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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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j)ompejanische Spaziergänge.

wie sie das Wesen der moderne" Naturwissenschaft ist, findet hier ihre Grenze,
sie hat garnicht die Aufgabe, sich mit diesem Plane zu beschäftigen. Vielmehr
ist dies die Pflicht der Metaphysik, welche ihn nicht betrachtet unter dem
Gesichtspunkte relativer Notwendigkeit, sondern im Zusammenhange mit dem großen
Ganzen, das sie als System nun aufbauen mag wie sie will, auf realistischen
oder idealistischen Grundlagen. So ist die Frage nach dem Ursprung und der
Bedeutung des Lebens nach wie vor nicht ein naturwissenschaftliches, sondern
ein metaphysisches Problem.




pompejanische SpaziergänHe.
von Tudwig Meyer. 3.

as uns in den Häusern Pompejis besonders beneidenswert erscheint,
das sind die Malereien, welche fast alle ihre Wände bedecken. Sie
erregen das Staunen und die Bewunderung aller Besucher. Es
genügt aber nicht, sie im Vorübergehen zu betrachten, wie es in
der Regel geschieht. Wollen wir von ihnen mehr als bloß eine"
flüchtigen Eindruck davontragen, so müssen wir die Männer befragen, welche,
durch ihre früheren Studien auf ihr Verständnis vorbereitet, sich eingehend mit
ihnen beschäftigt haben. Es gilt eben, etwas schärfer zu beobachten; nur unter
dieser Bedingung werden wir sie gehörig würdigen, uns eine vollständigere Ein¬
sicht in ihr Wesen verschaffen und aus ihrer Betrachtung einige sichere Begriffe
von dem Charakter und der Geschichte der alten Kunst gewinnen können.

Ein Kenner, dessen Zuständigkeit auf diesem Felde von niemand bestritten
wird, ist Wolfgang Helbig. Die Wandgemälde von Herculaneum und Pompeji
hat wohl niemand eingehender studirt als er. Die Früchte dieser Studien hat
er in zwei Büchern, die einander ergänzen, niedergelegt. Das erste ist ein
vollständiges Verzeichnis der Wandgemälde, die so genau als möglich beschrieben
und nach ihrem Gegenstände, wenn dieser bestimmt werden kann, klassifizirt
werden.*) In dem andern Buche behandelt der Verfasser alle durch diese Male¬
reien angeregten Fragen; insbesondre untersucht er die Frage, inwieweit die
Künstler, welche die Urheber dieser Werke waren, selbständige und originale Er-



*) Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Cmnvcmiens. Leipzig, 1868.
j)ompejanische Spaziergänge.

wie sie das Wesen der moderne» Naturwissenschaft ist, findet hier ihre Grenze,
sie hat garnicht die Aufgabe, sich mit diesem Plane zu beschäftigen. Vielmehr
ist dies die Pflicht der Metaphysik, welche ihn nicht betrachtet unter dem
Gesichtspunkte relativer Notwendigkeit, sondern im Zusammenhange mit dem großen
Ganzen, das sie als System nun aufbauen mag wie sie will, auf realistischen
oder idealistischen Grundlagen. So ist die Frage nach dem Ursprung und der
Bedeutung des Lebens nach wie vor nicht ein naturwissenschaftliches, sondern
ein metaphysisches Problem.




pompejanische SpaziergänHe.
von Tudwig Meyer. 3.

as uns in den Häusern Pompejis besonders beneidenswert erscheint,
das sind die Malereien, welche fast alle ihre Wände bedecken. Sie
erregen das Staunen und die Bewunderung aller Besucher. Es
genügt aber nicht, sie im Vorübergehen zu betrachten, wie es in
der Regel geschieht. Wollen wir von ihnen mehr als bloß eine»
flüchtigen Eindruck davontragen, so müssen wir die Männer befragen, welche,
durch ihre früheren Studien auf ihr Verständnis vorbereitet, sich eingehend mit
ihnen beschäftigt haben. Es gilt eben, etwas schärfer zu beobachten; nur unter
dieser Bedingung werden wir sie gehörig würdigen, uns eine vollständigere Ein¬
sicht in ihr Wesen verschaffen und aus ihrer Betrachtung einige sichere Begriffe
von dem Charakter und der Geschichte der alten Kunst gewinnen können.

Ein Kenner, dessen Zuständigkeit auf diesem Felde von niemand bestritten
wird, ist Wolfgang Helbig. Die Wandgemälde von Herculaneum und Pompeji
hat wohl niemand eingehender studirt als er. Die Früchte dieser Studien hat
er in zwei Büchern, die einander ergänzen, niedergelegt. Das erste ist ein
vollständiges Verzeichnis der Wandgemälde, die so genau als möglich beschrieben
und nach ihrem Gegenstände, wenn dieser bestimmt werden kann, klassifizirt
werden.*) In dem andern Buche behandelt der Verfasser alle durch diese Male¬
reien angeregten Fragen; insbesondre untersucht er die Frage, inwieweit die
Künstler, welche die Urheber dieser Werke waren, selbständige und originale Er-



*) Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Cmnvcmiens. Leipzig, 1868.
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[0298] j)ompejanische Spaziergänge. wie sie das Wesen der moderne» Naturwissenschaft ist, findet hier ihre Grenze, sie hat garnicht die Aufgabe, sich mit diesem Plane zu beschäftigen. Vielmehr ist dies die Pflicht der Metaphysik, welche ihn nicht betrachtet unter dem Gesichtspunkte relativer Notwendigkeit, sondern im Zusammenhange mit dem großen Ganzen, das sie als System nun aufbauen mag wie sie will, auf realistischen oder idealistischen Grundlagen. So ist die Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung des Lebens nach wie vor nicht ein naturwissenschaftliches, sondern ein metaphysisches Problem. pompejanische SpaziergänHe. von Tudwig Meyer. 3. as uns in den Häusern Pompejis besonders beneidenswert erscheint, das sind die Malereien, welche fast alle ihre Wände bedecken. Sie erregen das Staunen und die Bewunderung aller Besucher. Es genügt aber nicht, sie im Vorübergehen zu betrachten, wie es in der Regel geschieht. Wollen wir von ihnen mehr als bloß eine» flüchtigen Eindruck davontragen, so müssen wir die Männer befragen, welche, durch ihre früheren Studien auf ihr Verständnis vorbereitet, sich eingehend mit ihnen beschäftigt haben. Es gilt eben, etwas schärfer zu beobachten; nur unter dieser Bedingung werden wir sie gehörig würdigen, uns eine vollständigere Ein¬ sicht in ihr Wesen verschaffen und aus ihrer Betrachtung einige sichere Begriffe von dem Charakter und der Geschichte der alten Kunst gewinnen können. Ein Kenner, dessen Zuständigkeit auf diesem Felde von niemand bestritten wird, ist Wolfgang Helbig. Die Wandgemälde von Herculaneum und Pompeji hat wohl niemand eingehender studirt als er. Die Früchte dieser Studien hat er in zwei Büchern, die einander ergänzen, niedergelegt. Das erste ist ein vollständiges Verzeichnis der Wandgemälde, die so genau als möglich beschrieben und nach ihrem Gegenstände, wenn dieser bestimmt werden kann, klassifizirt werden.*) In dem andern Buche behandelt der Verfasser alle durch diese Male¬ reien angeregten Fragen; insbesondre untersucht er die Frage, inwieweit die Künstler, welche die Urheber dieser Werke waren, selbständige und originale Er- *) Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Cmnvcmiens. Leipzig, 1868.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/298>, abgerufen am 05.05.2024.