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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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(österreichisches.

n der österreichischen Presse gehören Klagen über irrige Ausfassung
der dortigen Verhältnisse und demzufolge über ungerechte Urteile
über Parteien und Personen Vonseiten der deutschen publizistischen
Organe nicht zu den Seltenheiten; vornehmlich beschweren sich
jetzt die liberalen Deutsch-Österreicher, daß ihre Bestrebungen nicht
richtig gewürdigt werden. Die Möglichkeit der Begründung solcher Klagen ist
zuzugestehen. Die Zustände in der österreichisch-ungarischen Monarchie sind so
verwickelter Natur und so häufigen Wechseln unterworfen gewesen, daß es dem
Außerhalbstehenden sehr schwer fällt, sich zu orientiren, und wie kann er Mi߬
griffen entgehen, wenn man über die viel einfacheren und klareren Verhältnisse
des deutschen Reiches im Auslande, z. B. in Osterreich, so schiefen Ansichten
begegnet! Die liberale österreichische Presse macht sich allerdings gewöhnlich
die Sache etwas bequem: sie schöpft ihre Kenntnisse aus öffentlichen Blättern
von der Art der Vosstschen Zeitung, des Berliner Tageblattes u. s. w. oder
aus Berichten Affiliirter solcher Organe, und entwirft darnach Schilderungen,
stellt Horoskope, erteilt der Reichsregierung Ratschläge oder Rügen, welche in
Deutschland bei allen Parteien nur Lächeln erregen.

Wir wollen nun einmal dem dortigen Beispiel insoweit folgen, als wir
Artikel in Wiener Blättern, welche als Gesinnungsverwaudte der genannten
Berliner Zeitungen bezeichnet werden dürfen, zum Ausgangspunkt einiger Be¬
trachtungen machen, die aber nicht der Lage des Kaiserstaates, sondern eben nur
der Presse gewidmet sein sollen. Und zwar beschränken wir uns auf zwei
Beispiele.

In Wien sind im November zwei Preßprozesse zum Austrag gekommen,
in denen beiden der Kläger dieselbe Person war, der Abgeordnete Georg von


Grenzboten IV. 1334. 56


(österreichisches.

n der österreichischen Presse gehören Klagen über irrige Ausfassung
der dortigen Verhältnisse und demzufolge über ungerechte Urteile
über Parteien und Personen Vonseiten der deutschen publizistischen
Organe nicht zu den Seltenheiten; vornehmlich beschweren sich
jetzt die liberalen Deutsch-Österreicher, daß ihre Bestrebungen nicht
richtig gewürdigt werden. Die Möglichkeit der Begründung solcher Klagen ist
zuzugestehen. Die Zustände in der österreichisch-ungarischen Monarchie sind so
verwickelter Natur und so häufigen Wechseln unterworfen gewesen, daß es dem
Außerhalbstehenden sehr schwer fällt, sich zu orientiren, und wie kann er Mi߬
griffen entgehen, wenn man über die viel einfacheren und klareren Verhältnisse
des deutschen Reiches im Auslande, z. B. in Osterreich, so schiefen Ansichten
begegnet! Die liberale österreichische Presse macht sich allerdings gewöhnlich
die Sache etwas bequem: sie schöpft ihre Kenntnisse aus öffentlichen Blättern
von der Art der Vosstschen Zeitung, des Berliner Tageblattes u. s. w. oder
aus Berichten Affiliirter solcher Organe, und entwirft darnach Schilderungen,
stellt Horoskope, erteilt der Reichsregierung Ratschläge oder Rügen, welche in
Deutschland bei allen Parteien nur Lächeln erregen.

Wir wollen nun einmal dem dortigen Beispiel insoweit folgen, als wir
Artikel in Wiener Blättern, welche als Gesinnungsverwaudte der genannten
Berliner Zeitungen bezeichnet werden dürfen, zum Ausgangspunkt einiger Be¬
trachtungen machen, die aber nicht der Lage des Kaiserstaates, sondern eben nur
der Presse gewidmet sein sollen. Und zwar beschränken wir uns auf zwei
Beispiele.

In Wien sind im November zwei Preßprozesse zum Austrag gekommen,
in denen beiden der Kläger dieselbe Person war, der Abgeordnete Georg von


Grenzboten IV. 1334. 56
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[0449] [Abbildung] (österreichisches. n der österreichischen Presse gehören Klagen über irrige Ausfassung der dortigen Verhältnisse und demzufolge über ungerechte Urteile über Parteien und Personen Vonseiten der deutschen publizistischen Organe nicht zu den Seltenheiten; vornehmlich beschweren sich jetzt die liberalen Deutsch-Österreicher, daß ihre Bestrebungen nicht richtig gewürdigt werden. Die Möglichkeit der Begründung solcher Klagen ist zuzugestehen. Die Zustände in der österreichisch-ungarischen Monarchie sind so verwickelter Natur und so häufigen Wechseln unterworfen gewesen, daß es dem Außerhalbstehenden sehr schwer fällt, sich zu orientiren, und wie kann er Mi߬ griffen entgehen, wenn man über die viel einfacheren und klareren Verhältnisse des deutschen Reiches im Auslande, z. B. in Osterreich, so schiefen Ansichten begegnet! Die liberale österreichische Presse macht sich allerdings gewöhnlich die Sache etwas bequem: sie schöpft ihre Kenntnisse aus öffentlichen Blättern von der Art der Vosstschen Zeitung, des Berliner Tageblattes u. s. w. oder aus Berichten Affiliirter solcher Organe, und entwirft darnach Schilderungen, stellt Horoskope, erteilt der Reichsregierung Ratschläge oder Rügen, welche in Deutschland bei allen Parteien nur Lächeln erregen. Wir wollen nun einmal dem dortigen Beispiel insoweit folgen, als wir Artikel in Wiener Blättern, welche als Gesinnungsverwaudte der genannten Berliner Zeitungen bezeichnet werden dürfen, zum Ausgangspunkt einiger Be¬ trachtungen machen, die aber nicht der Lage des Kaiserstaates, sondern eben nur der Presse gewidmet sein sollen. Und zwar beschränken wir uns auf zwei Beispiele. In Wien sind im November zwei Preßprozesse zum Austrag gekommen, in denen beiden der Kläger dieselbe Person war, der Abgeordnete Georg von Grenzboten IV. 1334. 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/449>, abgerufen am 07.05.2024.