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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Zur Frage der zweijährigen Dienstzeit.

weiteres zur Führung einer Kompagnie und eines Bataillons "im Frieden aus¬
reichend und im Kriege sogar sehr gut" befähigt sind! Solchen noch etwas
von militärischen Dingen auseinandersetzen zu wolle", wäre geradezu vermessen.
Die folgenden Zeilen sind daher auch nur für solche Nichtmilitärs bestimmt,
die sich trotz alledem in militärischer Hinsicht als Laien oder Dilettanten fühlen.

Es liegt zunächst in der Forderung der zweijährigen Präsenzzeit und der
Behauptung, daß die Armee dadurch keine Einbuße erleiden würde, weil ja an
der Kriegsstärke sich nichts ändere, eine Überschätzung der Zahl auf Kosten der
Güte der Truppen. Nicht die Übermacht hat uns gegen die Heere der fran¬
zösischen Republik den Sieg verschafft, auch nicht die bessere Bewaffnung
-- beides war auf Seiten der Gegner, und leicht kann es wieder so kommen --,
sondern, neben der überlegenen Führung, die bessere Ausbildung unsrer Truppen,

Wieviel Zeit und Mühe es nun aber kostet, unserm Landmann oder Hand¬
werker den geschickten Gebrauch aller seiner Gliedmaßen und diejenige zweck¬
mäßige Verwendung seiner Kräfte zu lehren, welche allein zur dauernden Er¬
tragung der Strapazen des Felddienftes befähigt, das vermag nur der Berufssoldat
vermöge langjähriger Erfahrungen zu beurteilen. Ähnlich verhält es sich mit
der Ausbildung im Schießen; daß aber nicht nur in der Theorie, sondern in
Wirklichkeit auch heute noch gute Schützen den schlechten überlegen sind, selbst
wenn die letztern die besten und am schnellsten feuernder Gewehre führen, das
haben die Engländer den Boers gegenüber erfahren.

Eine gute, im Ernstfall nicht versagende Disziplin ferner läßt sich nur
durch dauernde Gewöhnung an unbedingten Gehorsam, peinlichste Ordnung und
Pünktlichkeit erzielen; hierzu sind aber min einmal noch keine bessern Mittel
erfunden als der sogenannte "Drill" auf dem Exerzierplatze und der Wacht-
dienst. Endlich genügt es nicht, die Leute dahin zu bringen, daß sie dem
Kommando oder der Signalpfeife folgen, sondern ihr Verständnis für das
Gefecht muß soweit gefördert werden, daß sie jeden Wink richtig verstehen und
deuten, daß sie schließlich selbst ohne Führer -- diese werden im letzten Moment
oft genug fehlen -- gewohnheitsmäßig, instinktiv dem einmal gegebenen Im¬
pulse in richtiger Weise folgen. Jeder einzelne soll dabei verstehen, das Terrain
zur eignen Deckung gehörig auszunutzen, und außerdem müssen sich in jeder
Kompagnie eine ganze Anzahl von Leuten finden, die zu Patrouillen- und
Gruppenführern geeignet sind. In dieser Notwendigkeit, die Leute einerseits zur
straffster Disziplin, andrerseits zu großer Selbständigkeit zu erziehen, liegt
augenscheinlich eine enorme Schwierigkeit,

Gerade an den Jnfanteristen werden heutzutage in beiden Beziehungen
ungemein große Ansprüche gemacht: seine Disziplin wird auf die härtesten
Proben gestellt, von seiner Findigkeit und Gewandtheit das höchste verlangt;
es charakterisirt daher recht den Laienstandpunkt, wenn gerade für diese Waffe
die kürzere Dienstzeit als besonders leicht einsührbar bezeichnet wird.


Zur Frage der zweijährigen Dienstzeit.

weiteres zur Führung einer Kompagnie und eines Bataillons „im Frieden aus¬
reichend und im Kriege sogar sehr gut" befähigt sind! Solchen noch etwas
von militärischen Dingen auseinandersetzen zu wolle», wäre geradezu vermessen.
Die folgenden Zeilen sind daher auch nur für solche Nichtmilitärs bestimmt,
die sich trotz alledem in militärischer Hinsicht als Laien oder Dilettanten fühlen.

Es liegt zunächst in der Forderung der zweijährigen Präsenzzeit und der
Behauptung, daß die Armee dadurch keine Einbuße erleiden würde, weil ja an
der Kriegsstärke sich nichts ändere, eine Überschätzung der Zahl auf Kosten der
Güte der Truppen. Nicht die Übermacht hat uns gegen die Heere der fran¬
zösischen Republik den Sieg verschafft, auch nicht die bessere Bewaffnung
— beides war auf Seiten der Gegner, und leicht kann es wieder so kommen —,
sondern, neben der überlegenen Führung, die bessere Ausbildung unsrer Truppen,

Wieviel Zeit und Mühe es nun aber kostet, unserm Landmann oder Hand¬
werker den geschickten Gebrauch aller seiner Gliedmaßen und diejenige zweck¬
mäßige Verwendung seiner Kräfte zu lehren, welche allein zur dauernden Er¬
tragung der Strapazen des Felddienftes befähigt, das vermag nur der Berufssoldat
vermöge langjähriger Erfahrungen zu beurteilen. Ähnlich verhält es sich mit
der Ausbildung im Schießen; daß aber nicht nur in der Theorie, sondern in
Wirklichkeit auch heute noch gute Schützen den schlechten überlegen sind, selbst
wenn die letztern die besten und am schnellsten feuernder Gewehre führen, das
haben die Engländer den Boers gegenüber erfahren.

Eine gute, im Ernstfall nicht versagende Disziplin ferner läßt sich nur
durch dauernde Gewöhnung an unbedingten Gehorsam, peinlichste Ordnung und
Pünktlichkeit erzielen; hierzu sind aber min einmal noch keine bessern Mittel
erfunden als der sogenannte „Drill" auf dem Exerzierplatze und der Wacht-
dienst. Endlich genügt es nicht, die Leute dahin zu bringen, daß sie dem
Kommando oder der Signalpfeife folgen, sondern ihr Verständnis für das
Gefecht muß soweit gefördert werden, daß sie jeden Wink richtig verstehen und
deuten, daß sie schließlich selbst ohne Führer — diese werden im letzten Moment
oft genug fehlen — gewohnheitsmäßig, instinktiv dem einmal gegebenen Im¬
pulse in richtiger Weise folgen. Jeder einzelne soll dabei verstehen, das Terrain
zur eignen Deckung gehörig auszunutzen, und außerdem müssen sich in jeder
Kompagnie eine ganze Anzahl von Leuten finden, die zu Patrouillen- und
Gruppenführern geeignet sind. In dieser Notwendigkeit, die Leute einerseits zur
straffster Disziplin, andrerseits zu großer Selbständigkeit zu erziehen, liegt
augenscheinlich eine enorme Schwierigkeit,

Gerade an den Jnfanteristen werden heutzutage in beiden Beziehungen
ungemein große Ansprüche gemacht: seine Disziplin wird auf die härtesten
Proben gestellt, von seiner Findigkeit und Gewandtheit das höchste verlangt;
es charakterisirt daher recht den Laienstandpunkt, wenn gerade für diese Waffe
die kürzere Dienstzeit als besonders leicht einsührbar bezeichnet wird.


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[0650] Zur Frage der zweijährigen Dienstzeit. weiteres zur Führung einer Kompagnie und eines Bataillons „im Frieden aus¬ reichend und im Kriege sogar sehr gut" befähigt sind! Solchen noch etwas von militärischen Dingen auseinandersetzen zu wolle», wäre geradezu vermessen. Die folgenden Zeilen sind daher auch nur für solche Nichtmilitärs bestimmt, die sich trotz alledem in militärischer Hinsicht als Laien oder Dilettanten fühlen. Es liegt zunächst in der Forderung der zweijährigen Präsenzzeit und der Behauptung, daß die Armee dadurch keine Einbuße erleiden würde, weil ja an der Kriegsstärke sich nichts ändere, eine Überschätzung der Zahl auf Kosten der Güte der Truppen. Nicht die Übermacht hat uns gegen die Heere der fran¬ zösischen Republik den Sieg verschafft, auch nicht die bessere Bewaffnung — beides war auf Seiten der Gegner, und leicht kann es wieder so kommen —, sondern, neben der überlegenen Führung, die bessere Ausbildung unsrer Truppen, Wieviel Zeit und Mühe es nun aber kostet, unserm Landmann oder Hand¬ werker den geschickten Gebrauch aller seiner Gliedmaßen und diejenige zweck¬ mäßige Verwendung seiner Kräfte zu lehren, welche allein zur dauernden Er¬ tragung der Strapazen des Felddienftes befähigt, das vermag nur der Berufssoldat vermöge langjähriger Erfahrungen zu beurteilen. Ähnlich verhält es sich mit der Ausbildung im Schießen; daß aber nicht nur in der Theorie, sondern in Wirklichkeit auch heute noch gute Schützen den schlechten überlegen sind, selbst wenn die letztern die besten und am schnellsten feuernder Gewehre führen, das haben die Engländer den Boers gegenüber erfahren. Eine gute, im Ernstfall nicht versagende Disziplin ferner läßt sich nur durch dauernde Gewöhnung an unbedingten Gehorsam, peinlichste Ordnung und Pünktlichkeit erzielen; hierzu sind aber min einmal noch keine bessern Mittel erfunden als der sogenannte „Drill" auf dem Exerzierplatze und der Wacht- dienst. Endlich genügt es nicht, die Leute dahin zu bringen, daß sie dem Kommando oder der Signalpfeife folgen, sondern ihr Verständnis für das Gefecht muß soweit gefördert werden, daß sie jeden Wink richtig verstehen und deuten, daß sie schließlich selbst ohne Führer — diese werden im letzten Moment oft genug fehlen — gewohnheitsmäßig, instinktiv dem einmal gegebenen Im¬ pulse in richtiger Weise folgen. Jeder einzelne soll dabei verstehen, das Terrain zur eignen Deckung gehörig auszunutzen, und außerdem müssen sich in jeder Kompagnie eine ganze Anzahl von Leuten finden, die zu Patrouillen- und Gruppenführern geeignet sind. In dieser Notwendigkeit, die Leute einerseits zur straffster Disziplin, andrerseits zu großer Selbständigkeit zu erziehen, liegt augenscheinlich eine enorme Schwierigkeit, Gerade an den Jnfanteristen werden heutzutage in beiden Beziehungen ungemein große Ansprüche gemacht: seine Disziplin wird auf die härtesten Proben gestellt, von seiner Findigkeit und Gewandtheit das höchste verlangt; es charakterisirt daher recht den Laienstandpunkt, wenn gerade für diese Waffe die kürzere Dienstzeit als besonders leicht einsührbar bezeichnet wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/650>, abgerufen am 24.05.2024.