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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Der ZVirtschaftsbetrieb des Staates.

zu nehmen, einmal näher zu prüfen, und zwar in Anschluß an diejenigen staat¬
lichen Einrichtungen, welche bereits bestehen und deren Bestand mehr oder minder
als berechtigt anerkannt wird.

Wenn im allgemeinen der Satz aufgestellt wird, daß der Staat wirtschaft¬
liche Betriebe der freien Thätigkeit seiner Angehörigen überlassen soll, so liegt
demselben eine durchaus verständige Erwägung zu gründe. Bekanntlich leben
wir von der Masse der Güter, die wir jahraus jahrein erzeugen, zu welcher
Gütererzeugung auch die Zuführung der Güter durch den Handel zu rechnen
ist. Je mehr und je bessere Güter wir erzeugen, umso besser können wir leben.
Die große Masse der Gütererzeugung liegt nun in den Händen der Einzelnen.
Jedem bleibt es überlassen, wie er sich an dieser Gütererzeugung beteiligen will.
Sein eignes Interesse treibt ihn aber, sich daran in der Weise zu beteiligen,
daß er davon den möglichst großen Vorteil zieht. Dies führt zu einer Güter¬
erzeugung, welche auch für das Publikum die relativ beste ist. Denn nur der¬
jenige, welcher Güter erzeugt, die für das Publikum wünschenswert sind, wird
selbst Vorteil von dieser Gütererzeugung haben. So geht also das Streben
des Einzelnen nach dem eignen Vorteil mit der allgemeinen Wohlfahrt Hand
in Hand. Und in dieser Art, den eiguen Vorteil zu berechnen, welcher dann
aber dem Ganzen wieder zugute kommt, liegt die berechtigte Spekulation
unsers Geschüftslebens. Ihr kann man als unberechtigte Spekulation die¬
jenige Art des Verkehrs gegenüberstellen, welche weder Güter erzeugt noch
solche dem Bedürfnisse zuführt, sondern lediglich darauf ausgeht, das zu ge¬
winnen, was ein andrer verliert.

Die Idee der Sozialisten ist nun, daß, statt den Einzelnen die Güter¬
erzeugung zu überlassen, der Staat dieselbe in die Hand nehmen, alles dazu
erforderliche Kapital sich aneignen und das Maß und die Art der Gütererzeu¬
gung sowie die Beteiligung jedes Einzelnen an den Lasten und an dem Ge¬
winne derselben bestimmen solle. Diese ganze Idee ist ein verhängnisvoller
Irrtum. Eine Staatsgewalt, die doch auch immer nur aus Menschen besteht,
würde nie imstande sein, die Gütererzeugung besser zu ordnen, als es die, aller¬
dings durch den Egoismus geleitete, aber auch durch diesen ungemein belebte
Kraft und Einsicht der Einzelnen vermag; ganz abgesehen von dem unerträg¬
lichen Zwange, der in jener Staatsleitung enthalten sein würde. Freilich führt
die jetzige Ordnung der Dinge zu einem ständigen Kampfe der Einzelnen unter¬
einander, nud es ist unvermeidlich, daß in diesem Kampfe, wenn er auch durch
die Rechtsordnung seine Schranken findet, dieser oder jener geschädigt wird.
So wie aber in der physischen Welt der Kampf ums Dasein mutmaßlich es
bewirkt hat, daß die kräftigsten und besten Arten sich durchgekämpft und er¬
halten haben, so bewirkt auch in der intellektuellen und moralischen Welt der
Kampf ums Dasein, daß der Regel nach die tüchtigsten und besten Kräfte in die
Höhe kommen. Und deshalb geht aus diesem Kampfe aller gegen alle, bei


Der ZVirtschaftsbetrieb des Staates.

zu nehmen, einmal näher zu prüfen, und zwar in Anschluß an diejenigen staat¬
lichen Einrichtungen, welche bereits bestehen und deren Bestand mehr oder minder
als berechtigt anerkannt wird.

Wenn im allgemeinen der Satz aufgestellt wird, daß der Staat wirtschaft¬
liche Betriebe der freien Thätigkeit seiner Angehörigen überlassen soll, so liegt
demselben eine durchaus verständige Erwägung zu gründe. Bekanntlich leben
wir von der Masse der Güter, die wir jahraus jahrein erzeugen, zu welcher
Gütererzeugung auch die Zuführung der Güter durch den Handel zu rechnen
ist. Je mehr und je bessere Güter wir erzeugen, umso besser können wir leben.
Die große Masse der Gütererzeugung liegt nun in den Händen der Einzelnen.
Jedem bleibt es überlassen, wie er sich an dieser Gütererzeugung beteiligen will.
Sein eignes Interesse treibt ihn aber, sich daran in der Weise zu beteiligen,
daß er davon den möglichst großen Vorteil zieht. Dies führt zu einer Güter¬
erzeugung, welche auch für das Publikum die relativ beste ist. Denn nur der¬
jenige, welcher Güter erzeugt, die für das Publikum wünschenswert sind, wird
selbst Vorteil von dieser Gütererzeugung haben. So geht also das Streben
des Einzelnen nach dem eignen Vorteil mit der allgemeinen Wohlfahrt Hand
in Hand. Und in dieser Art, den eiguen Vorteil zu berechnen, welcher dann
aber dem Ganzen wieder zugute kommt, liegt die berechtigte Spekulation
unsers Geschüftslebens. Ihr kann man als unberechtigte Spekulation die¬
jenige Art des Verkehrs gegenüberstellen, welche weder Güter erzeugt noch
solche dem Bedürfnisse zuführt, sondern lediglich darauf ausgeht, das zu ge¬
winnen, was ein andrer verliert.

Die Idee der Sozialisten ist nun, daß, statt den Einzelnen die Güter¬
erzeugung zu überlassen, der Staat dieselbe in die Hand nehmen, alles dazu
erforderliche Kapital sich aneignen und das Maß und die Art der Gütererzeu¬
gung sowie die Beteiligung jedes Einzelnen an den Lasten und an dem Ge¬
winne derselben bestimmen solle. Diese ganze Idee ist ein verhängnisvoller
Irrtum. Eine Staatsgewalt, die doch auch immer nur aus Menschen besteht,
würde nie imstande sein, die Gütererzeugung besser zu ordnen, als es die, aller¬
dings durch den Egoismus geleitete, aber auch durch diesen ungemein belebte
Kraft und Einsicht der Einzelnen vermag; ganz abgesehen von dem unerträg¬
lichen Zwange, der in jener Staatsleitung enthalten sein würde. Freilich führt
die jetzige Ordnung der Dinge zu einem ständigen Kampfe der Einzelnen unter¬
einander, nud es ist unvermeidlich, daß in diesem Kampfe, wenn er auch durch
die Rechtsordnung seine Schranken findet, dieser oder jener geschädigt wird.
So wie aber in der physischen Welt der Kampf ums Dasein mutmaßlich es
bewirkt hat, daß die kräftigsten und besten Arten sich durchgekämpft und er¬
halten haben, so bewirkt auch in der intellektuellen und moralischen Welt der
Kampf ums Dasein, daß der Regel nach die tüchtigsten und besten Kräfte in die
Höhe kommen. Und deshalb geht aus diesem Kampfe aller gegen alle, bei


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[0015] Der ZVirtschaftsbetrieb des Staates. zu nehmen, einmal näher zu prüfen, und zwar in Anschluß an diejenigen staat¬ lichen Einrichtungen, welche bereits bestehen und deren Bestand mehr oder minder als berechtigt anerkannt wird. Wenn im allgemeinen der Satz aufgestellt wird, daß der Staat wirtschaft¬ liche Betriebe der freien Thätigkeit seiner Angehörigen überlassen soll, so liegt demselben eine durchaus verständige Erwägung zu gründe. Bekanntlich leben wir von der Masse der Güter, die wir jahraus jahrein erzeugen, zu welcher Gütererzeugung auch die Zuführung der Güter durch den Handel zu rechnen ist. Je mehr und je bessere Güter wir erzeugen, umso besser können wir leben. Die große Masse der Gütererzeugung liegt nun in den Händen der Einzelnen. Jedem bleibt es überlassen, wie er sich an dieser Gütererzeugung beteiligen will. Sein eignes Interesse treibt ihn aber, sich daran in der Weise zu beteiligen, daß er davon den möglichst großen Vorteil zieht. Dies führt zu einer Güter¬ erzeugung, welche auch für das Publikum die relativ beste ist. Denn nur der¬ jenige, welcher Güter erzeugt, die für das Publikum wünschenswert sind, wird selbst Vorteil von dieser Gütererzeugung haben. So geht also das Streben des Einzelnen nach dem eignen Vorteil mit der allgemeinen Wohlfahrt Hand in Hand. Und in dieser Art, den eiguen Vorteil zu berechnen, welcher dann aber dem Ganzen wieder zugute kommt, liegt die berechtigte Spekulation unsers Geschüftslebens. Ihr kann man als unberechtigte Spekulation die¬ jenige Art des Verkehrs gegenüberstellen, welche weder Güter erzeugt noch solche dem Bedürfnisse zuführt, sondern lediglich darauf ausgeht, das zu ge¬ winnen, was ein andrer verliert. Die Idee der Sozialisten ist nun, daß, statt den Einzelnen die Güter¬ erzeugung zu überlassen, der Staat dieselbe in die Hand nehmen, alles dazu erforderliche Kapital sich aneignen und das Maß und die Art der Gütererzeu¬ gung sowie die Beteiligung jedes Einzelnen an den Lasten und an dem Ge¬ winne derselben bestimmen solle. Diese ganze Idee ist ein verhängnisvoller Irrtum. Eine Staatsgewalt, die doch auch immer nur aus Menschen besteht, würde nie imstande sein, die Gütererzeugung besser zu ordnen, als es die, aller¬ dings durch den Egoismus geleitete, aber auch durch diesen ungemein belebte Kraft und Einsicht der Einzelnen vermag; ganz abgesehen von dem unerträg¬ lichen Zwange, der in jener Staatsleitung enthalten sein würde. Freilich führt die jetzige Ordnung der Dinge zu einem ständigen Kampfe der Einzelnen unter¬ einander, nud es ist unvermeidlich, daß in diesem Kampfe, wenn er auch durch die Rechtsordnung seine Schranken findet, dieser oder jener geschädigt wird. So wie aber in der physischen Welt der Kampf ums Dasein mutmaßlich es bewirkt hat, daß die kräftigsten und besten Arten sich durchgekämpft und er¬ halten haben, so bewirkt auch in der intellektuellen und moralischen Welt der Kampf ums Dasein, daß der Regel nach die tüchtigsten und besten Kräfte in die Höhe kommen. Und deshalb geht aus diesem Kampfe aller gegen alle, bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/15>, abgerufen am 22.05.2024.