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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Zur Frage der zweijährigen Dienstzeit.

eine unsrer vielumstritteneu Hecreseinrichtuugeu zählt wohl so-
viele Gegner als die dreijährige Dienstzeit, Zu ihnen gehört
neben den wenigen, welche aufrichtig an die Möglichkeit einer
allgemeinen Abrüstung glauben, und denjenigen, deren politischem
Ideal unsre festgefügte Armee mit ihrem der Person des Kriegs¬
herrn geleisteten Eide im Wege steht, die große Menge derer, denen jede Ab¬
sicht, die Kriegstüchtigkeit der Armee zu schmälern, fernliegt, die aber gerade
in der Verkürzung der Dienstzeit ein Mittel gefunden zu haben glauben, ohne
eine solche Gefahr die von allen ersehnte Erleichterung der Hecreslasten herbei¬
zuführen.

Für die Agitation bietet sich hier das beste Feld der Thätigkeit. Nichts ist
ja leichter, als einem Laieupublikum plausibel zu machen, daß der gemeine In¬
fanterist keine drei Jahre zu seiner Ausbildung für den Krieg brauche: merkt
man denn einen Unterschied zwischen den Mannschaften der verschiednen Jahr¬
gänge, wenn man einem Manöver oder einer Parade zusieht? Werden nicht
auch jetzt schon eine Menge nach zwei Jahren entlassen? Werden nicht neuer¬
dings die Ersatzreservisten in wenig Wochen ganz leidlich geschult? Da ist
doch augenscheinlich nur eine etwas größere Anspannung des Ansbildungsper-
sonals und vor allem der Wegfall alles "nicht auf den Krieg bezüglichen"
nötig. Hierzu wird dann das gesamte Exerziren im Tritt, der Garnisonwacht-
dienst, manche Übungen im Turnen und Fechten, ja auch die Ausbildung im
feinen Schießen gerechnet, denn "im Kriege wird ja doch nicht lange gezielt."

Giebt es denn aber überhaupt ein Laienpublikum im Lande der allgemeinen
Wehrpflicht? Manche betrachten die Bezeichnung als Laien in militärischen
Dingen fast wie eine Beleidigung, namentlich wenn sie selbst jener Pflicht genügt
haben; während es ihnen garnicht einfällt, sich als Sachverständige in juristischen
Dingen auszugeben, wenn sie auch noch so oft als Geschworene, Schöffen und
Schiedsmcinner fungirt haben. Geht doch eine kürzlich erschienene und -- wenn
man dem betreffenden Vermerk auf dem Titelblatt Glauben schenken darf --
viel gelesene Broschüre (Die Vorrechte der Offiziere im Staate und in der
Gesellschaft) soweit, die Kenntnis der ja "so durchaus einfachen" militä¬
rischen Verhältnisse auch allen denen zuzuschreiben, die zwar nicht selbst ge¬
dient, aber doch -- Verwandte in der Armee haben oder -- gehabt haben!
Allen Respekt vor solchen Kennern, die denn auch, derselben Broschüre zufolge,
wenn sie nur allgemeine Bildung und gesunden Menschenverstand besitzen, ohne


Zur Frage der zweijährigen Dienstzeit.

eine unsrer vielumstritteneu Hecreseinrichtuugeu zählt wohl so-
viele Gegner als die dreijährige Dienstzeit, Zu ihnen gehört
neben den wenigen, welche aufrichtig an die Möglichkeit einer
allgemeinen Abrüstung glauben, und denjenigen, deren politischem
Ideal unsre festgefügte Armee mit ihrem der Person des Kriegs¬
herrn geleisteten Eide im Wege steht, die große Menge derer, denen jede Ab¬
sicht, die Kriegstüchtigkeit der Armee zu schmälern, fernliegt, die aber gerade
in der Verkürzung der Dienstzeit ein Mittel gefunden zu haben glauben, ohne
eine solche Gefahr die von allen ersehnte Erleichterung der Hecreslasten herbei¬
zuführen.

Für die Agitation bietet sich hier das beste Feld der Thätigkeit. Nichts ist
ja leichter, als einem Laieupublikum plausibel zu machen, daß der gemeine In¬
fanterist keine drei Jahre zu seiner Ausbildung für den Krieg brauche: merkt
man denn einen Unterschied zwischen den Mannschaften der verschiednen Jahr¬
gänge, wenn man einem Manöver oder einer Parade zusieht? Werden nicht
auch jetzt schon eine Menge nach zwei Jahren entlassen? Werden nicht neuer¬
dings die Ersatzreservisten in wenig Wochen ganz leidlich geschult? Da ist
doch augenscheinlich nur eine etwas größere Anspannung des Ansbildungsper-
sonals und vor allem der Wegfall alles „nicht auf den Krieg bezüglichen"
nötig. Hierzu wird dann das gesamte Exerziren im Tritt, der Garnisonwacht-
dienst, manche Übungen im Turnen und Fechten, ja auch die Ausbildung im
feinen Schießen gerechnet, denn „im Kriege wird ja doch nicht lange gezielt."

Giebt es denn aber überhaupt ein Laienpublikum im Lande der allgemeinen
Wehrpflicht? Manche betrachten die Bezeichnung als Laien in militärischen
Dingen fast wie eine Beleidigung, namentlich wenn sie selbst jener Pflicht genügt
haben; während es ihnen garnicht einfällt, sich als Sachverständige in juristischen
Dingen auszugeben, wenn sie auch noch so oft als Geschworene, Schöffen und
Schiedsmcinner fungirt haben. Geht doch eine kürzlich erschienene und — wenn
man dem betreffenden Vermerk auf dem Titelblatt Glauben schenken darf —
viel gelesene Broschüre (Die Vorrechte der Offiziere im Staate und in der
Gesellschaft) soweit, die Kenntnis der ja „so durchaus einfachen" militä¬
rischen Verhältnisse auch allen denen zuzuschreiben, die zwar nicht selbst ge¬
dient, aber doch — Verwandte in der Armee haben oder — gehabt haben!
Allen Respekt vor solchen Kennern, die denn auch, derselben Broschüre zufolge,
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[0649] Zur Frage der zweijährigen Dienstzeit. eine unsrer vielumstritteneu Hecreseinrichtuugeu zählt wohl so- viele Gegner als die dreijährige Dienstzeit, Zu ihnen gehört neben den wenigen, welche aufrichtig an die Möglichkeit einer allgemeinen Abrüstung glauben, und denjenigen, deren politischem Ideal unsre festgefügte Armee mit ihrem der Person des Kriegs¬ herrn geleisteten Eide im Wege steht, die große Menge derer, denen jede Ab¬ sicht, die Kriegstüchtigkeit der Armee zu schmälern, fernliegt, die aber gerade in der Verkürzung der Dienstzeit ein Mittel gefunden zu haben glauben, ohne eine solche Gefahr die von allen ersehnte Erleichterung der Hecreslasten herbei¬ zuführen. Für die Agitation bietet sich hier das beste Feld der Thätigkeit. Nichts ist ja leichter, als einem Laieupublikum plausibel zu machen, daß der gemeine In¬ fanterist keine drei Jahre zu seiner Ausbildung für den Krieg brauche: merkt man denn einen Unterschied zwischen den Mannschaften der verschiednen Jahr¬ gänge, wenn man einem Manöver oder einer Parade zusieht? Werden nicht auch jetzt schon eine Menge nach zwei Jahren entlassen? Werden nicht neuer¬ dings die Ersatzreservisten in wenig Wochen ganz leidlich geschult? Da ist doch augenscheinlich nur eine etwas größere Anspannung des Ansbildungsper- sonals und vor allem der Wegfall alles „nicht auf den Krieg bezüglichen" nötig. Hierzu wird dann das gesamte Exerziren im Tritt, der Garnisonwacht- dienst, manche Übungen im Turnen und Fechten, ja auch die Ausbildung im feinen Schießen gerechnet, denn „im Kriege wird ja doch nicht lange gezielt." Giebt es denn aber überhaupt ein Laienpublikum im Lande der allgemeinen Wehrpflicht? Manche betrachten die Bezeichnung als Laien in militärischen Dingen fast wie eine Beleidigung, namentlich wenn sie selbst jener Pflicht genügt haben; während es ihnen garnicht einfällt, sich als Sachverständige in juristischen Dingen auszugeben, wenn sie auch noch so oft als Geschworene, Schöffen und Schiedsmcinner fungirt haben. Geht doch eine kürzlich erschienene und — wenn man dem betreffenden Vermerk auf dem Titelblatt Glauben schenken darf — viel gelesene Broschüre (Die Vorrechte der Offiziere im Staate und in der Gesellschaft) soweit, die Kenntnis der ja „so durchaus einfachen" militä¬ rischen Verhältnisse auch allen denen zuzuschreiben, die zwar nicht selbst ge¬ dient, aber doch — Verwandte in der Armee haben oder — gehabt haben! Allen Respekt vor solchen Kennern, die denn auch, derselben Broschüre zufolge, wenn sie nur allgemeine Bildung und gesunden Menschenverstand besitzen, ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/649>, abgerufen am 04.05.2024.