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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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unnötig ist, zur Beschleunigung eines unausbleiblichen Naturprozcsses uoch be¬
sondre Anstrengungen zu machen. Es kann sich nur um solche Kunsterzeugnisse
handeln, denen die Kraft innewohnt, zu wirken und nachhaltigen Eindruck, sei
es in gutem oder in schlechtem Sinne, hervorzubringen.




Die Landtagswahlen in ZVürtemberg.

as Ergebnis der Wahlen zu unsrer Abgeordnetenkammer, welche
am 20. Dezember stattgefunden haben, liegt, nachdem auch die
erforderlichen Stichwahlen am 2. Januar erfolgt sind, mit Aus¬
nahme einer notwendigen Neuwahl, bei welcher übrigens ein demo¬
kratischer Kandidat nicht in Betracht kommen wird, nunmehr
vollständig vor und bekundet eine eklatante Niederlage der Demokraten. Von
70 Sitzen hat die konservativ-nationale Partei 44 errungen, 4 Wilde sind ihrem
bisherigen Verhalten nach ohne Zweifel ebenfalls den Ordnungsparteien zuzu¬
zählen, 21 Sitze sind den Demokraten zugefallen. Ist nun schon die Zahl der
demokratischen Mitglieder eine geringe, so wird die Niederlage dieser Partei da¬
durch noch viel empfindlicher, daß von den sämtlichen Führern derselben auch
nicht ein einziger gewählt worden ist, die Herren Karl Mayer, Payer, Retter,
Sigmund Schott sind, ihrer vermeintlichen Unbesiegbarkeit zum Trotze, in Be¬
zirken durchgefallen, in welchen ihre Aussichten die denkbar günstigsten zu sein
schienen; so hat der Hauptagitator Mäher in seiner Vaterstadt Eßlingen, für
welche ein Landgericht zu erringen während der letzten Landtagsperiode er sich
alle Mühe gegeben hatte, nur 1347 Stimmen erhalte", während auf den Fa¬
brikanten v. Keßler 3426, auf den sozialdemokratischen Gemeinderat Kauffmann
620 Stimmen fielen. Die Bestürzung im Lager der Demokraten war denn
auch anfänglich groß, wie sich aus den Artikeln des Zentralorgans der Volks¬
partei, des Stuttgarter Beobachters, ergiebt, welches die schmerzliche Gewißheit
dieser Partei, schwere Verluste erlitten zu haben, einräumt; und wenn nun auch
nachträglich die demokratische Presse, der Beobachter an der Spitze, den Ein¬
druck, welchen das Ergebnis der Wahlen im ganzen Lande hervorgebracht hat,
dadurch abzuschwächen sucht, daß er das Resultat auf "amtliche Einschüchterung
vor der Wahl, amtliche Beeinflussung am Wahltage, amtliche Ungesetzlichkeit
während der Wahlhandlung" zurückführen will, so sind doch diese Redensarten
der Demokraten zu bekannt, um irgend einen vernünftigen Menschen irrezuführen;
in Wirklichkeit ist es zweifellos die bessere Einsicht der Mehrzahl der Wähler


Die Lcindtagswalsien in lviirteml'arg.

unnötig ist, zur Beschleunigung eines unausbleiblichen Naturprozcsses uoch be¬
sondre Anstrengungen zu machen. Es kann sich nur um solche Kunsterzeugnisse
handeln, denen die Kraft innewohnt, zu wirken und nachhaltigen Eindruck, sei
es in gutem oder in schlechtem Sinne, hervorzubringen.




Die Landtagswahlen in ZVürtemberg.

as Ergebnis der Wahlen zu unsrer Abgeordnetenkammer, welche
am 20. Dezember stattgefunden haben, liegt, nachdem auch die
erforderlichen Stichwahlen am 2. Januar erfolgt sind, mit Aus¬
nahme einer notwendigen Neuwahl, bei welcher übrigens ein demo¬
kratischer Kandidat nicht in Betracht kommen wird, nunmehr
vollständig vor und bekundet eine eklatante Niederlage der Demokraten. Von
70 Sitzen hat die konservativ-nationale Partei 44 errungen, 4 Wilde sind ihrem
bisherigen Verhalten nach ohne Zweifel ebenfalls den Ordnungsparteien zuzu¬
zählen, 21 Sitze sind den Demokraten zugefallen. Ist nun schon die Zahl der
demokratischen Mitglieder eine geringe, so wird die Niederlage dieser Partei da¬
durch noch viel empfindlicher, daß von den sämtlichen Führern derselben auch
nicht ein einziger gewählt worden ist, die Herren Karl Mayer, Payer, Retter,
Sigmund Schott sind, ihrer vermeintlichen Unbesiegbarkeit zum Trotze, in Be¬
zirken durchgefallen, in welchen ihre Aussichten die denkbar günstigsten zu sein
schienen; so hat der Hauptagitator Mäher in seiner Vaterstadt Eßlingen, für
welche ein Landgericht zu erringen während der letzten Landtagsperiode er sich
alle Mühe gegeben hatte, nur 1347 Stimmen erhalte», während auf den Fa¬
brikanten v. Keßler 3426, auf den sozialdemokratischen Gemeinderat Kauffmann
620 Stimmen fielen. Die Bestürzung im Lager der Demokraten war denn
auch anfänglich groß, wie sich aus den Artikeln des Zentralorgans der Volks¬
partei, des Stuttgarter Beobachters, ergiebt, welches die schmerzliche Gewißheit
dieser Partei, schwere Verluste erlitten zu haben, einräumt; und wenn nun auch
nachträglich die demokratische Presse, der Beobachter an der Spitze, den Ein¬
druck, welchen das Ergebnis der Wahlen im ganzen Lande hervorgebracht hat,
dadurch abzuschwächen sucht, daß er das Resultat auf „amtliche Einschüchterung
vor der Wahl, amtliche Beeinflussung am Wahltage, amtliche Ungesetzlichkeit
während der Wahlhandlung" zurückführen will, so sind doch diese Redensarten
der Demokraten zu bekannt, um irgend einen vernünftigen Menschen irrezuführen;
in Wirklichkeit ist es zweifellos die bessere Einsicht der Mehrzahl der Wähler


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/157>, abgerufen am 06.05.2024.