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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Austriacismen.

fallen ist? Die dritte Freskenreihe, welche die Baukunst des Mittelalters ver¬
tritt, ist ungleich besser geraten. Auf dem Riugthurme einer Burg sitzt die
Patronin des Mittelalters, Maria mit dem Kinde. Dann sieht man einen
Mönch im Kreuzgange eines romanischen Klosters, welcher an einer Wandmalerei
beschäftigt ist, während der Bruder Architekt seinem Werke zuschaut, und zum
dritten ist das Rüstfest eines gothischen Domes geschildert, von dessen Höhe
herab der Baumeister, umgeben von den Würdenträgern der Kirche und seinen
Bauleuten, das Römerglas zur Weihe herabwirft. Diese Komposition steht in
ihrer lebhaften Frische und in ihrer überzeugenden Wahrheit dem Renaissanee-
bilde am nächsten.

Hinsichtlich des Kolorits hat Prell der Freskotechnik alle nur möglichen
Effekte abgezwungen. Aber trotz seiner Bemühungen hat er der Freskomalerei
den kühlen, starren Ton nicht nehmen können, der ihr nun einmal anhaftet,
wenigstens in unserm Klima, wo das Sonnenlicht selbst im Hochsommer nicht
so intensiv und gleichsam die Farbe verstärkend wirkt wie in Italien. Wenn
man dabei auf den alten Grundsatz weist, daß sich die dekorative oder monu¬
mentale Malerei durch die Bescheidenheit des Tones der Architektur unterordnen
muß, so darf man auf der andern Seite nicht vergessen, daß seit der Zeit, wo
man jenes Dogma zuerst ausstellte, auch die Architektur ganz anders in die
Farbe gegangen ist, und daß ihr die Malerei, wenn auch immer noch in gewisser
Entfernung, auf diesem Wege folgen muß. Ob das mit Hilfe der Freskotechnik
zu erreichen ist, scheint mir zweifelhaft. Eine vollkommen stichhaltige Probe
hat dagegen die Wachsmalerei abgelegt, in welcher der dritte der monumentalen
Cyklen, mit dem wir uns noch beschäftigen wollten, der Bilderschmuck des Er¬
furter Rathauses, ausgeführt ist. (Schluß folgt.)




Austriacismen.

le Nummern 43, 49 und 50 des vorigen Jahrgangs der Grenz¬
boten enthalten unter der Überschrift "Fremdwörterseuche" eine
höchst verdienstliche Abhandlung des Herrn Hera. Riegel, die ich
mit großem Interesse gelesen habe und von der nnr zu wünschen
ist, daß sie allseitig nach Gebühr gewürdigt werden möchte. Freilich,
gut Ding will Weile haben, und der Herr Verfasser ist auch nichts
weniger als hoffnungsvoll, daß es mit der Reinigung unsrer Sprache von Fremd¬
wörtern schnell von statten gehen werde, manche derselben sind uns ja auch kaum
entbehrlich. Aber wenn die öffentlichen Behörden, die Schulen u. s. w. in seinem
Sinne vorgehen, dann wird eine Wendung zum Bessern sicher nicht ausbleiben.
Ani wirksamsten würde die Sache ohne Zweifel durch die Tagespresse gefördert
werden, falls sie, die gerade durch den übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern
vielfach sündigt, wenigstens in ihren Leitartikeln sich einer Besserung befleißigte.


Austriacismen.

fallen ist? Die dritte Freskenreihe, welche die Baukunst des Mittelalters ver¬
tritt, ist ungleich besser geraten. Auf dem Riugthurme einer Burg sitzt die
Patronin des Mittelalters, Maria mit dem Kinde. Dann sieht man einen
Mönch im Kreuzgange eines romanischen Klosters, welcher an einer Wandmalerei
beschäftigt ist, während der Bruder Architekt seinem Werke zuschaut, und zum
dritten ist das Rüstfest eines gothischen Domes geschildert, von dessen Höhe
herab der Baumeister, umgeben von den Würdenträgern der Kirche und seinen
Bauleuten, das Römerglas zur Weihe herabwirft. Diese Komposition steht in
ihrer lebhaften Frische und in ihrer überzeugenden Wahrheit dem Renaissanee-
bilde am nächsten.

Hinsichtlich des Kolorits hat Prell der Freskotechnik alle nur möglichen
Effekte abgezwungen. Aber trotz seiner Bemühungen hat er der Freskomalerei
den kühlen, starren Ton nicht nehmen können, der ihr nun einmal anhaftet,
wenigstens in unserm Klima, wo das Sonnenlicht selbst im Hochsommer nicht
so intensiv und gleichsam die Farbe verstärkend wirkt wie in Italien. Wenn
man dabei auf den alten Grundsatz weist, daß sich die dekorative oder monu¬
mentale Malerei durch die Bescheidenheit des Tones der Architektur unterordnen
muß, so darf man auf der andern Seite nicht vergessen, daß seit der Zeit, wo
man jenes Dogma zuerst ausstellte, auch die Architektur ganz anders in die
Farbe gegangen ist, und daß ihr die Malerei, wenn auch immer noch in gewisser
Entfernung, auf diesem Wege folgen muß. Ob das mit Hilfe der Freskotechnik
zu erreichen ist, scheint mir zweifelhaft. Eine vollkommen stichhaltige Probe
hat dagegen die Wachsmalerei abgelegt, in welcher der dritte der monumentalen
Cyklen, mit dem wir uns noch beschäftigen wollten, der Bilderschmuck des Er¬
furter Rathauses, ausgeführt ist. (Schluß folgt.)




Austriacismen.

le Nummern 43, 49 und 50 des vorigen Jahrgangs der Grenz¬
boten enthalten unter der Überschrift „Fremdwörterseuche" eine
höchst verdienstliche Abhandlung des Herrn Hera. Riegel, die ich
mit großem Interesse gelesen habe und von der nnr zu wünschen
ist, daß sie allseitig nach Gebühr gewürdigt werden möchte. Freilich,
gut Ding will Weile haben, und der Herr Verfasser ist auch nichts
weniger als hoffnungsvoll, daß es mit der Reinigung unsrer Sprache von Fremd¬
wörtern schnell von statten gehen werde, manche derselben sind uns ja auch kaum
entbehrlich. Aber wenn die öffentlichen Behörden, die Schulen u. s. w. in seinem
Sinne vorgehen, dann wird eine Wendung zum Bessern sicher nicht ausbleiben.
Ani wirksamsten würde die Sache ohne Zweifel durch die Tagespresse gefördert
werden, falls sie, die gerade durch den übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern
vielfach sündigt, wenigstens in ihren Leitartikeln sich einer Besserung befleißigte.


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[0104] Austriacismen. fallen ist? Die dritte Freskenreihe, welche die Baukunst des Mittelalters ver¬ tritt, ist ungleich besser geraten. Auf dem Riugthurme einer Burg sitzt die Patronin des Mittelalters, Maria mit dem Kinde. Dann sieht man einen Mönch im Kreuzgange eines romanischen Klosters, welcher an einer Wandmalerei beschäftigt ist, während der Bruder Architekt seinem Werke zuschaut, und zum dritten ist das Rüstfest eines gothischen Domes geschildert, von dessen Höhe herab der Baumeister, umgeben von den Würdenträgern der Kirche und seinen Bauleuten, das Römerglas zur Weihe herabwirft. Diese Komposition steht in ihrer lebhaften Frische und in ihrer überzeugenden Wahrheit dem Renaissanee- bilde am nächsten. Hinsichtlich des Kolorits hat Prell der Freskotechnik alle nur möglichen Effekte abgezwungen. Aber trotz seiner Bemühungen hat er der Freskomalerei den kühlen, starren Ton nicht nehmen können, der ihr nun einmal anhaftet, wenigstens in unserm Klima, wo das Sonnenlicht selbst im Hochsommer nicht so intensiv und gleichsam die Farbe verstärkend wirkt wie in Italien. Wenn man dabei auf den alten Grundsatz weist, daß sich die dekorative oder monu¬ mentale Malerei durch die Bescheidenheit des Tones der Architektur unterordnen muß, so darf man auf der andern Seite nicht vergessen, daß seit der Zeit, wo man jenes Dogma zuerst ausstellte, auch die Architektur ganz anders in die Farbe gegangen ist, und daß ihr die Malerei, wenn auch immer noch in gewisser Entfernung, auf diesem Wege folgen muß. Ob das mit Hilfe der Freskotechnik zu erreichen ist, scheint mir zweifelhaft. Eine vollkommen stichhaltige Probe hat dagegen die Wachsmalerei abgelegt, in welcher der dritte der monumentalen Cyklen, mit dem wir uns noch beschäftigen wollten, der Bilderschmuck des Er¬ furter Rathauses, ausgeführt ist. (Schluß folgt.) Austriacismen. le Nummern 43, 49 und 50 des vorigen Jahrgangs der Grenz¬ boten enthalten unter der Überschrift „Fremdwörterseuche" eine höchst verdienstliche Abhandlung des Herrn Hera. Riegel, die ich mit großem Interesse gelesen habe und von der nnr zu wünschen ist, daß sie allseitig nach Gebühr gewürdigt werden möchte. Freilich, gut Ding will Weile haben, und der Herr Verfasser ist auch nichts weniger als hoffnungsvoll, daß es mit der Reinigung unsrer Sprache von Fremd¬ wörtern schnell von statten gehen werde, manche derselben sind uns ja auch kaum entbehrlich. Aber wenn die öffentlichen Behörden, die Schulen u. s. w. in seinem Sinne vorgehen, dann wird eine Wendung zum Bessern sicher nicht ausbleiben. Ani wirksamsten würde die Sache ohne Zweifel durch die Tagespresse gefördert werden, falls sie, die gerade durch den übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern vielfach sündigt, wenigstens in ihren Leitartikeln sich einer Besserung befleißigte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/104>, abgerufen am 06.05.2024.