Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die historische Kommission in München.

n der Geschichte des geistigen Lebens Deutschlands, wie es in
unserm Jahrhundert zur Entfaltung gekommen ist, darf das bai-
rische Königshaus der Wittelsbacher für alle Zeiten einen ruhm¬
vollen Platz beanspruchen. Sein Name ist auf das engste mit
einer Reihe der hervorragendsten Schöpfungen des deutschen
Geistes in Kunst und Wissenschaft verknüpft. Immer wird es unvergessen bleiben,
was König Ludwig I. für das Wiederaufblühen der deutschen Kunst in München
und nicht nur in München gethan hat.

Dem Eifer des Vaters aber für künstlerische Dinge suchte es der Sohn,
König Maximilian II., auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Thätigkeit gleich¬
zuthun. Mit Recht richtete er zunächst sein Augenmerk darauf, das wissenschaft¬
liche Leben in Baiern neu anzufachen, auch dort den Geist freier Forschung
heimisch zu machen, der im mittleren und nördlichen Deutschland schon lange
schöne Früchte gezeitigt hatte. Aber nicht zufrieden damit, nur in seinem eignen
Lande der Wissenschaft, der alle seine Neigung gehörte, zu dienen, wußte er
Mittel und Wege zu finden, durch die Fürsorge für dieselbe dem gesamten
deutschen Vaterlande Nutzen zu bringen.

Vor allen andern wissenschaftlichen Disziplinen hatte sich die Vorliebe König
Maximilians II. den historischen Studien zugewandt. In seinen jungen Jahren
hatte er einst in Berlin mit zu den Füßen Rankes gesessen, der von ihm ver¬
sichert: "Nie habe ich bei einem meiner Zuhörer mehr Aufmerksamkeit oder eine
bessere, vollere Aufnahme dessen, was ich sagen konnte, gefunden; bei keinem
aber eine gleiche Applikation des historisch Gewonnenen auf die allgemeinen
Anschauungen, die durch philosophische Vorbildung bereits begründet waren,
und auf die Beschäftigung mit der Literatur überhaupt." (Vgl. Sybels Histo¬
rische Zeitschrift, Bd. II, Beilage S. 19.) Ranke erzählt dann, daß ihm der
König gelegentlich mitgeteilt habe, wie ihn, wenn ihm nicht der höchste Beruf
durch die Geburt zugefallen wäre, eine besondre Neigung bewogen haben würde,
vorzugsweise sich mit historischen Arbeiten zu beschäftigen.

Ans diese Weise erklärt es sich leicht, daß König Maximilian II., als im Früh¬
ling 1858 Ranke in Berlin bei ihm den Gedanken anregte, eine Akademie für
deutsche Geschichte zu gründen, mit lebhaftem Interesse einen solchen Plan er¬
faßte. Bereits am 20. August desselben Jahres verfügte er die Errichtung einer
historischen Kommission bei der königlich bairischen Akademie der
Wissenschaften zu München, zu deren materieller Unterstützung er eine jähr¬
liche Summe von 15000 Gulden aussetzte, und am 29. September trat eine


Die historische Kommission in München.

n der Geschichte des geistigen Lebens Deutschlands, wie es in
unserm Jahrhundert zur Entfaltung gekommen ist, darf das bai-
rische Königshaus der Wittelsbacher für alle Zeiten einen ruhm¬
vollen Platz beanspruchen. Sein Name ist auf das engste mit
einer Reihe der hervorragendsten Schöpfungen des deutschen
Geistes in Kunst und Wissenschaft verknüpft. Immer wird es unvergessen bleiben,
was König Ludwig I. für das Wiederaufblühen der deutschen Kunst in München
und nicht nur in München gethan hat.

Dem Eifer des Vaters aber für künstlerische Dinge suchte es der Sohn,
König Maximilian II., auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Thätigkeit gleich¬
zuthun. Mit Recht richtete er zunächst sein Augenmerk darauf, das wissenschaft¬
liche Leben in Baiern neu anzufachen, auch dort den Geist freier Forschung
heimisch zu machen, der im mittleren und nördlichen Deutschland schon lange
schöne Früchte gezeitigt hatte. Aber nicht zufrieden damit, nur in seinem eignen
Lande der Wissenschaft, der alle seine Neigung gehörte, zu dienen, wußte er
Mittel und Wege zu finden, durch die Fürsorge für dieselbe dem gesamten
deutschen Vaterlande Nutzen zu bringen.

Vor allen andern wissenschaftlichen Disziplinen hatte sich die Vorliebe König
Maximilians II. den historischen Studien zugewandt. In seinen jungen Jahren
hatte er einst in Berlin mit zu den Füßen Rankes gesessen, der von ihm ver¬
sichert: „Nie habe ich bei einem meiner Zuhörer mehr Aufmerksamkeit oder eine
bessere, vollere Aufnahme dessen, was ich sagen konnte, gefunden; bei keinem
aber eine gleiche Applikation des historisch Gewonnenen auf die allgemeinen
Anschauungen, die durch philosophische Vorbildung bereits begründet waren,
und auf die Beschäftigung mit der Literatur überhaupt." (Vgl. Sybels Histo¬
rische Zeitschrift, Bd. II, Beilage S. 19.) Ranke erzählt dann, daß ihm der
König gelegentlich mitgeteilt habe, wie ihn, wenn ihm nicht der höchste Beruf
durch die Geburt zugefallen wäre, eine besondre Neigung bewogen haben würde,
vorzugsweise sich mit historischen Arbeiten zu beschäftigen.

Ans diese Weise erklärt es sich leicht, daß König Maximilian II., als im Früh¬
ling 1858 Ranke in Berlin bei ihm den Gedanken anregte, eine Akademie für
deutsche Geschichte zu gründen, mit lebhaftem Interesse einen solchen Plan er¬
faßte. Bereits am 20. August desselben Jahres verfügte er die Errichtung einer
historischen Kommission bei der königlich bairischen Akademie der
Wissenschaften zu München, zu deren materieller Unterstützung er eine jähr¬
liche Summe von 15000 Gulden aussetzte, und am 29. September trat eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0488" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154653"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die historische Kommission in München.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1452"> n der Geschichte des geistigen Lebens Deutschlands, wie es in<lb/>
unserm Jahrhundert zur Entfaltung gekommen ist, darf das bai-<lb/>
rische Königshaus der Wittelsbacher für alle Zeiten einen ruhm¬<lb/>
vollen Platz beanspruchen. Sein Name ist auf das engste mit<lb/>
einer Reihe der hervorragendsten Schöpfungen des deutschen<lb/>
Geistes in Kunst und Wissenschaft verknüpft. Immer wird es unvergessen bleiben,<lb/>
was König Ludwig I. für das Wiederaufblühen der deutschen Kunst in München<lb/>
und nicht nur in München gethan hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1453"> Dem Eifer des Vaters aber für künstlerische Dinge suchte es der Sohn,<lb/>
König Maximilian II., auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Thätigkeit gleich¬<lb/>
zuthun. Mit Recht richtete er zunächst sein Augenmerk darauf, das wissenschaft¬<lb/>
liche Leben in Baiern neu anzufachen, auch dort den Geist freier Forschung<lb/>
heimisch zu machen, der im mittleren und nördlichen Deutschland schon lange<lb/>
schöne Früchte gezeitigt hatte. Aber nicht zufrieden damit, nur in seinem eignen<lb/>
Lande der Wissenschaft, der alle seine Neigung gehörte, zu dienen, wußte er<lb/>
Mittel und Wege zu finden, durch die Fürsorge für dieselbe dem gesamten<lb/>
deutschen Vaterlande Nutzen zu bringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1454"> Vor allen andern wissenschaftlichen Disziplinen hatte sich die Vorliebe König<lb/>
Maximilians II. den historischen Studien zugewandt. In seinen jungen Jahren<lb/>
hatte er einst in Berlin mit zu den Füßen Rankes gesessen, der von ihm ver¬<lb/>
sichert: &#x201E;Nie habe ich bei einem meiner Zuhörer mehr Aufmerksamkeit oder eine<lb/>
bessere, vollere Aufnahme dessen, was ich sagen konnte, gefunden; bei keinem<lb/>
aber eine gleiche Applikation des historisch Gewonnenen auf die allgemeinen<lb/>
Anschauungen, die durch philosophische Vorbildung bereits begründet waren,<lb/>
und auf die Beschäftigung mit der Literatur überhaupt." (Vgl. Sybels Histo¬<lb/>
rische Zeitschrift, Bd. II, Beilage S. 19.) Ranke erzählt dann, daß ihm der<lb/>
König gelegentlich mitgeteilt habe, wie ihn, wenn ihm nicht der höchste Beruf<lb/>
durch die Geburt zugefallen wäre, eine besondre Neigung bewogen haben würde,<lb/>
vorzugsweise sich mit historischen Arbeiten zu beschäftigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1455" next="#ID_1456"> Ans diese Weise erklärt es sich leicht, daß König Maximilian II., als im Früh¬<lb/>
ling 1858 Ranke in Berlin bei ihm den Gedanken anregte, eine Akademie für<lb/>
deutsche Geschichte zu gründen, mit lebhaftem Interesse einen solchen Plan er¬<lb/>
faßte. Bereits am 20. August desselben Jahres verfügte er die Errichtung einer<lb/>
historischen Kommission bei der königlich bairischen Akademie der<lb/>
Wissenschaften zu München, zu deren materieller Unterstützung er eine jähr¬<lb/>
liche Summe von 15000 Gulden aussetzte, und am 29. September trat eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0488] Die historische Kommission in München. n der Geschichte des geistigen Lebens Deutschlands, wie es in unserm Jahrhundert zur Entfaltung gekommen ist, darf das bai- rische Königshaus der Wittelsbacher für alle Zeiten einen ruhm¬ vollen Platz beanspruchen. Sein Name ist auf das engste mit einer Reihe der hervorragendsten Schöpfungen des deutschen Geistes in Kunst und Wissenschaft verknüpft. Immer wird es unvergessen bleiben, was König Ludwig I. für das Wiederaufblühen der deutschen Kunst in München und nicht nur in München gethan hat. Dem Eifer des Vaters aber für künstlerische Dinge suchte es der Sohn, König Maximilian II., auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Thätigkeit gleich¬ zuthun. Mit Recht richtete er zunächst sein Augenmerk darauf, das wissenschaft¬ liche Leben in Baiern neu anzufachen, auch dort den Geist freier Forschung heimisch zu machen, der im mittleren und nördlichen Deutschland schon lange schöne Früchte gezeitigt hatte. Aber nicht zufrieden damit, nur in seinem eignen Lande der Wissenschaft, der alle seine Neigung gehörte, zu dienen, wußte er Mittel und Wege zu finden, durch die Fürsorge für dieselbe dem gesamten deutschen Vaterlande Nutzen zu bringen. Vor allen andern wissenschaftlichen Disziplinen hatte sich die Vorliebe König Maximilians II. den historischen Studien zugewandt. In seinen jungen Jahren hatte er einst in Berlin mit zu den Füßen Rankes gesessen, der von ihm ver¬ sichert: „Nie habe ich bei einem meiner Zuhörer mehr Aufmerksamkeit oder eine bessere, vollere Aufnahme dessen, was ich sagen konnte, gefunden; bei keinem aber eine gleiche Applikation des historisch Gewonnenen auf die allgemeinen Anschauungen, die durch philosophische Vorbildung bereits begründet waren, und auf die Beschäftigung mit der Literatur überhaupt." (Vgl. Sybels Histo¬ rische Zeitschrift, Bd. II, Beilage S. 19.) Ranke erzählt dann, daß ihm der König gelegentlich mitgeteilt habe, wie ihn, wenn ihm nicht der höchste Beruf durch die Geburt zugefallen wäre, eine besondre Neigung bewogen haben würde, vorzugsweise sich mit historischen Arbeiten zu beschäftigen. Ans diese Weise erklärt es sich leicht, daß König Maximilian II., als im Früh¬ ling 1858 Ranke in Berlin bei ihm den Gedanken anregte, eine Akademie für deutsche Geschichte zu gründen, mit lebhaftem Interesse einen solchen Plan er¬ faßte. Bereits am 20. August desselben Jahres verfügte er die Errichtung einer historischen Kommission bei der königlich bairischen Akademie der Wissenschaften zu München, zu deren materieller Unterstützung er eine jähr¬ liche Summe von 15000 Gulden aussetzte, und am 29. September trat eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/488
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/488>, abgerufen am 03.05.2024.