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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Die historische Kommission in München.

Anzahl der namhaftesten Vertreter der deutschen Geschichtsstudien zu einer vor¬
bereitenden Versammlung in München zusammen, deren Mitglieder sämtlich in
die bald darauf definitiv errichtete Kommisston übertraten.

Fünfundzwanzig Jahre sind seitdem verflossen, an und für sich eine kurze
Spanne Zeit, aber bei dem jähen Wechsel unsrer Tage, wo scheinbar gewaltige
Schöpfungen und weitaussehende Unternehmungen schnell wieder zu Grunde
gehen, immerhin lang genug, um einem dankbaren Sinne eine Erwägung dessen
nahezulegen, was innerhalb dieses Zeitraumes erstrebt und erreicht worden ist.

Die historische Kommission hat deshalb zur Feier des Tages, der das erste
Vierteljahrhundert ihrer Wirksamkeit vollendet, eine Denkschrift,*) verfaßt von
ihren beiden bisherigen Sekretären Heinrich von Sybel und Wilhelm von Giese-
brecht, ausgehen lassen, an deren Hand wir im folgenden ihre Thätigkeit uns
vor Augen stellen wollen.

Gleich in der ersten vorberatenden Sitzung einigten sich die Mitglieder der
Kommission dem Prinzipe nach dahin, daß die Aufgaben, deren Lösung sich die
Kommission zu stellen haben würde, von zweierlei Art seien. Die erste betraf
die Auffindung und Herausgabe wertvollen Quellenmaterials für die deutsche
Geschichte, welche in ihrem ganzen Umfange herangezogen werden sollte. Es
war dies eine Bestimmung, welche bereits der dritte Artikel des Statuts vom
20. August enthielt. Auf Antrag von G. H. Pertz wurde jedoch noch als ein
beschränkender, eigentlich unnötiger Zusatz hinzugefügt: "Soweit dasselbe Pas
Quellenmaterial^ nicht in den Vereich bereits bestehender Unternehmungen fällt."
Auf diese Weise trat die Kommission mit ihren Arbeiten jenem großen vater¬
ländischen, einst von Stein angeregten und unter Pertzens Leitung so ruhmvoll
ins Werk gesetzten Unternehmen der Nouuinsntit vöimMiae lÜZtoriog, zur Seite
und hat vielfach in ihren Publikationen eine höchst schätzbare Ergänzung zu
demselben dargeboten.

Schon vor Errichtung der Kommission hatte der König auf Sybels Vor¬
schlag in die Herausgabe der deutschen Reichstagsakten gewilligt. Die erste
Anregung zu einer solchen umfassenden Arbeit war, wie so viele andre folgenreiche
Impulse in unsrer Literatur, von Ranke ausgegangen, welcher auf der Ver¬
sammlung der deutschen Germanisten zu Frankfurt im Jahre 1846 die Bildung
eines großen deutschen Geschichtsvereins und als eine der ersten Aufgaben des¬
selben jene Edition in Antrag gebracht hatte. Es war selbstverständlich, daß
die Kommission das bereits Begonnene unter ihre Obhut nahm und daß die
Weiterführung der weitschichtigen Arbeiten ihrer Leitung unterstellt wurde. Die
Geschäfte der Spezialredaktion hatte anfänglich Professor Georg Voigt aus



*) Die historische Kommission bei der königlich baierischen Akademie der
Wissenschaften 18S3--1883. Eine Denkschrift. München, M. Riegersche Universitäts¬
buchhandlung (Gustav Himmer), 1883.
Die historische Kommission in München.

Anzahl der namhaftesten Vertreter der deutschen Geschichtsstudien zu einer vor¬
bereitenden Versammlung in München zusammen, deren Mitglieder sämtlich in
die bald darauf definitiv errichtete Kommisston übertraten.

Fünfundzwanzig Jahre sind seitdem verflossen, an und für sich eine kurze
Spanne Zeit, aber bei dem jähen Wechsel unsrer Tage, wo scheinbar gewaltige
Schöpfungen und weitaussehende Unternehmungen schnell wieder zu Grunde
gehen, immerhin lang genug, um einem dankbaren Sinne eine Erwägung dessen
nahezulegen, was innerhalb dieses Zeitraumes erstrebt und erreicht worden ist.

Die historische Kommission hat deshalb zur Feier des Tages, der das erste
Vierteljahrhundert ihrer Wirksamkeit vollendet, eine Denkschrift,*) verfaßt von
ihren beiden bisherigen Sekretären Heinrich von Sybel und Wilhelm von Giese-
brecht, ausgehen lassen, an deren Hand wir im folgenden ihre Thätigkeit uns
vor Augen stellen wollen.

Gleich in der ersten vorberatenden Sitzung einigten sich die Mitglieder der
Kommission dem Prinzipe nach dahin, daß die Aufgaben, deren Lösung sich die
Kommission zu stellen haben würde, von zweierlei Art seien. Die erste betraf
die Auffindung und Herausgabe wertvollen Quellenmaterials für die deutsche
Geschichte, welche in ihrem ganzen Umfange herangezogen werden sollte. Es
war dies eine Bestimmung, welche bereits der dritte Artikel des Statuts vom
20. August enthielt. Auf Antrag von G. H. Pertz wurde jedoch noch als ein
beschränkender, eigentlich unnötiger Zusatz hinzugefügt: „Soweit dasselbe Pas
Quellenmaterial^ nicht in den Vereich bereits bestehender Unternehmungen fällt."
Auf diese Weise trat die Kommission mit ihren Arbeiten jenem großen vater¬
ländischen, einst von Stein angeregten und unter Pertzens Leitung so ruhmvoll
ins Werk gesetzten Unternehmen der Nouuinsntit vöimMiae lÜZtoriog, zur Seite
und hat vielfach in ihren Publikationen eine höchst schätzbare Ergänzung zu
demselben dargeboten.

Schon vor Errichtung der Kommission hatte der König auf Sybels Vor¬
schlag in die Herausgabe der deutschen Reichstagsakten gewilligt. Die erste
Anregung zu einer solchen umfassenden Arbeit war, wie so viele andre folgenreiche
Impulse in unsrer Literatur, von Ranke ausgegangen, welcher auf der Ver¬
sammlung der deutschen Germanisten zu Frankfurt im Jahre 1846 die Bildung
eines großen deutschen Geschichtsvereins und als eine der ersten Aufgaben des¬
selben jene Edition in Antrag gebracht hatte. Es war selbstverständlich, daß
die Kommission das bereits Begonnene unter ihre Obhut nahm und daß die
Weiterführung der weitschichtigen Arbeiten ihrer Leitung unterstellt wurde. Die
Geschäfte der Spezialredaktion hatte anfänglich Professor Georg Voigt aus



*) Die historische Kommission bei der königlich baierischen Akademie der
Wissenschaften 18S3—1883. Eine Denkschrift. München, M. Riegersche Universitäts¬
buchhandlung (Gustav Himmer), 1883.
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[0489] Die historische Kommission in München. Anzahl der namhaftesten Vertreter der deutschen Geschichtsstudien zu einer vor¬ bereitenden Versammlung in München zusammen, deren Mitglieder sämtlich in die bald darauf definitiv errichtete Kommisston übertraten. Fünfundzwanzig Jahre sind seitdem verflossen, an und für sich eine kurze Spanne Zeit, aber bei dem jähen Wechsel unsrer Tage, wo scheinbar gewaltige Schöpfungen und weitaussehende Unternehmungen schnell wieder zu Grunde gehen, immerhin lang genug, um einem dankbaren Sinne eine Erwägung dessen nahezulegen, was innerhalb dieses Zeitraumes erstrebt und erreicht worden ist. Die historische Kommission hat deshalb zur Feier des Tages, der das erste Vierteljahrhundert ihrer Wirksamkeit vollendet, eine Denkschrift,*) verfaßt von ihren beiden bisherigen Sekretären Heinrich von Sybel und Wilhelm von Giese- brecht, ausgehen lassen, an deren Hand wir im folgenden ihre Thätigkeit uns vor Augen stellen wollen. Gleich in der ersten vorberatenden Sitzung einigten sich die Mitglieder der Kommission dem Prinzipe nach dahin, daß die Aufgaben, deren Lösung sich die Kommission zu stellen haben würde, von zweierlei Art seien. Die erste betraf die Auffindung und Herausgabe wertvollen Quellenmaterials für die deutsche Geschichte, welche in ihrem ganzen Umfange herangezogen werden sollte. Es war dies eine Bestimmung, welche bereits der dritte Artikel des Statuts vom 20. August enthielt. Auf Antrag von G. H. Pertz wurde jedoch noch als ein beschränkender, eigentlich unnötiger Zusatz hinzugefügt: „Soweit dasselbe Pas Quellenmaterial^ nicht in den Vereich bereits bestehender Unternehmungen fällt." Auf diese Weise trat die Kommission mit ihren Arbeiten jenem großen vater¬ ländischen, einst von Stein angeregten und unter Pertzens Leitung so ruhmvoll ins Werk gesetzten Unternehmen der Nouuinsntit vöimMiae lÜZtoriog, zur Seite und hat vielfach in ihren Publikationen eine höchst schätzbare Ergänzung zu demselben dargeboten. Schon vor Errichtung der Kommission hatte der König auf Sybels Vor¬ schlag in die Herausgabe der deutschen Reichstagsakten gewilligt. Die erste Anregung zu einer solchen umfassenden Arbeit war, wie so viele andre folgenreiche Impulse in unsrer Literatur, von Ranke ausgegangen, welcher auf der Ver¬ sammlung der deutschen Germanisten zu Frankfurt im Jahre 1846 die Bildung eines großen deutschen Geschichtsvereins und als eine der ersten Aufgaben des¬ selben jene Edition in Antrag gebracht hatte. Es war selbstverständlich, daß die Kommission das bereits Begonnene unter ihre Obhut nahm und daß die Weiterführung der weitschichtigen Arbeiten ihrer Leitung unterstellt wurde. Die Geschäfte der Spezialredaktion hatte anfänglich Professor Georg Voigt aus *) Die historische Kommission bei der königlich baierischen Akademie der Wissenschaften 18S3—1883. Eine Denkschrift. München, M. Riegersche Universitäts¬ buchhandlung (Gustav Himmer), 1883.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/489>, abgerufen am 20.05.2024.