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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Bewegungen im deutschen Buchhandel.
(Schluß,)

in großer Teil der deutschen Buchhändler -- und zwar der ge¬
wichtigste, da er fast vollständig die Produzenten, also die Ver¬
leger, umschließt -- ist schou seit langer Zeit im Börsenvereiu
zu einer Korporation zusammengetreten, und dieser allein hat
bisher in thatkräftiger und segensreicher Weise die Leitung der
Interessen des Gesamtstaudes wahrgenommen. Jedoch hauptsächlich nur nach
außen hin (z. B, durch Mitwirkung bei den Literarkonventivnen, der Gesetz¬
gebung bez. des Autorrechts und der Presse ?e.); auf die innere Entwicklung
des Standes konnte er nur mittelbar einwirken aus dem einfachen Grunde, weil
eben nur ein Teil desselben zu seiner Mitgliedschaft gehörte. Es ist eine seltsame
Erscheinung, aber eine ächt deutsche, daß es einer Korporation, die die Ver¬
tretung der Standesgeuvssenschaft auf ihre Fahne schrieb und jeder Zeit wacker
und erfolgreich durchführte, uicht imstande war, auch wirklich alle Berufsge-
nossen in sich zu vereinigen. Neben ihr gab es schon lange eine Anzahl von
Platz- und Provinzialvereinen, die entsprechende Jnteresfenverfolgungen
zum Zweck hatten, und von diesen war der wichtigste und neben dem Börsen¬
verein in hervorragender Weise eine selbständige Rolle spielende -- mit ihm in
vielfacher Wechselbeziehung stehend -- der der Buchhändler Leipzigs, welcher
der Hüter aller mit der Eigentümlichkeit des buchhändlerischen Zentralverkehrs¬
platzes zusammenhängenden, dem Gesamtstande dienenden Einrichtungen seit nun¬
mehr fünfzig Jahren war und ist.

In die Ruhe dieser lange ohne Störung neben einander und mit einander
wirkenden Gesellschaften brachte nun das 50 Pfennigpacket eine Bewegung, die nach
und nach so bedeutende Schwankungen hervorrief, daß selbst der Bestand des ehr¬
würdigen Börsenvereins in Gefahr zu geraten schien, und dies geschah folgender¬
maßen. Die Sortimenter, denen nach und nach das Wasser der Schleuderet
an die Kehle stieg, wie es im ersten Artikel gezeigt wurde, standen in Menge
auf und bildeten in dem Verband der Provinzial- und Lokalvereine eine
geschlossne Vereinigung, welcher außer den alten, schon lange bestehenden eine
Reihe von neubegründeten Vereinen beitrat, und welche zum Kampf ums
Dasein das Banner gegen die Schleudern erhob. In Leipzig besonders
hatten sich infolge der günstigen Platzverhältnisse -- es ist ja der Stapel-
und Durchgangsplatz des größten Teils der buchhändlerischen Waare --
die Schleudergeschäfte aufgethan, und infolge dessen richtete sich die Spitze
der Sortimenterbewegung gegen den Platz Leipzig überhaupt. Bon dem Ver-


Bewegungen im deutschen Buchhandel.
(Schluß,)

in großer Teil der deutschen Buchhändler — und zwar der ge¬
wichtigste, da er fast vollständig die Produzenten, also die Ver¬
leger, umschließt — ist schou seit langer Zeit im Börsenvereiu
zu einer Korporation zusammengetreten, und dieser allein hat
bisher in thatkräftiger und segensreicher Weise die Leitung der
Interessen des Gesamtstaudes wahrgenommen. Jedoch hauptsächlich nur nach
außen hin (z. B, durch Mitwirkung bei den Literarkonventivnen, der Gesetz¬
gebung bez. des Autorrechts und der Presse ?e.); auf die innere Entwicklung
des Standes konnte er nur mittelbar einwirken aus dem einfachen Grunde, weil
eben nur ein Teil desselben zu seiner Mitgliedschaft gehörte. Es ist eine seltsame
Erscheinung, aber eine ächt deutsche, daß es einer Korporation, die die Ver¬
tretung der Standesgeuvssenschaft auf ihre Fahne schrieb und jeder Zeit wacker
und erfolgreich durchführte, uicht imstande war, auch wirklich alle Berufsge-
nossen in sich zu vereinigen. Neben ihr gab es schon lange eine Anzahl von
Platz- und Provinzialvereinen, die entsprechende Jnteresfenverfolgungen
zum Zweck hatten, und von diesen war der wichtigste und neben dem Börsen¬
verein in hervorragender Weise eine selbständige Rolle spielende — mit ihm in
vielfacher Wechselbeziehung stehend — der der Buchhändler Leipzigs, welcher
der Hüter aller mit der Eigentümlichkeit des buchhändlerischen Zentralverkehrs¬
platzes zusammenhängenden, dem Gesamtstande dienenden Einrichtungen seit nun¬
mehr fünfzig Jahren war und ist.

In die Ruhe dieser lange ohne Störung neben einander und mit einander
wirkenden Gesellschaften brachte nun das 50 Pfennigpacket eine Bewegung, die nach
und nach so bedeutende Schwankungen hervorrief, daß selbst der Bestand des ehr¬
würdigen Börsenvereins in Gefahr zu geraten schien, und dies geschah folgender¬
maßen. Die Sortimenter, denen nach und nach das Wasser der Schleuderet
an die Kehle stieg, wie es im ersten Artikel gezeigt wurde, standen in Menge
auf und bildeten in dem Verband der Provinzial- und Lokalvereine eine
geschlossne Vereinigung, welcher außer den alten, schon lange bestehenden eine
Reihe von neubegründeten Vereinen beitrat, und welche zum Kampf ums
Dasein das Banner gegen die Schleudern erhob. In Leipzig besonders
hatten sich infolge der günstigen Platzverhältnisse — es ist ja der Stapel-
und Durchgangsplatz des größten Teils der buchhändlerischen Waare —
die Schleudergeschäfte aufgethan, und infolge dessen richtete sich die Spitze
der Sortimenterbewegung gegen den Platz Leipzig überhaupt. Bon dem Ver-


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[0504] Bewegungen im deutschen Buchhandel. (Schluß,) in großer Teil der deutschen Buchhändler — und zwar der ge¬ wichtigste, da er fast vollständig die Produzenten, also die Ver¬ leger, umschließt — ist schou seit langer Zeit im Börsenvereiu zu einer Korporation zusammengetreten, und dieser allein hat bisher in thatkräftiger und segensreicher Weise die Leitung der Interessen des Gesamtstaudes wahrgenommen. Jedoch hauptsächlich nur nach außen hin (z. B, durch Mitwirkung bei den Literarkonventivnen, der Gesetz¬ gebung bez. des Autorrechts und der Presse ?e.); auf die innere Entwicklung des Standes konnte er nur mittelbar einwirken aus dem einfachen Grunde, weil eben nur ein Teil desselben zu seiner Mitgliedschaft gehörte. Es ist eine seltsame Erscheinung, aber eine ächt deutsche, daß es einer Korporation, die die Ver¬ tretung der Standesgeuvssenschaft auf ihre Fahne schrieb und jeder Zeit wacker und erfolgreich durchführte, uicht imstande war, auch wirklich alle Berufsge- nossen in sich zu vereinigen. Neben ihr gab es schon lange eine Anzahl von Platz- und Provinzialvereinen, die entsprechende Jnteresfenverfolgungen zum Zweck hatten, und von diesen war der wichtigste und neben dem Börsen¬ verein in hervorragender Weise eine selbständige Rolle spielende — mit ihm in vielfacher Wechselbeziehung stehend — der der Buchhändler Leipzigs, welcher der Hüter aller mit der Eigentümlichkeit des buchhändlerischen Zentralverkehrs¬ platzes zusammenhängenden, dem Gesamtstande dienenden Einrichtungen seit nun¬ mehr fünfzig Jahren war und ist. In die Ruhe dieser lange ohne Störung neben einander und mit einander wirkenden Gesellschaften brachte nun das 50 Pfennigpacket eine Bewegung, die nach und nach so bedeutende Schwankungen hervorrief, daß selbst der Bestand des ehr¬ würdigen Börsenvereins in Gefahr zu geraten schien, und dies geschah folgender¬ maßen. Die Sortimenter, denen nach und nach das Wasser der Schleuderet an die Kehle stieg, wie es im ersten Artikel gezeigt wurde, standen in Menge auf und bildeten in dem Verband der Provinzial- und Lokalvereine eine geschlossne Vereinigung, welcher außer den alten, schon lange bestehenden eine Reihe von neubegründeten Vereinen beitrat, und welche zum Kampf ums Dasein das Banner gegen die Schleudern erhob. In Leipzig besonders hatten sich infolge der günstigen Platzverhältnisse — es ist ja der Stapel- und Durchgangsplatz des größten Teils der buchhändlerischen Waare — die Schleudergeschäfte aufgethan, und infolge dessen richtete sich die Spitze der Sortimenterbewegung gegen den Platz Leipzig überhaupt. Bon dem Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/504>, abgerufen am 05.05.2024.