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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal.

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Die ägyptische jrage.

n den letzten Wochen ist die ägyptische Frage wieder stark in den
Vordergrund getreten, ihre Lösung wird aber anch diesmal nur
eine vorläufige sein, wie in allen Stadien, die sie bisher durch¬
laufen hat. Sie ist schon lange auf dem Tapet, genau genommen
schon seit dem Beginn des sechzehnten Jahrhunderts, und das
kann nicht Wunder nehmen, da das untere Nilthal, ganz abgesehen von seiner
Fruchtbarkeit, offenbar eine große Bestimmung hat. Es ist zu einer Hauptstation des
Völkerverkehrs geschaffen, ein Bindeglied zwischen Europa und Südostasien. An
der Schwelle der neueren Geschichte scheidet sich der Seeweg nach dem letztern
vom Landwege, der seine Niederlage in Ägypten hatte und dieses mächtig be¬
reicherte. Darum ersuchte der Sultan von Kairo 1504 den Papst, den christ¬
lichen Völkern den Seeweg um Südafrika nach Indien zu untersagen. Albu-
querque dagegen sah Portugals dortige Herrschaft nur für den Fall gesichert,
wenn es den Landweg beherrschte und ihn aller Welt verschließen konnte. Deshalb
besetzte er Aden am Eingänge ins Rote Meer und Ormuz am Persischen Golfe
und dachte an Ableitung des Nil ius Rote Meer, wodurch Ägypten zur unbewohn¬
baren Wüste werden sollte. Nachdem dann der praktischen Politik der Blick für
die Bedeutung Ägyptens abhanden gekommen, fand er sich in der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts wieder ein, als der Verkehr englischer Schiffe zwischen
Bombay und Suez lebhafter geworden war, und 1774 untersagte die Pforte
diese Schifffahrt der "schurkischen Sekte der Christen," welche die Inder zu
ihren Knechten gemacht hatte.

Andrerseits hatte sich Leibniz bemüht, den Franzosen die Wichtigkeit
Ägyptens begreiflich zu machen. Er sah dnrch Ludwig den Vierzehnten das
deutsche Reich bedroht und glaubte den Ehrgeiz des Königs und seiner Räte
durch den Hinweis ans ein nicht minder lockendes Ziel ablenken zu können.


Grenzbowi II- 1382. 4V


Die ägyptische jrage.

n den letzten Wochen ist die ägyptische Frage wieder stark in den
Vordergrund getreten, ihre Lösung wird aber anch diesmal nur
eine vorläufige sein, wie in allen Stadien, die sie bisher durch¬
laufen hat. Sie ist schon lange auf dem Tapet, genau genommen
schon seit dem Beginn des sechzehnten Jahrhunderts, und das
kann nicht Wunder nehmen, da das untere Nilthal, ganz abgesehen von seiner
Fruchtbarkeit, offenbar eine große Bestimmung hat. Es ist zu einer Hauptstation des
Völkerverkehrs geschaffen, ein Bindeglied zwischen Europa und Südostasien. An
der Schwelle der neueren Geschichte scheidet sich der Seeweg nach dem letztern
vom Landwege, der seine Niederlage in Ägypten hatte und dieses mächtig be¬
reicherte. Darum ersuchte der Sultan von Kairo 1504 den Papst, den christ¬
lichen Völkern den Seeweg um Südafrika nach Indien zu untersagen. Albu-
querque dagegen sah Portugals dortige Herrschaft nur für den Fall gesichert,
wenn es den Landweg beherrschte und ihn aller Welt verschließen konnte. Deshalb
besetzte er Aden am Eingänge ins Rote Meer und Ormuz am Persischen Golfe
und dachte an Ableitung des Nil ius Rote Meer, wodurch Ägypten zur unbewohn¬
baren Wüste werden sollte. Nachdem dann der praktischen Politik der Blick für
die Bedeutung Ägyptens abhanden gekommen, fand er sich in der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts wieder ein, als der Verkehr englischer Schiffe zwischen
Bombay und Suez lebhafter geworden war, und 1774 untersagte die Pforte
diese Schifffahrt der „schurkischen Sekte der Christen," welche die Inder zu
ihren Knechten gemacht hatte.

Andrerseits hatte sich Leibniz bemüht, den Franzosen die Wichtigkeit
Ägyptens begreiflich zu machen. Er sah dnrch Ludwig den Vierzehnten das
deutsche Reich bedroht und glaubte den Ehrgeiz des Königs und seiner Räte
durch den Hinweis ans ein nicht minder lockendes Ziel ablenken zu können.


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[0361] [Abbildung] Die ägyptische jrage. n den letzten Wochen ist die ägyptische Frage wieder stark in den Vordergrund getreten, ihre Lösung wird aber anch diesmal nur eine vorläufige sein, wie in allen Stadien, die sie bisher durch¬ laufen hat. Sie ist schon lange auf dem Tapet, genau genommen schon seit dem Beginn des sechzehnten Jahrhunderts, und das kann nicht Wunder nehmen, da das untere Nilthal, ganz abgesehen von seiner Fruchtbarkeit, offenbar eine große Bestimmung hat. Es ist zu einer Hauptstation des Völkerverkehrs geschaffen, ein Bindeglied zwischen Europa und Südostasien. An der Schwelle der neueren Geschichte scheidet sich der Seeweg nach dem letztern vom Landwege, der seine Niederlage in Ägypten hatte und dieses mächtig be¬ reicherte. Darum ersuchte der Sultan von Kairo 1504 den Papst, den christ¬ lichen Völkern den Seeweg um Südafrika nach Indien zu untersagen. Albu- querque dagegen sah Portugals dortige Herrschaft nur für den Fall gesichert, wenn es den Landweg beherrschte und ihn aller Welt verschließen konnte. Deshalb besetzte er Aden am Eingänge ins Rote Meer und Ormuz am Persischen Golfe und dachte an Ableitung des Nil ius Rote Meer, wodurch Ägypten zur unbewohn¬ baren Wüste werden sollte. Nachdem dann der praktischen Politik der Blick für die Bedeutung Ägyptens abhanden gekommen, fand er sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wieder ein, als der Verkehr englischer Schiffe zwischen Bombay und Suez lebhafter geworden war, und 1774 untersagte die Pforte diese Schifffahrt der „schurkischen Sekte der Christen," welche die Inder zu ihren Knechten gemacht hatte. Andrerseits hatte sich Leibniz bemüht, den Franzosen die Wichtigkeit Ägyptens begreiflich zu machen. Er sah dnrch Ludwig den Vierzehnten das deutsche Reich bedroht und glaubte den Ehrgeiz des Königs und seiner Räte durch den Hinweis ans ein nicht minder lockendes Ziel ablenken zu können. Grenzbowi II- 1382. 4V

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89806/361>, abgerufen am 02.05.2024.