Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Auslegung Kants.

welche meist erst in ferner Zukunft zu erfüllen siud, und für deren Erfüllung
nur eine sehr schwierige, auf verwickelten Verhältnissen beruhende Berechnung
eine gewisse Garantie zu geben vermag. Eine Anstellung oder auch nur eine
Nachprüfung dieser Berechnung vorzunehmen, ist die große Mehrzahl der Ver¬
sicherungsnehmer gänzlich außer Stande. Ob und inwieweit es möglich sein
würde, auch in dieser ^ eziehung ihnen einen gewissen staatlichen Schutz ange-
deihen zu lassen, soll hier nicht erörtert werden. Thatsache aber ist es, daß,
wie die Dinge liegen, Versicherungsverträge dieser Art mit ihren oft großen Opfern
meistens in einem völlig blinden Vertrauen -- wenn auch solches zur Zeit die
leitenden Persönlichkeiten Wohl verdienen mögen -- von den Versicherungs¬
nehmern eingegangen werden.

Art. 4 Ur. 1 der Reichsverfassung verweist das Versicherungswesen zu
der ordentlichen Zuständigkeit des Reiches. Wenn im Hinblick hierauf der Reichs¬
kanzler es unternommen hat, die Verhältnisse der Versicherungsgesellschaften
-- wir vermuten, für den Zweck einer demnächstigen Gesetzgebung -- einer
näheren Erforschung zu unterziehen, so ist ihm dafür Deutschland nur zu neuem
Danke verpflichtet.




Zur Auslegung Kants.
Entgegnung.

wei Jahre etwa sind verflossen, seit ich es unternahm, das
"Werkchen" oder "Büchlein," wie es von Fachgenossen neuer¬
dings genannt worden ist, die "Populäre Darstellung der Kritik
der reinen Vernunft" von Albrecht Krause in diesen Blättern an¬
zuzeigen und zu besprechen; und seitdem habe ich in verschiednen
andern Artikeln, die Herr Professor Rudolph Seydel in seinem Angriff "Zur
Auslegung Kants" meistenteils aufzählt, den Standpunkt Krauses weiter ver¬
treten. Diese Artikel, sowie eine Reihe anderweitig veröffentlichter Arbeiten in
derselben Richtung sind im allgemeinen ziemlich unbemerkt geblieben, sei es, daß
die Fachkenner den wesentlichen Unterschied zwischen dem hier vertretenen und
dem sonst allgemein in der Kantauslegung herrschenden Standpunkte nicht be¬
merken konnten oder daß sie ihn nicht bemerken wollten. Jetzt endlich ist ein
Angriff erfolgt, und wir sind Herrn Professor Seydel zu großem Dank ver¬
pflichtet, daß er einmal alles zusammengestellt hat, was sich zur Verteidigung
des alten und zur Widerlegung des neuen Standpunktes sagen läßt, und uns


Zur Auslegung Kants.

welche meist erst in ferner Zukunft zu erfüllen siud, und für deren Erfüllung
nur eine sehr schwierige, auf verwickelten Verhältnissen beruhende Berechnung
eine gewisse Garantie zu geben vermag. Eine Anstellung oder auch nur eine
Nachprüfung dieser Berechnung vorzunehmen, ist die große Mehrzahl der Ver¬
sicherungsnehmer gänzlich außer Stande. Ob und inwieweit es möglich sein
würde, auch in dieser ^ eziehung ihnen einen gewissen staatlichen Schutz ange-
deihen zu lassen, soll hier nicht erörtert werden. Thatsache aber ist es, daß,
wie die Dinge liegen, Versicherungsverträge dieser Art mit ihren oft großen Opfern
meistens in einem völlig blinden Vertrauen — wenn auch solches zur Zeit die
leitenden Persönlichkeiten Wohl verdienen mögen — von den Versicherungs¬
nehmern eingegangen werden.

Art. 4 Ur. 1 der Reichsverfassung verweist das Versicherungswesen zu
der ordentlichen Zuständigkeit des Reiches. Wenn im Hinblick hierauf der Reichs¬
kanzler es unternommen hat, die Verhältnisse der Versicherungsgesellschaften
— wir vermuten, für den Zweck einer demnächstigen Gesetzgebung — einer
näheren Erforschung zu unterziehen, so ist ihm dafür Deutschland nur zu neuem
Danke verpflichtet.




Zur Auslegung Kants.
Entgegnung.

wei Jahre etwa sind verflossen, seit ich es unternahm, das
„Werkchen" oder „Büchlein," wie es von Fachgenossen neuer¬
dings genannt worden ist, die „Populäre Darstellung der Kritik
der reinen Vernunft" von Albrecht Krause in diesen Blättern an¬
zuzeigen und zu besprechen; und seitdem habe ich in verschiednen
andern Artikeln, die Herr Professor Rudolph Seydel in seinem Angriff „Zur
Auslegung Kants" meistenteils aufzählt, den Standpunkt Krauses weiter ver¬
treten. Diese Artikel, sowie eine Reihe anderweitig veröffentlichter Arbeiten in
derselben Richtung sind im allgemeinen ziemlich unbemerkt geblieben, sei es, daß
die Fachkenner den wesentlichen Unterschied zwischen dem hier vertretenen und
dem sonst allgemein in der Kantauslegung herrschenden Standpunkte nicht be¬
merken konnten oder daß sie ihn nicht bemerken wollten. Jetzt endlich ist ein
Angriff erfolgt, und wir sind Herrn Professor Seydel zu großem Dank ver¬
pflichtet, daß er einmal alles zusammengestellt hat, was sich zur Verteidigung
des alten und zur Widerlegung des neuen Standpunktes sagen läßt, und uns


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0658" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153407"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Auslegung Kants.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2539" prev="#ID_2538"> welche meist erst in ferner Zukunft zu erfüllen siud, und für deren Erfüllung<lb/>
nur eine sehr schwierige, auf verwickelten Verhältnissen beruhende Berechnung<lb/>
eine gewisse Garantie zu geben vermag. Eine Anstellung oder auch nur eine<lb/>
Nachprüfung dieser Berechnung vorzunehmen, ist die große Mehrzahl der Ver¬<lb/>
sicherungsnehmer gänzlich außer Stande. Ob und inwieweit es möglich sein<lb/>
würde, auch in dieser ^ eziehung ihnen einen gewissen staatlichen Schutz ange-<lb/>
deihen zu lassen, soll hier nicht erörtert werden. Thatsache aber ist es, daß,<lb/>
wie die Dinge liegen, Versicherungsverträge dieser Art mit ihren oft großen Opfern<lb/>
meistens in einem völlig blinden Vertrauen &#x2014; wenn auch solches zur Zeit die<lb/>
leitenden Persönlichkeiten Wohl verdienen mögen &#x2014; von den Versicherungs¬<lb/>
nehmern eingegangen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2540"> Art. 4 Ur. 1 der Reichsverfassung verweist das Versicherungswesen zu<lb/>
der ordentlichen Zuständigkeit des Reiches. Wenn im Hinblick hierauf der Reichs¬<lb/>
kanzler es unternommen hat, die Verhältnisse der Versicherungsgesellschaften<lb/>
&#x2014; wir vermuten, für den Zweck einer demnächstigen Gesetzgebung &#x2014; einer<lb/>
näheren Erforschung zu unterziehen, so ist ihm dafür Deutschland nur zu neuem<lb/>
Danke verpflichtet.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Auslegung Kants.<lb/>
Entgegnung.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2541" next="#ID_2542"> wei Jahre etwa sind verflossen, seit ich es unternahm, das<lb/>
&#x201E;Werkchen" oder &#x201E;Büchlein," wie es von Fachgenossen neuer¬<lb/>
dings genannt worden ist, die &#x201E;Populäre Darstellung der Kritik<lb/>
der reinen Vernunft" von Albrecht Krause in diesen Blättern an¬<lb/>
zuzeigen und zu besprechen; und seitdem habe ich in verschiednen<lb/>
andern Artikeln, die Herr Professor Rudolph Seydel in seinem Angriff &#x201E;Zur<lb/>
Auslegung Kants" meistenteils aufzählt, den Standpunkt Krauses weiter ver¬<lb/>
treten. Diese Artikel, sowie eine Reihe anderweitig veröffentlichter Arbeiten in<lb/>
derselben Richtung sind im allgemeinen ziemlich unbemerkt geblieben, sei es, daß<lb/>
die Fachkenner den wesentlichen Unterschied zwischen dem hier vertretenen und<lb/>
dem sonst allgemein in der Kantauslegung herrschenden Standpunkte nicht be¬<lb/>
merken konnten oder daß sie ihn nicht bemerken wollten. Jetzt endlich ist ein<lb/>
Angriff erfolgt, und wir sind Herrn Professor Seydel zu großem Dank ver¬<lb/>
pflichtet, daß er einmal alles zusammengestellt hat, was sich zur Verteidigung<lb/>
des alten und zur Widerlegung des neuen Standpunktes sagen läßt, und uns</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0658] Zur Auslegung Kants. welche meist erst in ferner Zukunft zu erfüllen siud, und für deren Erfüllung nur eine sehr schwierige, auf verwickelten Verhältnissen beruhende Berechnung eine gewisse Garantie zu geben vermag. Eine Anstellung oder auch nur eine Nachprüfung dieser Berechnung vorzunehmen, ist die große Mehrzahl der Ver¬ sicherungsnehmer gänzlich außer Stande. Ob und inwieweit es möglich sein würde, auch in dieser ^ eziehung ihnen einen gewissen staatlichen Schutz ange- deihen zu lassen, soll hier nicht erörtert werden. Thatsache aber ist es, daß, wie die Dinge liegen, Versicherungsverträge dieser Art mit ihren oft großen Opfern meistens in einem völlig blinden Vertrauen — wenn auch solches zur Zeit die leitenden Persönlichkeiten Wohl verdienen mögen — von den Versicherungs¬ nehmern eingegangen werden. Art. 4 Ur. 1 der Reichsverfassung verweist das Versicherungswesen zu der ordentlichen Zuständigkeit des Reiches. Wenn im Hinblick hierauf der Reichs¬ kanzler es unternommen hat, die Verhältnisse der Versicherungsgesellschaften — wir vermuten, für den Zweck einer demnächstigen Gesetzgebung — einer näheren Erforschung zu unterziehen, so ist ihm dafür Deutschland nur zu neuem Danke verpflichtet. Zur Auslegung Kants. Entgegnung. wei Jahre etwa sind verflossen, seit ich es unternahm, das „Werkchen" oder „Büchlein," wie es von Fachgenossen neuer¬ dings genannt worden ist, die „Populäre Darstellung der Kritik der reinen Vernunft" von Albrecht Krause in diesen Blättern an¬ zuzeigen und zu besprechen; und seitdem habe ich in verschiednen andern Artikeln, die Herr Professor Rudolph Seydel in seinem Angriff „Zur Auslegung Kants" meistenteils aufzählt, den Standpunkt Krauses weiter ver¬ treten. Diese Artikel, sowie eine Reihe anderweitig veröffentlichter Arbeiten in derselben Richtung sind im allgemeinen ziemlich unbemerkt geblieben, sei es, daß die Fachkenner den wesentlichen Unterschied zwischen dem hier vertretenen und dem sonst allgemein in der Kantauslegung herrschenden Standpunkte nicht be¬ merken konnten oder daß sie ihn nicht bemerken wollten. Jetzt endlich ist ein Angriff erfolgt, und wir sind Herrn Professor Seydel zu großem Dank ver¬ pflichtet, daß er einmal alles zusammengestellt hat, was sich zur Verteidigung des alten und zur Widerlegung des neuen Standpunktes sagen läßt, und uns

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/658
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/658>, abgerufen am 05.05.2024.