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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Kommilitonen.
Novelle von A. R. N). Uschner. (Fvrtschung.)
2.

le Aula in dem nenausgeführten Anbau des Gymnasiums sah
genau so aus wie andre Schulsäle: ein Katheder, davor ein
Auftritt für die Sprecher niederen Grades, war an der Mittel¬
wand angebracht, ein freier Raum davor, rechts und links durch
Stühle begrenzt, im übrigen füllten den Saal Bänke ans.

Zunächst drängte sich alles ungeordnet durcheinander, bis der Gymnasial-
direktor das obere Katheder bestieg und mit der Glocke ein Zeichen gab.

Hierauf hob ein vierstimmiger Schülergesang an, ein Chören, der die Fest¬
handlung einleitete. Die Lehrer nahmen links, die Spitzen der Behörden rechts
die Stühle ein, die andern fanden auf den Bänken Platz, die Schüler auf den
hintersten. Der Saal war gedrückt voll.

Der Direktor sprach einige Worte der Begrüßung an die überaus zahl¬
reich eingetroffenen Kommilitonen, teilte den Inhalt des schon draußen an der
Kirche ausgegebenen Programms mit und ging dann zur Erledigung des erste,?
Teiles desselben über, zur Einzeichnung der Festgenossen in das Album, ein
rvtgebundenes großes Heft, dessen Spalten ausgefüllt werden sollten.

Dies vollzog sich in der Weise, daß die einzelnen Jahrgänge der Abitu¬
rienten von 1833 ab aufgerufen wurden und jeder Zugehörige seinen vollen
Namen, das Alter, das Fachstudium, die Universität, das Amt, die Würde, den
Anstellungsort angab. Es ist dies eine Einteilung, welche, weil sie ausschlie߬
lich Gelehrtenfücher und Beamten begreift, sich ohnehin als unzureichend er¬
weist; hier aber erregte sie peinlichen Anstoß, wenn ein oder der andre Herr
angeben mußte, daß er das Abiturientenexamen nicht gemacht, ein Fachstudium
nicht erwählt, eine Universität nicht besucht, ein Amt nicht erlangt habe.




Die Kommilitonen.
Novelle von A. R. N). Uschner. (Fvrtschung.)
2.

le Aula in dem nenausgeführten Anbau des Gymnasiums sah
genau so aus wie andre Schulsäle: ein Katheder, davor ein
Auftritt für die Sprecher niederen Grades, war an der Mittel¬
wand angebracht, ein freier Raum davor, rechts und links durch
Stühle begrenzt, im übrigen füllten den Saal Bänke ans.

Zunächst drängte sich alles ungeordnet durcheinander, bis der Gymnasial-
direktor das obere Katheder bestieg und mit der Glocke ein Zeichen gab.

Hierauf hob ein vierstimmiger Schülergesang an, ein Chören, der die Fest¬
handlung einleitete. Die Lehrer nahmen links, die Spitzen der Behörden rechts
die Stühle ein, die andern fanden auf den Bänken Platz, die Schüler auf den
hintersten. Der Saal war gedrückt voll.

Der Direktor sprach einige Worte der Begrüßung an die überaus zahl¬
reich eingetroffenen Kommilitonen, teilte den Inhalt des schon draußen an der
Kirche ausgegebenen Programms mit und ging dann zur Erledigung des erste,?
Teiles desselben über, zur Einzeichnung der Festgenossen in das Album, ein
rvtgebundenes großes Heft, dessen Spalten ausgefüllt werden sollten.

Dies vollzog sich in der Weise, daß die einzelnen Jahrgänge der Abitu¬
rienten von 1833 ab aufgerufen wurden und jeder Zugehörige seinen vollen
Namen, das Alter, das Fachstudium, die Universität, das Amt, die Würde, den
Anstellungsort angab. Es ist dies eine Einteilung, welche, weil sie ausschlie߬
lich Gelehrtenfücher und Beamten begreift, sich ohnehin als unzureichend er¬
weist; hier aber erregte sie peinlichen Anstoß, wenn ein oder der andre Herr
angeben mußte, daß er das Abiturientenexamen nicht gemacht, ein Fachstudium
nicht erwählt, eine Universität nicht besucht, ein Amt nicht erlangt habe.


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[0107] [Abbildung] Die Kommilitonen. Novelle von A. R. N). Uschner. (Fvrtschung.) 2. le Aula in dem nenausgeführten Anbau des Gymnasiums sah genau so aus wie andre Schulsäle: ein Katheder, davor ein Auftritt für die Sprecher niederen Grades, war an der Mittel¬ wand angebracht, ein freier Raum davor, rechts und links durch Stühle begrenzt, im übrigen füllten den Saal Bänke ans. Zunächst drängte sich alles ungeordnet durcheinander, bis der Gymnasial- direktor das obere Katheder bestieg und mit der Glocke ein Zeichen gab. Hierauf hob ein vierstimmiger Schülergesang an, ein Chören, der die Fest¬ handlung einleitete. Die Lehrer nahmen links, die Spitzen der Behörden rechts die Stühle ein, die andern fanden auf den Bänken Platz, die Schüler auf den hintersten. Der Saal war gedrückt voll. Der Direktor sprach einige Worte der Begrüßung an die überaus zahl¬ reich eingetroffenen Kommilitonen, teilte den Inhalt des schon draußen an der Kirche ausgegebenen Programms mit und ging dann zur Erledigung des erste,? Teiles desselben über, zur Einzeichnung der Festgenossen in das Album, ein rvtgebundenes großes Heft, dessen Spalten ausgefüllt werden sollten. Dies vollzog sich in der Weise, daß die einzelnen Jahrgänge der Abitu¬ rienten von 1833 ab aufgerufen wurden und jeder Zugehörige seinen vollen Namen, das Alter, das Fachstudium, die Universität, das Amt, die Würde, den Anstellungsort angab. Es ist dies eine Einteilung, welche, weil sie ausschlie߬ lich Gelehrtenfücher und Beamten begreift, sich ohnehin als unzureichend er¬ weist; hier aber erregte sie peinlichen Anstoß, wenn ein oder der andre Herr angeben mußte, daß er das Abiturientenexamen nicht gemacht, ein Fachstudium nicht erwählt, eine Universität nicht besucht, ein Amt nicht erlangt habe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/107>, abgerufen am 30.04.2024.