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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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schönerer. Derselbe war, wie seinerzeit auch in den Grenzboten erwähnt
worden ist, im Abgeordnetenhause mit großer Lebhaftigkeit für die Nicht-
erneuerung des Privilegiums der österreichischen Nordbahn eingetreten und hatte
bei den Gegnern der Verstaatlichung mehr oder minder deutlich auf unlautere
Motive hingewiesen. Durch eine beiläufige Äußerung über den einstigen Mi¬
nister Giskra fand sich dessen Sohn veranlaßt, dem Herrn von schönerer seine
Zeugen zu schicken; während dieser schon von einem Redakteur, der zugleich Ab¬
geordneter war, eine Forderung erhalten und angenommen hatte, wurde der
andre Fall, wie die Zeugen behaupten, in ritterlicher Weise beigelegt. Zwei
Tagesblätter jedoch benutzten diese Mitteilung, um schönerer mit Schmähungen
zu überhäufen, als einen Feigling zu bezeichnen, welcher Schwachen gegenüber
den Tyrannen spiele, einem Manne aber sofort schimpfliche Abbitte leiste und
dergleichen mehr. schönerer zog die Redakteure der Blätter zur Verantwortung,
vor den Geschworenen wurde der Sachverhalt wie oben dargelegt, die Zeugen
des Herrn Giskra erklärten aufs bestimmteste, daß die von den Angeklagten ge¬
gebene Erzählung, die Grundlage der Invektiven, selbst jeder Grundlage ent¬
behre, hoben insbesondre auch hervor, daß die Blätter garnicht in der Lage
gewesen seien, über den Hergang etwas zu wissen, und verhehlten nicht ihre
Empörung über diese Art von Ausbeutung einer Angelegenheit, welche ihrer
Natur nach nur mit Diskretion behandelt werden durfte. Der Fall war so
klar, daß alle Anstrengungen der Angeklagten und alle Künste der Verteidiger
ihn nicht zu verdunkeln vermochten, die Geschworenen konnten garnicht anders,
als beidemal ein Schuldig aussprechen.

Wenn nun die von dem Verdikt Getroffenen die Miene von Märtyrern
annehmen und versuchen, ihr Publikum glauben zu machen, daß sie in dessen
Dienste, als Kämpfer für eine gute Sache, ins Gefängnis wandern müssen, so
kann man ihnen das zugute halten. Was soll man aber dazu sagen, daß andre
Blätter sich mit ihnen solidarisch erklären! Weil zwei von den Verurteilten
Juden sind, haben die Geschworenen sich vom Antisemitismus bestimmen lassen;
in dem zweiten Prozesse stand freilich ein Katholik vor den Schranken, allein
das ändert nichts, sein Gegner war ja von schönerer, welcher der Führer der
antisemitischen Partei in Österreich sein soll. Wir leugnen nicht, daß es einen
Christen aufbringen könnte, wenn jüdische Journalisten mit frechem Hohn das
Zitat:


Mut zeiget auch der Mameluck,
Gehorsam ist des Christen Schmuck

benutzen, um den christlichen Gegner als Feigling dem öffentlichen Spotte preis¬
zugeben. Dieser Antichristianismus, der in einem großen Teile der Presse,
namentlich auch in Österreich, unverhohlen sein Wesen treibt, trägt ja am meisten
dazu bei, die Reihen der Gegner des Judentums zu verstärken. Doch ergiebt


«österreichisches.

schönerer. Derselbe war, wie seinerzeit auch in den Grenzboten erwähnt
worden ist, im Abgeordnetenhause mit großer Lebhaftigkeit für die Nicht-
erneuerung des Privilegiums der österreichischen Nordbahn eingetreten und hatte
bei den Gegnern der Verstaatlichung mehr oder minder deutlich auf unlautere
Motive hingewiesen. Durch eine beiläufige Äußerung über den einstigen Mi¬
nister Giskra fand sich dessen Sohn veranlaßt, dem Herrn von schönerer seine
Zeugen zu schicken; während dieser schon von einem Redakteur, der zugleich Ab¬
geordneter war, eine Forderung erhalten und angenommen hatte, wurde der
andre Fall, wie die Zeugen behaupten, in ritterlicher Weise beigelegt. Zwei
Tagesblätter jedoch benutzten diese Mitteilung, um schönerer mit Schmähungen
zu überhäufen, als einen Feigling zu bezeichnen, welcher Schwachen gegenüber
den Tyrannen spiele, einem Manne aber sofort schimpfliche Abbitte leiste und
dergleichen mehr. schönerer zog die Redakteure der Blätter zur Verantwortung,
vor den Geschworenen wurde der Sachverhalt wie oben dargelegt, die Zeugen
des Herrn Giskra erklärten aufs bestimmteste, daß die von den Angeklagten ge¬
gebene Erzählung, die Grundlage der Invektiven, selbst jeder Grundlage ent¬
behre, hoben insbesondre auch hervor, daß die Blätter garnicht in der Lage
gewesen seien, über den Hergang etwas zu wissen, und verhehlten nicht ihre
Empörung über diese Art von Ausbeutung einer Angelegenheit, welche ihrer
Natur nach nur mit Diskretion behandelt werden durfte. Der Fall war so
klar, daß alle Anstrengungen der Angeklagten und alle Künste der Verteidiger
ihn nicht zu verdunkeln vermochten, die Geschworenen konnten garnicht anders,
als beidemal ein Schuldig aussprechen.

Wenn nun die von dem Verdikt Getroffenen die Miene von Märtyrern
annehmen und versuchen, ihr Publikum glauben zu machen, daß sie in dessen
Dienste, als Kämpfer für eine gute Sache, ins Gefängnis wandern müssen, so
kann man ihnen das zugute halten. Was soll man aber dazu sagen, daß andre
Blätter sich mit ihnen solidarisch erklären! Weil zwei von den Verurteilten
Juden sind, haben die Geschworenen sich vom Antisemitismus bestimmen lassen;
in dem zweiten Prozesse stand freilich ein Katholik vor den Schranken, allein
das ändert nichts, sein Gegner war ja von schönerer, welcher der Führer der
antisemitischen Partei in Österreich sein soll. Wir leugnen nicht, daß es einen
Christen aufbringen könnte, wenn jüdische Journalisten mit frechem Hohn das
Zitat:


Mut zeiget auch der Mameluck,
Gehorsam ist des Christen Schmuck

benutzen, um den christlichen Gegner als Feigling dem öffentlichen Spotte preis¬
zugeben. Dieser Antichristianismus, der in einem großen Teile der Presse,
namentlich auch in Österreich, unverhohlen sein Wesen treibt, trägt ja am meisten
dazu bei, die Reihen der Gegner des Judentums zu verstärken. Doch ergiebt


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[0450] «österreichisches. schönerer. Derselbe war, wie seinerzeit auch in den Grenzboten erwähnt worden ist, im Abgeordnetenhause mit großer Lebhaftigkeit für die Nicht- erneuerung des Privilegiums der österreichischen Nordbahn eingetreten und hatte bei den Gegnern der Verstaatlichung mehr oder minder deutlich auf unlautere Motive hingewiesen. Durch eine beiläufige Äußerung über den einstigen Mi¬ nister Giskra fand sich dessen Sohn veranlaßt, dem Herrn von schönerer seine Zeugen zu schicken; während dieser schon von einem Redakteur, der zugleich Ab¬ geordneter war, eine Forderung erhalten und angenommen hatte, wurde der andre Fall, wie die Zeugen behaupten, in ritterlicher Weise beigelegt. Zwei Tagesblätter jedoch benutzten diese Mitteilung, um schönerer mit Schmähungen zu überhäufen, als einen Feigling zu bezeichnen, welcher Schwachen gegenüber den Tyrannen spiele, einem Manne aber sofort schimpfliche Abbitte leiste und dergleichen mehr. schönerer zog die Redakteure der Blätter zur Verantwortung, vor den Geschworenen wurde der Sachverhalt wie oben dargelegt, die Zeugen des Herrn Giskra erklärten aufs bestimmteste, daß die von den Angeklagten ge¬ gebene Erzählung, die Grundlage der Invektiven, selbst jeder Grundlage ent¬ behre, hoben insbesondre auch hervor, daß die Blätter garnicht in der Lage gewesen seien, über den Hergang etwas zu wissen, und verhehlten nicht ihre Empörung über diese Art von Ausbeutung einer Angelegenheit, welche ihrer Natur nach nur mit Diskretion behandelt werden durfte. Der Fall war so klar, daß alle Anstrengungen der Angeklagten und alle Künste der Verteidiger ihn nicht zu verdunkeln vermochten, die Geschworenen konnten garnicht anders, als beidemal ein Schuldig aussprechen. Wenn nun die von dem Verdikt Getroffenen die Miene von Märtyrern annehmen und versuchen, ihr Publikum glauben zu machen, daß sie in dessen Dienste, als Kämpfer für eine gute Sache, ins Gefängnis wandern müssen, so kann man ihnen das zugute halten. Was soll man aber dazu sagen, daß andre Blätter sich mit ihnen solidarisch erklären! Weil zwei von den Verurteilten Juden sind, haben die Geschworenen sich vom Antisemitismus bestimmen lassen; in dem zweiten Prozesse stand freilich ein Katholik vor den Schranken, allein das ändert nichts, sein Gegner war ja von schönerer, welcher der Führer der antisemitischen Partei in Österreich sein soll. Wir leugnen nicht, daß es einen Christen aufbringen könnte, wenn jüdische Journalisten mit frechem Hohn das Zitat: Mut zeiget auch der Mameluck, Gehorsam ist des Christen Schmuck benutzen, um den christlichen Gegner als Feigling dem öffentlichen Spotte preis¬ zugeben. Dieser Antichristianismus, der in einem großen Teile der Presse, namentlich auch in Österreich, unverhohlen sein Wesen treibt, trägt ja am meisten dazu bei, die Reihen der Gegner des Judentums zu verstärken. Doch ergiebt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/450>, abgerufen am 28.05.2024.