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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

aber sicher, die Unklarheit ihres Empfindens hatte dem festen Bewußtsein des
eignen Willens Platz gemacht.

Nach dem Kaffee wurde ein Rundgang durch das Schloß unternommen,
denn es galten ja die Merkwürdigkeiten dieser alten Stammburg für den Haupt¬
grund des Besuches. Dorothea führte und ging mit Dietrich voran. Schon
im Treppenhaus?, dessen hohe Wände mit gigantischen Gemälden bedeckt waren,
gab es einen kleinen Aufenthalt, und dann ließ Dorothea die Thür zur Ge¬
mäldegalerie im obern Stockwerke aufschließen. Ein langer Gang von mehr
als zwanzig Fuß Breite, auf dessen rechter Seite die Bilder ausgehängt waren,
eröffnete sich, und es wehte den Eintretenden eine kühlere Luft und jener eigen¬
tümliche Hauch von Räumen entgegen, welche selten besucht werden. Eine Reihe
von Fenstern, nach Norden gerichtet, alle in tiefen Nischen liegend und mit
grünen Gardinen verhängt, gab der Galerie ihr Licht, und es ragten in der
matten Beleuchtung in weiter Perspektive hier ein Helm, dort ein gespenstisch
weißes Gesicht, dort ein drohender Arm aus schwarzem Hintergrunde hervor.
Der vorauseilende Diener zog die Vorhänge auf Dorotheens Anweisung unter
Berechnung der Lichteffekte teilweise zurück, und nun tauchten aus der geheim¬
nisvollen Dämmerung viele Kriegergestalten und altertümlich gekleidete Frauen¬
figuren zwischen Landschaften, Seestücken. Genrebildern und historischen Ge¬
mälden auf. Die Porträts, zum großen Teil aus der eignen Familie, waren
für den Baron der wertvollste Teil seiner Sammlung, und er war eifrig be¬
müht, der Gräfin Sibylle Aufschluß über Namen und Thaten dieser Herren
und Damen aus alter Zeit zu geben. Dorothea und Graf Dietrich wandten
sich indessen mehr den andern Gegenständen der Sammlung zu, .unter denen
mehrere ältere Meisterwerke sich befanden. Graf Dietrich zeigte ein feines Ver¬
ständnis für die Kunst, und sein Gespräch mit Dorothea ward lebhaft und
eingehend. (Fortsetzung folgt.)









Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Neuduitz-Leipzig.
Die Grafen von Altenschwerdt.

aber sicher, die Unklarheit ihres Empfindens hatte dem festen Bewußtsein des
eignen Willens Platz gemacht.

Nach dem Kaffee wurde ein Rundgang durch das Schloß unternommen,
denn es galten ja die Merkwürdigkeiten dieser alten Stammburg für den Haupt¬
grund des Besuches. Dorothea führte und ging mit Dietrich voran. Schon
im Treppenhaus?, dessen hohe Wände mit gigantischen Gemälden bedeckt waren,
gab es einen kleinen Aufenthalt, und dann ließ Dorothea die Thür zur Ge¬
mäldegalerie im obern Stockwerke aufschließen. Ein langer Gang von mehr
als zwanzig Fuß Breite, auf dessen rechter Seite die Bilder ausgehängt waren,
eröffnete sich, und es wehte den Eintretenden eine kühlere Luft und jener eigen¬
tümliche Hauch von Räumen entgegen, welche selten besucht werden. Eine Reihe
von Fenstern, nach Norden gerichtet, alle in tiefen Nischen liegend und mit
grünen Gardinen verhängt, gab der Galerie ihr Licht, und es ragten in der
matten Beleuchtung in weiter Perspektive hier ein Helm, dort ein gespenstisch
weißes Gesicht, dort ein drohender Arm aus schwarzem Hintergrunde hervor.
Der vorauseilende Diener zog die Vorhänge auf Dorotheens Anweisung unter
Berechnung der Lichteffekte teilweise zurück, und nun tauchten aus der geheim¬
nisvollen Dämmerung viele Kriegergestalten und altertümlich gekleidete Frauen¬
figuren zwischen Landschaften, Seestücken. Genrebildern und historischen Ge¬
mälden auf. Die Porträts, zum großen Teil aus der eignen Familie, waren
für den Baron der wertvollste Teil seiner Sammlung, und er war eifrig be¬
müht, der Gräfin Sibylle Aufschluß über Namen und Thaten dieser Herren
und Damen aus alter Zeit zu geben. Dorothea und Graf Dietrich wandten
sich indessen mehr den andern Gegenständen der Sammlung zu, .unter denen
mehrere ältere Meisterwerke sich befanden. Graf Dietrich zeigte ein feines Ver¬
ständnis für die Kunst, und sein Gespräch mit Dorothea ward lebhaft und
eingehend. (Fortsetzung folgt.)









Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Neuduitz-Leipzig.
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[0716] Die Grafen von Altenschwerdt. aber sicher, die Unklarheit ihres Empfindens hatte dem festen Bewußtsein des eignen Willens Platz gemacht. Nach dem Kaffee wurde ein Rundgang durch das Schloß unternommen, denn es galten ja die Merkwürdigkeiten dieser alten Stammburg für den Haupt¬ grund des Besuches. Dorothea führte und ging mit Dietrich voran. Schon im Treppenhaus?, dessen hohe Wände mit gigantischen Gemälden bedeckt waren, gab es einen kleinen Aufenthalt, und dann ließ Dorothea die Thür zur Ge¬ mäldegalerie im obern Stockwerke aufschließen. Ein langer Gang von mehr als zwanzig Fuß Breite, auf dessen rechter Seite die Bilder ausgehängt waren, eröffnete sich, und es wehte den Eintretenden eine kühlere Luft und jener eigen¬ tümliche Hauch von Räumen entgegen, welche selten besucht werden. Eine Reihe von Fenstern, nach Norden gerichtet, alle in tiefen Nischen liegend und mit grünen Gardinen verhängt, gab der Galerie ihr Licht, und es ragten in der matten Beleuchtung in weiter Perspektive hier ein Helm, dort ein gespenstisch weißes Gesicht, dort ein drohender Arm aus schwarzem Hintergrunde hervor. Der vorauseilende Diener zog die Vorhänge auf Dorotheens Anweisung unter Berechnung der Lichteffekte teilweise zurück, und nun tauchten aus der geheim¬ nisvollen Dämmerung viele Kriegergestalten und altertümlich gekleidete Frauen¬ figuren zwischen Landschaften, Seestücken. Genrebildern und historischen Ge¬ mälden auf. Die Porträts, zum großen Teil aus der eignen Familie, waren für den Baron der wertvollste Teil seiner Sammlung, und er war eifrig be¬ müht, der Gräfin Sibylle Aufschluß über Namen und Thaten dieser Herren und Damen aus alter Zeit zu geben. Dorothea und Graf Dietrich wandten sich indessen mehr den andern Gegenständen der Sammlung zu, .unter denen mehrere ältere Meisterwerke sich befanden. Graf Dietrich zeigte ein feines Ver¬ ständnis für die Kunst, und sein Gespräch mit Dorothea ward lebhaft und eingehend. (Fortsetzung folgt.) Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Neuduitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/716>, abgerufen am 06.05.2024.