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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

Wir können weitergehen und sagen: Auch wenn England noch so ein¬
mischungslustig wäre, wie es dies nach dieser Erklärung und nach unsrer eignen
Meinung nicht ist, brauchten sich die Friedensfreunde in London nicht zu äng¬
stigen; denn in Deutschland ist man mit dem 1864 im Norden und 1871 im
Westen Gewonnenen und Wiedergewonnenen vollständig zufriedengestellt. Wir
bedurften eine sichere Grenze in Nordschleswig und in Elsaß-Lothringen, und
wir bekamen sie durch Verblendung dort der Dänen, hier der Franzosen und,
abgesehen von alten Rechten, die nur noch im Gefühle fortlebten, kraft des
Rechtes, welches der Sieg über diese verblendete Provokation verlieh. Wir
haben keinerlei Recht auf Holland, wir bedürfen weder seiner Schiffe noch seiner
Kolonien, wir treiben selbst Seehandel und haben eine für unsre Interessen ge¬
nügende Kriegsflotte, und der Rhein muß keineswegs notwendig auch in seinem
untern Laufe in unserm Besitze sein. Wäre es anders, bedürften wir. was die
Engländer als von uns gewünscht ansehen, und schüfe man uns irgendwie ein
Recht, uns Holland als Sonderstaat des Reiches anzugliedern, so würden wir
uns von der Geltendmachung dieses Rechtes schwerlich durch die Betrachtung
abhalten lassen, daß es den Vettern in Großmuffrika nicht gefiele. Nur der
Rechtssinn, die Beschränkung auf das Notwendige und die Friedensliebe, die
das deutsche Reich regieren, verbieten uns diese wie andre Aggressionen, die
man uns insinuirt.




Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

le Frage, ob und inwieweit der Staat den Beruf habe, sich an
dem Wirtschaftsbetriebe des Volkes zu beteiligen, ist im Laufe
der letzten Jahre vielfach Gegenstand oft sehr lebendig geführter
Erörterungen gewesen. So riefen z. B. zwei im Februar v. I-
von dem Abgeordneten Professor Dr. Adolf Wagner im preußischen
Abgeordnetenhause gehaltene Reden, welche diese Frage berührten, eine lebhafte
Aufregung innerhalb und außerhalb des Hauses hervor. Wir fühlen uns nicht
gedrungen, die Ansichten Wagners in jeder Beziehung zu vertreten, haben aber
in seinen damaligen Reden kaum etwas finden können, was zu dieser Auf¬
regung berechtigende Veranlassung gegeben hätte. Immerhin aber wird es von
Interesse sein, den Beruf des Staates, in den Wirtschaftsbetrieb des Volkes
einzugreifen und geeignetenfalls selbst einzelne Wirtschaftsbetriebe in die Hand


Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

Wir können weitergehen und sagen: Auch wenn England noch so ein¬
mischungslustig wäre, wie es dies nach dieser Erklärung und nach unsrer eignen
Meinung nicht ist, brauchten sich die Friedensfreunde in London nicht zu äng¬
stigen; denn in Deutschland ist man mit dem 1864 im Norden und 1871 im
Westen Gewonnenen und Wiedergewonnenen vollständig zufriedengestellt. Wir
bedurften eine sichere Grenze in Nordschleswig und in Elsaß-Lothringen, und
wir bekamen sie durch Verblendung dort der Dänen, hier der Franzosen und,
abgesehen von alten Rechten, die nur noch im Gefühle fortlebten, kraft des
Rechtes, welches der Sieg über diese verblendete Provokation verlieh. Wir
haben keinerlei Recht auf Holland, wir bedürfen weder seiner Schiffe noch seiner
Kolonien, wir treiben selbst Seehandel und haben eine für unsre Interessen ge¬
nügende Kriegsflotte, und der Rhein muß keineswegs notwendig auch in seinem
untern Laufe in unserm Besitze sein. Wäre es anders, bedürften wir. was die
Engländer als von uns gewünscht ansehen, und schüfe man uns irgendwie ein
Recht, uns Holland als Sonderstaat des Reiches anzugliedern, so würden wir
uns von der Geltendmachung dieses Rechtes schwerlich durch die Betrachtung
abhalten lassen, daß es den Vettern in Großmuffrika nicht gefiele. Nur der
Rechtssinn, die Beschränkung auf das Notwendige und die Friedensliebe, die
das deutsche Reich regieren, verbieten uns diese wie andre Aggressionen, die
man uns insinuirt.




Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

le Frage, ob und inwieweit der Staat den Beruf habe, sich an
dem Wirtschaftsbetriebe des Volkes zu beteiligen, ist im Laufe
der letzten Jahre vielfach Gegenstand oft sehr lebendig geführter
Erörterungen gewesen. So riefen z. B. zwei im Februar v. I-
von dem Abgeordneten Professor Dr. Adolf Wagner im preußischen
Abgeordnetenhause gehaltene Reden, welche diese Frage berührten, eine lebhafte
Aufregung innerhalb und außerhalb des Hauses hervor. Wir fühlen uns nicht
gedrungen, die Ansichten Wagners in jeder Beziehung zu vertreten, haben aber
in seinen damaligen Reden kaum etwas finden können, was zu dieser Auf¬
regung berechtigende Veranlassung gegeben hätte. Immerhin aber wird es von
Interesse sein, den Beruf des Staates, in den Wirtschaftsbetrieb des Volkes
einzugreifen und geeignetenfalls selbst einzelne Wirtschaftsbetriebe in die Hand


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[0014] Der Wirtschaftsbetrieb des Staates. Wir können weitergehen und sagen: Auch wenn England noch so ein¬ mischungslustig wäre, wie es dies nach dieser Erklärung und nach unsrer eignen Meinung nicht ist, brauchten sich die Friedensfreunde in London nicht zu äng¬ stigen; denn in Deutschland ist man mit dem 1864 im Norden und 1871 im Westen Gewonnenen und Wiedergewonnenen vollständig zufriedengestellt. Wir bedurften eine sichere Grenze in Nordschleswig und in Elsaß-Lothringen, und wir bekamen sie durch Verblendung dort der Dänen, hier der Franzosen und, abgesehen von alten Rechten, die nur noch im Gefühle fortlebten, kraft des Rechtes, welches der Sieg über diese verblendete Provokation verlieh. Wir haben keinerlei Recht auf Holland, wir bedürfen weder seiner Schiffe noch seiner Kolonien, wir treiben selbst Seehandel und haben eine für unsre Interessen ge¬ nügende Kriegsflotte, und der Rhein muß keineswegs notwendig auch in seinem untern Laufe in unserm Besitze sein. Wäre es anders, bedürften wir. was die Engländer als von uns gewünscht ansehen, und schüfe man uns irgendwie ein Recht, uns Holland als Sonderstaat des Reiches anzugliedern, so würden wir uns von der Geltendmachung dieses Rechtes schwerlich durch die Betrachtung abhalten lassen, daß es den Vettern in Großmuffrika nicht gefiele. Nur der Rechtssinn, die Beschränkung auf das Notwendige und die Friedensliebe, die das deutsche Reich regieren, verbieten uns diese wie andre Aggressionen, die man uns insinuirt. Der Wirtschaftsbetrieb des Staates. le Frage, ob und inwieweit der Staat den Beruf habe, sich an dem Wirtschaftsbetriebe des Volkes zu beteiligen, ist im Laufe der letzten Jahre vielfach Gegenstand oft sehr lebendig geführter Erörterungen gewesen. So riefen z. B. zwei im Februar v. I- von dem Abgeordneten Professor Dr. Adolf Wagner im preußischen Abgeordnetenhause gehaltene Reden, welche diese Frage berührten, eine lebhafte Aufregung innerhalb und außerhalb des Hauses hervor. Wir fühlen uns nicht gedrungen, die Ansichten Wagners in jeder Beziehung zu vertreten, haben aber in seinen damaligen Reden kaum etwas finden können, was zu dieser Auf¬ regung berechtigende Veranlassung gegeben hätte. Immerhin aber wird es von Interesse sein, den Beruf des Staates, in den Wirtschaftsbetrieb des Volkes einzugreifen und geeignetenfalls selbst einzelne Wirtschaftsbetriebe in die Hand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/14>, abgerufen am 02.05.2024.