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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

Siebzehntes Blatt.
Fräulein Albertine hat etwas nach Berlin zu bestellen.

Der Architekt für den neuen Fabrikbau an Stelle von Pfisters Mühle ist
gar kein übler Mann, obgleich er keineswegs jenem berühmten Kollegen in den
Wahlverwandtschaften gleicht und durchaus nicht "ein Jüngling im vollen Sinne
des Wortes" zu nennen ist, sondern als ein weniger wohlgebautes als wohl¬
beleibtes Individuum mit der Veranlagung zu einer Kümmelnase sich darstellt.
In Berlin hat er den Doktor Asche kennen gelernt, und in unsrer Stadt, am
entgegengesetzten Ende unsrer Pappelallee, gehört vovtor ^juris Riechei zu seinen
behaglichsten Bekanntschaften, und der Herr Baumeister weiß ganz genau an¬
zugeben, weshalb es garnicht anders möglich war, als daß jene beiden Herren
sehr wohlhabende Leute wurden, "wahre Fettaugen auf unsern bekannten dünnen
Bettelsuppen."

Es sind beides Phantasiemenschen, meint er, der Architekt, aber alle zwei
mit dem richtigen Blick und Griff fürs Praktische. Und, lieber Pfister und
gnädige Frau -- das Ideale im Praktischen! Das ist auch meine Devise. Ver¬
lassen Sie sich darauf, bester Doktor, Sie sollen auch noch Ihre Freude an
dieser Stelle erleben, wenn Sie uns -- mir noch einmal mit der Frau Ge¬
mahlin übers Jahr hier das Vergnügen Ihres Besuches schenken wollen. Das
Schöne, das Großartige im innigen Verein mit dem Nützlichen! so hält's auch
unser gemeinschaftlicher Freund Asche, den ich, wie gesagt, ebenfalls in seinen
Anfängen kannte. Und Sie, Pfister, konnten garnichts Gescheiteres thun, als
Ihr an hiesiger Stelle überflüssig und nutzlos gewordenes Kapital in seinem
Unternehmen anzulegen. Gigantisch -- einfach gigantisch das! Und daneben --
in feinster Renaissance dieses Lippoldesheim! wundervoll! . . . Nun, ohne mir
schmeicheln zu wollen, wir werden jedenfalls unser bestes thun, unsre Gesellschaft
und ich, Ihnen etwas ähnlich Jmponireudes auch hier auf Ihres seligen Papas
idyllisches Besitztum hinzustellen. Wir verlassen uns fest darauf, daß Sie sich
die Geschichte übers Jahr wenigstens mal flüchtig ansehen.

Wenn es mir möglich ist, sagte ich müde. Der Architekt mit dem Zirkel in
der Hand und der Bleifeder im Munde beugte sich von neuem über seinen in
meines Vaters leerem Gastzimmer ausgebreiteten Plan, indem er meine Frau,
soweit ihm das möglich war, tiefer sowohl in pas Ideale wie das Praktische,
das Schöne wie das Nützliche, das Grandiose, das Jmponirende und das
Idyllische desselben mit sich zog.

Ich komme gleich wieder heraus unter die Bäume, Ebert, sagte Emmy
über die Schulter; und unter den Bäumen und zwischen den Schubkarren hatte
ich eine geraume Zeit allein für mich mit der erloschenen Zigarre zwischen den
Zähnen auf und ab zu wandeln, ehe sich mein Weib wieder zu mir fand. --

Es läßt sich nicht leugnen, großartig ist das wasserverderbende Geschäft am


pfisters Mühle.

Siebzehntes Blatt.
Fräulein Albertine hat etwas nach Berlin zu bestellen.

Der Architekt für den neuen Fabrikbau an Stelle von Pfisters Mühle ist
gar kein übler Mann, obgleich er keineswegs jenem berühmten Kollegen in den
Wahlverwandtschaften gleicht und durchaus nicht „ein Jüngling im vollen Sinne
des Wortes" zu nennen ist, sondern als ein weniger wohlgebautes als wohl¬
beleibtes Individuum mit der Veranlagung zu einer Kümmelnase sich darstellt.
In Berlin hat er den Doktor Asche kennen gelernt, und in unsrer Stadt, am
entgegengesetzten Ende unsrer Pappelallee, gehört vovtor ^juris Riechei zu seinen
behaglichsten Bekanntschaften, und der Herr Baumeister weiß ganz genau an¬
zugeben, weshalb es garnicht anders möglich war, als daß jene beiden Herren
sehr wohlhabende Leute wurden, „wahre Fettaugen auf unsern bekannten dünnen
Bettelsuppen."

Es sind beides Phantasiemenschen, meint er, der Architekt, aber alle zwei
mit dem richtigen Blick und Griff fürs Praktische. Und, lieber Pfister und
gnädige Frau — das Ideale im Praktischen! Das ist auch meine Devise. Ver¬
lassen Sie sich darauf, bester Doktor, Sie sollen auch noch Ihre Freude an
dieser Stelle erleben, wenn Sie uns — mir noch einmal mit der Frau Ge¬
mahlin übers Jahr hier das Vergnügen Ihres Besuches schenken wollen. Das
Schöne, das Großartige im innigen Verein mit dem Nützlichen! so hält's auch
unser gemeinschaftlicher Freund Asche, den ich, wie gesagt, ebenfalls in seinen
Anfängen kannte. Und Sie, Pfister, konnten garnichts Gescheiteres thun, als
Ihr an hiesiger Stelle überflüssig und nutzlos gewordenes Kapital in seinem
Unternehmen anzulegen. Gigantisch — einfach gigantisch das! Und daneben —
in feinster Renaissance dieses Lippoldesheim! wundervoll! . . . Nun, ohne mir
schmeicheln zu wollen, wir werden jedenfalls unser bestes thun, unsre Gesellschaft
und ich, Ihnen etwas ähnlich Jmponireudes auch hier auf Ihres seligen Papas
idyllisches Besitztum hinzustellen. Wir verlassen uns fest darauf, daß Sie sich
die Geschichte übers Jahr wenigstens mal flüchtig ansehen.

Wenn es mir möglich ist, sagte ich müde. Der Architekt mit dem Zirkel in
der Hand und der Bleifeder im Munde beugte sich von neuem über seinen in
meines Vaters leerem Gastzimmer ausgebreiteten Plan, indem er meine Frau,
soweit ihm das möglich war, tiefer sowohl in pas Ideale wie das Praktische,
das Schöne wie das Nützliche, das Grandiose, das Jmponirende und das
Idyllische desselben mit sich zog.

Ich komme gleich wieder heraus unter die Bäume, Ebert, sagte Emmy
über die Schulter; und unter den Bäumen und zwischen den Schubkarren hatte
ich eine geraume Zeit allein für mich mit der erloschenen Zigarre zwischen den
Zähnen auf und ab zu wandeln, ehe sich mein Weib wieder zu mir fand. —

Es läßt sich nicht leugnen, großartig ist das wasserverderbende Geschäft am


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[0484] pfisters Mühle. Siebzehntes Blatt. Fräulein Albertine hat etwas nach Berlin zu bestellen. Der Architekt für den neuen Fabrikbau an Stelle von Pfisters Mühle ist gar kein übler Mann, obgleich er keineswegs jenem berühmten Kollegen in den Wahlverwandtschaften gleicht und durchaus nicht „ein Jüngling im vollen Sinne des Wortes" zu nennen ist, sondern als ein weniger wohlgebautes als wohl¬ beleibtes Individuum mit der Veranlagung zu einer Kümmelnase sich darstellt. In Berlin hat er den Doktor Asche kennen gelernt, und in unsrer Stadt, am entgegengesetzten Ende unsrer Pappelallee, gehört vovtor ^juris Riechei zu seinen behaglichsten Bekanntschaften, und der Herr Baumeister weiß ganz genau an¬ zugeben, weshalb es garnicht anders möglich war, als daß jene beiden Herren sehr wohlhabende Leute wurden, „wahre Fettaugen auf unsern bekannten dünnen Bettelsuppen." Es sind beides Phantasiemenschen, meint er, der Architekt, aber alle zwei mit dem richtigen Blick und Griff fürs Praktische. Und, lieber Pfister und gnädige Frau — das Ideale im Praktischen! Das ist auch meine Devise. Ver¬ lassen Sie sich darauf, bester Doktor, Sie sollen auch noch Ihre Freude an dieser Stelle erleben, wenn Sie uns — mir noch einmal mit der Frau Ge¬ mahlin übers Jahr hier das Vergnügen Ihres Besuches schenken wollen. Das Schöne, das Großartige im innigen Verein mit dem Nützlichen! so hält's auch unser gemeinschaftlicher Freund Asche, den ich, wie gesagt, ebenfalls in seinen Anfängen kannte. Und Sie, Pfister, konnten garnichts Gescheiteres thun, als Ihr an hiesiger Stelle überflüssig und nutzlos gewordenes Kapital in seinem Unternehmen anzulegen. Gigantisch — einfach gigantisch das! Und daneben — in feinster Renaissance dieses Lippoldesheim! wundervoll! . . . Nun, ohne mir schmeicheln zu wollen, wir werden jedenfalls unser bestes thun, unsre Gesellschaft und ich, Ihnen etwas ähnlich Jmponireudes auch hier auf Ihres seligen Papas idyllisches Besitztum hinzustellen. Wir verlassen uns fest darauf, daß Sie sich die Geschichte übers Jahr wenigstens mal flüchtig ansehen. Wenn es mir möglich ist, sagte ich müde. Der Architekt mit dem Zirkel in der Hand und der Bleifeder im Munde beugte sich von neuem über seinen in meines Vaters leerem Gastzimmer ausgebreiteten Plan, indem er meine Frau, soweit ihm das möglich war, tiefer sowohl in pas Ideale wie das Praktische, das Schöne wie das Nützliche, das Grandiose, das Jmponirende und das Idyllische desselben mit sich zog. Ich komme gleich wieder heraus unter die Bäume, Ebert, sagte Emmy über die Schulter; und unter den Bäumen und zwischen den Schubkarren hatte ich eine geraume Zeit allein für mich mit der erloschenen Zigarre zwischen den Zähnen auf und ab zu wandeln, ehe sich mein Weib wieder zu mir fand. — Es läßt sich nicht leugnen, großartig ist das wasserverderbende Geschäft am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/484>, abgerufen am 08.05.2024.