäßig fest, daß in der Wür¬
digung der Wirksamkeit hervorragender Männer kein Zeitalter ungerechter zu sein
pflegt, als dasjenige, welches unmittelbar auf ihren Tod folgt, Belege für diese
Erfahrung stünden reichlich zu Gebote; doch ein Hinweis allein ans die Ge¬
schichte der Beurteilung Goethes dürfte alle übrigen Belege entbehrlich machen.

Der Einsender dieses vermeidet es um mehrerer und ganz verschiedenartiger
Ursachen willen, seinerseits mit einem geschichtlichen Urteile über die künstlerischen
Bestrebungen hervorzutreten, welche in Rom ihren Ausgangspunkt hatten und
später sich in München zu der bekannten großartigen Thätigkeit entfalteten. Nur
das eine will er hervorheben, indem er auf die hier mitgeteilten Festreden Schmorrs
aus den Jahren 1844 bis 1846 hinweist, in wie hohem Grade in diesen Reden
als ein für die KnnsttlMigkeit der Zeit charakteristisches Merkmal jene mit That¬
kraft und Unternehmungslust verbundene ideale Begeisterung zum Ausdruck kommt,
welche das Emporblühen deutscher Kunst in den ersten Jahrzehnten unsers
Jahrhunderts als einen Teil des nationalen Aufschwungs erscheinen läßt, der
dem neunzehnten Jahrhundert in der Geschichte des' deutschen Volkes dauernd
sein besonderes Gepräge geben wird.

1.

Meine verehrten Freunde, die Benachrichtigung von Ihrem Vorsatze, auch in
diesem Jahre eine festliche Zusanuucnkunft mir zu Ehren zu veranstalten, erregte
das Verlangen in mir, mein Herz wieder einmal gegen Sie auszuschütten.


von Julius Schmorr von (Larolsfeld. Vier Festreden Mitgeteilt aus seinem Nachlasse,

ur den handschriftlichen Nachlaß des Malers Julius Schmorr von
Carolsfeld hat sich der Erbe uoch nicht gefunden, der befähigt
und gewillt gewesen wäre, das darin gebotene Material zu einer
Darstellung der Geschichte seines Lebens und der Knnstbestrebungen
seiner Zeit zu verarbeiten. Man kann dies bedauern, da die ge¬
schichtlichen Quellen bis jetzt nnr spärlich fließen, ans denen die Reformbestre¬
bungen, welche sich um das Auftreten der deutscheu Künstler in Rom und die
Namen von Cornelius, Overbeck und Schmorr selbst knüpfen, genauer erkannt,
Irrtümer, denen die Beurteilung dieser Männer gegenwärtig ausgesetzt ist, be¬
richtigt werden könnten. Aber für die Wahrheit des historischen Gesammtnrteils
über die Bedeutung Schmorrs und der von ihm vertretenen Kunstrichtung kann
es doch schließlich nur ein Gewinn sein, wenn jene kunstgeschichtliche Arbeit nicht
eher an das Licht tritt, als bis die so rasch wechselnden, so jäh in ihr Gegen¬
teil sich verkehrende« Tagesmeinungen aufgehört haben werden, dieses Gesammt-
urteil zu beeinflussen. Denn es steht erfahrungsmäßig fest, daß in der Wür¬
digung der Wirksamkeit hervorragender Männer kein Zeitalter ungerechter zu sein
pflegt, als dasjenige, welches unmittelbar auf ihren Tod folgt, Belege für diese
Erfahrung stünden reichlich zu Gebote; doch ein Hinweis allein ans die Ge¬
schichte der Beurteilung Goethes dürfte alle übrigen Belege entbehrlich machen.

Der Einsender dieses vermeidet es um mehrerer und ganz verschiedenartiger
Ursachen willen, seinerseits mit einem geschichtlichen Urteile über die künstlerischen
Bestrebungen hervorzutreten, welche in Rom ihren Ausgangspunkt hatten und
später sich in München zu der bekannten großartigen Thätigkeit entfalteten. Nur
das eine will er hervorheben, indem er auf die hier mitgeteilten Festreden Schmorrs
aus den Jahren 1844 bis 1846 hinweist, in wie hohem Grade in diesen Reden
als ein für die KnnsttlMigkeit der Zeit charakteristisches Merkmal jene mit That¬
kraft und Unternehmungslust verbundene ideale Begeisterung zum Ausdruck kommt,
welche das Emporblühen deutscher Kunst in den ersten Jahrzehnten unsers
Jahrhunderts als einen Teil des nationalen Aufschwungs erscheinen läßt, der
dem neunzehnten Jahrhundert in der Geschichte des' deutschen Volkes dauernd
sein besonderes Gepräge geben wird.

1.

Meine verehrten Freunde, die Benachrichtigung von Ihrem Vorsatze, auch in
diesem Jahre eine festliche Zusanuucnkunft mir zu Ehren zu veranstalten, erregte
das Verlangen in mir, mein Herz wieder einmal gegen Sie auszuschütten.


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[0663] von Julius Schmorr von (Larolsfeld. Vier Festreden Mitgeteilt aus seinem Nachlasse, ur den handschriftlichen Nachlaß des Malers Julius Schmorr von Carolsfeld hat sich der Erbe uoch nicht gefunden, der befähigt und gewillt gewesen wäre, das darin gebotene Material zu einer Darstellung der Geschichte seines Lebens und der Knnstbestrebungen seiner Zeit zu verarbeiten. Man kann dies bedauern, da die ge¬ schichtlichen Quellen bis jetzt nnr spärlich fließen, ans denen die Reformbestre¬ bungen, welche sich um das Auftreten der deutscheu Künstler in Rom und die Namen von Cornelius, Overbeck und Schmorr selbst knüpfen, genauer erkannt, Irrtümer, denen die Beurteilung dieser Männer gegenwärtig ausgesetzt ist, be¬ richtigt werden könnten. Aber für die Wahrheit des historischen Gesammtnrteils über die Bedeutung Schmorrs und der von ihm vertretenen Kunstrichtung kann es doch schließlich nur ein Gewinn sein, wenn jene kunstgeschichtliche Arbeit nicht eher an das Licht tritt, als bis die so rasch wechselnden, so jäh in ihr Gegen¬ teil sich verkehrende« Tagesmeinungen aufgehört haben werden, dieses Gesammt- urteil zu beeinflussen. Denn es steht erfahrungsmäßig fest, daß in der Wür¬ digung der Wirksamkeit hervorragender Männer kein Zeitalter ungerechter zu sein pflegt, als dasjenige, welches unmittelbar auf ihren Tod folgt, Belege für diese Erfahrung stünden reichlich zu Gebote; doch ein Hinweis allein ans die Ge¬ schichte der Beurteilung Goethes dürfte alle übrigen Belege entbehrlich machen. Der Einsender dieses vermeidet es um mehrerer und ganz verschiedenartiger Ursachen willen, seinerseits mit einem geschichtlichen Urteile über die künstlerischen Bestrebungen hervorzutreten, welche in Rom ihren Ausgangspunkt hatten und später sich in München zu der bekannten großartigen Thätigkeit entfalteten. Nur das eine will er hervorheben, indem er auf die hier mitgeteilten Festreden Schmorrs aus den Jahren 1844 bis 1846 hinweist, in wie hohem Grade in diesen Reden als ein für die KnnsttlMigkeit der Zeit charakteristisches Merkmal jene mit That¬ kraft und Unternehmungslust verbundene ideale Begeisterung zum Ausdruck kommt, welche das Emporblühen deutscher Kunst in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts als einen Teil des nationalen Aufschwungs erscheinen läßt, der dem neunzehnten Jahrhundert in der Geschichte des' deutschen Volkes dauernd sein besonderes Gepräge geben wird. 1. Meine verehrten Freunde, die Benachrichtigung von Ihrem Vorsatze, auch in diesem Jahre eine festliche Zusanuucnkunft mir zu Ehren zu veranstalten, erregte das Verlangen in mir, mein Herz wieder einmal gegen Sie auszuschütten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/663>, abgerufen am 06.05.2024.