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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Line deutsch-nationale Verslehre.

in dieser neuen Stellung in der Reichshauptstadt. Wieviel er in dieser ver¬
hältnismäßig kurzen Zeit neu geschaffen, wie er dein nationale" Unternehmen
neue Kraft gegeben und doch den alten Geist, der in ihm lebte, unverrückt ge-
gclassen, das hier auch nur annähernd schildern zu wollen, würde Bogen ans
Bogen erfordern.

In rüstiger Kraft, ungeschwächt durch die Jahre, steht der teure Mann
noch heute da. Eine öffentliche Feier seines Geburtsfestes hat er nicht ge¬
wollt. Aber am heutigen Tage hat die dankende Liebe seiner Schüler -- und
sie sind über ganz Deutschland zerstreut -- das Recht, ihm huldigend und glück¬
wünschend zu nahen. Wie es seinem Lehrer Ranke beschieden ist, im höchsten
Greisenalter sich noch des allbelebenden Lichtes der Sonne zu erfreuen, wie von
diesem noch immer die reifsten Früchte literarischen Schaffens uns geboten
werden, so mögen auch Waitz noch eine lange, lange Reihe von Jahren von
dem gnädigen Leiter aller Menschengeschicke bescheert werden. Der Wahlspruch
aber, der unser großes nationales Quellenwerk ziert, der des Jünglings Sinn
erregt, der die Thatkraft des Mannes gestählt hat, möge hell dieses reiche
Gelehrtenlebcn weiter durchdringen und erwärmen:


Lanetus amor Mtrias et^t g-niinum.


Eine deutsch-nationale Verslehre.

in neue" deutschen Reich auch eine deutsch-nationale Poetik!" --
"Das Jahr 1870--71, das unsrer politisch-patriotischen Lyrik einen
gewissen Aufschwung verlieh und uns ein neues Deutschland
gab, sollte doch auch eine allem Nachäffer feindliche, echt deutsche
Poetik im Gefolge haben und zeigen, daß Deutschland auch in
der Poesie auf eignen Füßen zu stehen vermag, daß es in seiner urdeutschen
Betonung und in seinen nationalen Meeren, Strophen und Formen alles
besitzt, was durch Nachbilden antiker und moderner fremder Meeren vergeblich
erstrebt wurde."

Wer möchte diesen Worten Herrn BeHers nicht beistimmen?*) Ja es war
wünschenswert, daß einmal die unsrer deutschen Dichtkunst von der ältesten



*) Deutsche Poetik. Theoretisch-praktisches Handbuch der deutschen Dichtkunst. Nach
deu Anforderungen der Gegenwart von or. C. Bey er. Bd. 1 und 2. Stuttgart, G, I.
Göschen, 1882-83. XXII und 765, XIV und S76 S.
Line deutsch-nationale Verslehre.

in dieser neuen Stellung in der Reichshauptstadt. Wieviel er in dieser ver¬
hältnismäßig kurzen Zeit neu geschaffen, wie er dein nationale» Unternehmen
neue Kraft gegeben und doch den alten Geist, der in ihm lebte, unverrückt ge-
gclassen, das hier auch nur annähernd schildern zu wollen, würde Bogen ans
Bogen erfordern.

In rüstiger Kraft, ungeschwächt durch die Jahre, steht der teure Mann
noch heute da. Eine öffentliche Feier seines Geburtsfestes hat er nicht ge¬
wollt. Aber am heutigen Tage hat die dankende Liebe seiner Schüler — und
sie sind über ganz Deutschland zerstreut — das Recht, ihm huldigend und glück¬
wünschend zu nahen. Wie es seinem Lehrer Ranke beschieden ist, im höchsten
Greisenalter sich noch des allbelebenden Lichtes der Sonne zu erfreuen, wie von
diesem noch immer die reifsten Früchte literarischen Schaffens uns geboten
werden, so mögen auch Waitz noch eine lange, lange Reihe von Jahren von
dem gnädigen Leiter aller Menschengeschicke bescheert werden. Der Wahlspruch
aber, der unser großes nationales Quellenwerk ziert, der des Jünglings Sinn
erregt, der die Thatkraft des Mannes gestählt hat, möge hell dieses reiche
Gelehrtenlebcn weiter durchdringen und erwärmen:


Lanetus amor Mtrias et^t g-niinum.


Eine deutsch-nationale Verslehre.

in neue» deutschen Reich auch eine deutsch-nationale Poetik!" —
„Das Jahr 1870—71, das unsrer politisch-patriotischen Lyrik einen
gewissen Aufschwung verlieh und uns ein neues Deutschland
gab, sollte doch auch eine allem Nachäffer feindliche, echt deutsche
Poetik im Gefolge haben und zeigen, daß Deutschland auch in
der Poesie auf eignen Füßen zu stehen vermag, daß es in seiner urdeutschen
Betonung und in seinen nationalen Meeren, Strophen und Formen alles
besitzt, was durch Nachbilden antiker und moderner fremder Meeren vergeblich
erstrebt wurde."

Wer möchte diesen Worten Herrn BeHers nicht beistimmen?*) Ja es war
wünschenswert, daß einmal die unsrer deutschen Dichtkunst von der ältesten



*) Deutsche Poetik. Theoretisch-praktisches Handbuch der deutschen Dichtkunst. Nach
deu Anforderungen der Gegenwart von or. C. Bey er. Bd. 1 und 2. Stuttgart, G, I.
Göschen, 1882-83. XXII und 765, XIV und S76 S.
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[0136] Line deutsch-nationale Verslehre. in dieser neuen Stellung in der Reichshauptstadt. Wieviel er in dieser ver¬ hältnismäßig kurzen Zeit neu geschaffen, wie er dein nationale» Unternehmen neue Kraft gegeben und doch den alten Geist, der in ihm lebte, unverrückt ge- gclassen, das hier auch nur annähernd schildern zu wollen, würde Bogen ans Bogen erfordern. In rüstiger Kraft, ungeschwächt durch die Jahre, steht der teure Mann noch heute da. Eine öffentliche Feier seines Geburtsfestes hat er nicht ge¬ wollt. Aber am heutigen Tage hat die dankende Liebe seiner Schüler — und sie sind über ganz Deutschland zerstreut — das Recht, ihm huldigend und glück¬ wünschend zu nahen. Wie es seinem Lehrer Ranke beschieden ist, im höchsten Greisenalter sich noch des allbelebenden Lichtes der Sonne zu erfreuen, wie von diesem noch immer die reifsten Früchte literarischen Schaffens uns geboten werden, so mögen auch Waitz noch eine lange, lange Reihe von Jahren von dem gnädigen Leiter aller Menschengeschicke bescheert werden. Der Wahlspruch aber, der unser großes nationales Quellenwerk ziert, der des Jünglings Sinn erregt, der die Thatkraft des Mannes gestählt hat, möge hell dieses reiche Gelehrtenlebcn weiter durchdringen und erwärmen: Lanetus amor Mtrias et^t g-niinum. Eine deutsch-nationale Verslehre. in neue» deutschen Reich auch eine deutsch-nationale Poetik!" — „Das Jahr 1870—71, das unsrer politisch-patriotischen Lyrik einen gewissen Aufschwung verlieh und uns ein neues Deutschland gab, sollte doch auch eine allem Nachäffer feindliche, echt deutsche Poetik im Gefolge haben und zeigen, daß Deutschland auch in der Poesie auf eignen Füßen zu stehen vermag, daß es in seiner urdeutschen Betonung und in seinen nationalen Meeren, Strophen und Formen alles besitzt, was durch Nachbilden antiker und moderner fremder Meeren vergeblich erstrebt wurde." Wer möchte diesen Worten Herrn BeHers nicht beistimmen?*) Ja es war wünschenswert, daß einmal die unsrer deutschen Dichtkunst von der ältesten *) Deutsche Poetik. Theoretisch-praktisches Handbuch der deutschen Dichtkunst. Nach deu Anforderungen der Gegenwart von or. C. Bey er. Bd. 1 und 2. Stuttgart, G, I. Göschen, 1882-83. XXII und 765, XIV und S76 S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/136>, abgerufen am 03.05.2024.