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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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lassung der Liebe gefolgt. So hatte Goethe auf dieselbe Art, wie Kolumbus
das El zum Stehen brachte, die echte Ballade in die Kunstpoesie eingeführt.
Durch ihn war Bürger noch mehr in der Ballade als von Schiller in der
Romanze übertroffen, und das auf seinem ureigensten Gebiete!




Sachsens Kunstleben im sechzehnten Jahrhundert.
von Richard Mulder.

chon öfter sind in diesen Blättern die Kunstbestrebungen einzelner
Fürsten des sechzehnten Jahrhunderts geschildert worden, und es
hat sich gezeigt, daß Schillers Wort "Keines Mediceers Güte
lächelte der deutschen Kunst" im allgemeinen für die deutschen
Fürsten jener Zeit nicht zutrifft. Dem Kaiser Maximilian und
dem Kardinal Albrecht von Brandenburg (die wir früher in den Grenzboten
behandelt haben)*), standen die sächsischen Fürsten würdig an der Seite. Wie
sie die ersten waren, welche für die Erneuerung des religiösen Lebens und die
Pflege der Wissenschaften eintraten, so ist auch die allmähliche Entwicklung der
sächsischen Kunst fast ausschließlich auf ihre Bestrebungen zurückzuführen. Man
hat zwar lange Zeit mir von der sächsischen Kunst des siebzehnten und acht¬
zehnten Jahrhunderts gesprochen und Sachsen in erster Linie als die Heimat
des Barock- und Rococostiles bezeichnet. Aber nachdem neuerdings Lindau,
Wustmann, steche, Gurlitt und Julius Schmidt ihre trefflichen Forschungen
über Lukcis Cranach, Hieronymus Lotter, Hans von Dehn-Rothfelser, den
Dresdener Schloßbau und Nosfeni veröffentlicht haben, ist man auch imstande,
das reiche Kunstleben, das sich im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts in
Sachsen entfaltete, einigermaßen zu überschauen.

Die Entwicklung beginnt mit dem seit 1486 regierenden Friedrich dem
Weisen, der neben Kaiser Maximilian als der erste Förderer der deutschen
Renaissancekunst gelten kann. Wir wissen nicht, wo Friedrich seine ersten An¬
regungen zur Kunstpflege erhielt. Wie Maximilian, hat aber auch er vom
Beginne seiner Regierung an sich als Gönner und Kenner der-Kunst bewährt.
Der Ausbau und die Verschönerung seines Landes galt ihm gleich anfangs als
eine seiner ersten Regentenpflichten. "Dir ist ein Sparta zugeteilt worden, das



Vergl. die Grenzboten vom Januar und Juni 1884.

lassung der Liebe gefolgt. So hatte Goethe auf dieselbe Art, wie Kolumbus
das El zum Stehen brachte, die echte Ballade in die Kunstpoesie eingeführt.
Durch ihn war Bürger noch mehr in der Ballade als von Schiller in der
Romanze übertroffen, und das auf seinem ureigensten Gebiete!




Sachsens Kunstleben im sechzehnten Jahrhundert.
von Richard Mulder.

chon öfter sind in diesen Blättern die Kunstbestrebungen einzelner
Fürsten des sechzehnten Jahrhunderts geschildert worden, und es
hat sich gezeigt, daß Schillers Wort „Keines Mediceers Güte
lächelte der deutschen Kunst" im allgemeinen für die deutschen
Fürsten jener Zeit nicht zutrifft. Dem Kaiser Maximilian und
dem Kardinal Albrecht von Brandenburg (die wir früher in den Grenzboten
behandelt haben)*), standen die sächsischen Fürsten würdig an der Seite. Wie
sie die ersten waren, welche für die Erneuerung des religiösen Lebens und die
Pflege der Wissenschaften eintraten, so ist auch die allmähliche Entwicklung der
sächsischen Kunst fast ausschließlich auf ihre Bestrebungen zurückzuführen. Man
hat zwar lange Zeit mir von der sächsischen Kunst des siebzehnten und acht¬
zehnten Jahrhunderts gesprochen und Sachsen in erster Linie als die Heimat
des Barock- und Rococostiles bezeichnet. Aber nachdem neuerdings Lindau,
Wustmann, steche, Gurlitt und Julius Schmidt ihre trefflichen Forschungen
über Lukcis Cranach, Hieronymus Lotter, Hans von Dehn-Rothfelser, den
Dresdener Schloßbau und Nosfeni veröffentlicht haben, ist man auch imstande,
das reiche Kunstleben, das sich im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts in
Sachsen entfaltete, einigermaßen zu überschauen.

Die Entwicklung beginnt mit dem seit 1486 regierenden Friedrich dem
Weisen, der neben Kaiser Maximilian als der erste Förderer der deutschen
Renaissancekunst gelten kann. Wir wissen nicht, wo Friedrich seine ersten An¬
regungen zur Kunstpflege erhielt. Wie Maximilian, hat aber auch er vom
Beginne seiner Regierung an sich als Gönner und Kenner der-Kunst bewährt.
Der Ausbau und die Verschönerung seines Landes galt ihm gleich anfangs als
eine seiner ersten Regentenpflichten. „Dir ist ein Sparta zugeteilt worden, das



Vergl. die Grenzboten vom Januar und Juni 1884.
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[0029] lassung der Liebe gefolgt. So hatte Goethe auf dieselbe Art, wie Kolumbus das El zum Stehen brachte, die echte Ballade in die Kunstpoesie eingeführt. Durch ihn war Bürger noch mehr in der Ballade als von Schiller in der Romanze übertroffen, und das auf seinem ureigensten Gebiete! Sachsens Kunstleben im sechzehnten Jahrhundert. von Richard Mulder. chon öfter sind in diesen Blättern die Kunstbestrebungen einzelner Fürsten des sechzehnten Jahrhunderts geschildert worden, und es hat sich gezeigt, daß Schillers Wort „Keines Mediceers Güte lächelte der deutschen Kunst" im allgemeinen für die deutschen Fürsten jener Zeit nicht zutrifft. Dem Kaiser Maximilian und dem Kardinal Albrecht von Brandenburg (die wir früher in den Grenzboten behandelt haben)*), standen die sächsischen Fürsten würdig an der Seite. Wie sie die ersten waren, welche für die Erneuerung des religiösen Lebens und die Pflege der Wissenschaften eintraten, so ist auch die allmähliche Entwicklung der sächsischen Kunst fast ausschließlich auf ihre Bestrebungen zurückzuführen. Man hat zwar lange Zeit mir von der sächsischen Kunst des siebzehnten und acht¬ zehnten Jahrhunderts gesprochen und Sachsen in erster Linie als die Heimat des Barock- und Rococostiles bezeichnet. Aber nachdem neuerdings Lindau, Wustmann, steche, Gurlitt und Julius Schmidt ihre trefflichen Forschungen über Lukcis Cranach, Hieronymus Lotter, Hans von Dehn-Rothfelser, den Dresdener Schloßbau und Nosfeni veröffentlicht haben, ist man auch imstande, das reiche Kunstleben, das sich im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts in Sachsen entfaltete, einigermaßen zu überschauen. Die Entwicklung beginnt mit dem seit 1486 regierenden Friedrich dem Weisen, der neben Kaiser Maximilian als der erste Förderer der deutschen Renaissancekunst gelten kann. Wir wissen nicht, wo Friedrich seine ersten An¬ regungen zur Kunstpflege erhielt. Wie Maximilian, hat aber auch er vom Beginne seiner Regierung an sich als Gönner und Kenner der-Kunst bewährt. Der Ausbau und die Verschönerung seines Landes galt ihm gleich anfangs als eine seiner ersten Regentenpflichten. „Dir ist ein Sparta zugeteilt worden, das Vergl. die Grenzboten vom Januar und Juni 1884.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/29>, abgerufen am 07.05.2024.