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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Vraunschweiger Frage.

le in der Überschrift genannte Angelegenheit ist insoweit, als es
sich um die Thronbesteigung des Herzogs von Cumberland handeln
könnte, schon lange keine Frage mehr. In dieser Beziehung war
die Sache bereits vor etwa fünf Jahren entschieden, wo das
baldige Ableben des Herzogs Wilhelm erwartet werden konnte
und in Magdeburg für diesen Fall Befehl gegeben war, unverweilt in Braun¬
schweig einzurücken. Die Art und Weise, den welfischen Prätendenten fernzu¬
halten, hat sich seitdem anders gestaltet, aber ferngehalten wird er mit seinem
Anspruch unzweifelhaft werden, und wenn wir sagen, er hat in Braunschweig
keinerlei Aussicht auf Ausübung des in seinem "Patente" behaupteten Rechtes,
so soll das heißen, auch nicht, wenn er auf Hannover verzichten und das
deutsche Reich ohne Hintergedanken anerkennen wollte. Die hannoverschen
Welsen hatten 1866 zwischen Frieden und Krieg mit Preußen, zwischen Bundes¬
genossenschaft und Gegnerschaft zu wählen, sie entschieden sich verblendet für
den Krieg, derselbe strich ihr Recht aus und setzte an seine Stelle das Recht
des Siegers. Ans ein Recht aber, das man nicht mehr hat, kann man nicht
verzichten, und andrerseits kann das deutsche Reich auf wohlgeneigte wie auf
feindselige An- und Absichten des Königs von Gmunden ohne Gefahr mit un¬
begrenzter Gleichgiltigkeit blicken. Dagegen würde derselbe, wenn man ihm
gestatten wollte, sich in einen Herzog von Braunschweig zu verwandeln, zwar
auch keine sehr erhebliche unmittelbare Gefahr, wohl aber eine große Un¬
bequemlichkeit werden. Wie er selbst auch gesinnt sein möchte, sein Hof würde
ein Mittelpunkt der Unzufriedenen, der Opposition, der Verschwörung im nord¬
westlichen Deutschland sein, und solchen politischen Krebsschaden hält sich eine
kluge Regierung bei Zeiten vom Leibe. Es ist daher vielleicht in den That-


Grenzboten IV. 1884. 38


Die Vraunschweiger Frage.

le in der Überschrift genannte Angelegenheit ist insoweit, als es
sich um die Thronbesteigung des Herzogs von Cumberland handeln
könnte, schon lange keine Frage mehr. In dieser Beziehung war
die Sache bereits vor etwa fünf Jahren entschieden, wo das
baldige Ableben des Herzogs Wilhelm erwartet werden konnte
und in Magdeburg für diesen Fall Befehl gegeben war, unverweilt in Braun¬
schweig einzurücken. Die Art und Weise, den welfischen Prätendenten fernzu¬
halten, hat sich seitdem anders gestaltet, aber ferngehalten wird er mit seinem
Anspruch unzweifelhaft werden, und wenn wir sagen, er hat in Braunschweig
keinerlei Aussicht auf Ausübung des in seinem „Patente" behaupteten Rechtes,
so soll das heißen, auch nicht, wenn er auf Hannover verzichten und das
deutsche Reich ohne Hintergedanken anerkennen wollte. Die hannoverschen
Welsen hatten 1866 zwischen Frieden und Krieg mit Preußen, zwischen Bundes¬
genossenschaft und Gegnerschaft zu wählen, sie entschieden sich verblendet für
den Krieg, derselbe strich ihr Recht aus und setzte an seine Stelle das Recht
des Siegers. Ans ein Recht aber, das man nicht mehr hat, kann man nicht
verzichten, und andrerseits kann das deutsche Reich auf wohlgeneigte wie auf
feindselige An- und Absichten des Königs von Gmunden ohne Gefahr mit un¬
begrenzter Gleichgiltigkeit blicken. Dagegen würde derselbe, wenn man ihm
gestatten wollte, sich in einen Herzog von Braunschweig zu verwandeln, zwar
auch keine sehr erhebliche unmittelbare Gefahr, wohl aber eine große Un¬
bequemlichkeit werden. Wie er selbst auch gesinnt sein möchte, sein Hof würde
ein Mittelpunkt der Unzufriedenen, der Opposition, der Verschwörung im nord¬
westlichen Deutschland sein, und solchen politischen Krebsschaden hält sich eine
kluge Regierung bei Zeiten vom Leibe. Es ist daher vielleicht in den That-


Grenzboten IV. 1884. 38
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[0305] [Abbildung] Die Vraunschweiger Frage. le in der Überschrift genannte Angelegenheit ist insoweit, als es sich um die Thronbesteigung des Herzogs von Cumberland handeln könnte, schon lange keine Frage mehr. In dieser Beziehung war die Sache bereits vor etwa fünf Jahren entschieden, wo das baldige Ableben des Herzogs Wilhelm erwartet werden konnte und in Magdeburg für diesen Fall Befehl gegeben war, unverweilt in Braun¬ schweig einzurücken. Die Art und Weise, den welfischen Prätendenten fernzu¬ halten, hat sich seitdem anders gestaltet, aber ferngehalten wird er mit seinem Anspruch unzweifelhaft werden, und wenn wir sagen, er hat in Braunschweig keinerlei Aussicht auf Ausübung des in seinem „Patente" behaupteten Rechtes, so soll das heißen, auch nicht, wenn er auf Hannover verzichten und das deutsche Reich ohne Hintergedanken anerkennen wollte. Die hannoverschen Welsen hatten 1866 zwischen Frieden und Krieg mit Preußen, zwischen Bundes¬ genossenschaft und Gegnerschaft zu wählen, sie entschieden sich verblendet für den Krieg, derselbe strich ihr Recht aus und setzte an seine Stelle das Recht des Siegers. Ans ein Recht aber, das man nicht mehr hat, kann man nicht verzichten, und andrerseits kann das deutsche Reich auf wohlgeneigte wie auf feindselige An- und Absichten des Königs von Gmunden ohne Gefahr mit un¬ begrenzter Gleichgiltigkeit blicken. Dagegen würde derselbe, wenn man ihm gestatten wollte, sich in einen Herzog von Braunschweig zu verwandeln, zwar auch keine sehr erhebliche unmittelbare Gefahr, wohl aber eine große Un¬ bequemlichkeit werden. Wie er selbst auch gesinnt sein möchte, sein Hof würde ein Mittelpunkt der Unzufriedenen, der Opposition, der Verschwörung im nord¬ westlichen Deutschland sein, und solchen politischen Krebsschaden hält sich eine kluge Regierung bei Zeiten vom Leibe. Es ist daher vielleicht in den That- Grenzboten IV. 1884. 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/305>, abgerufen am 07.05.2024.