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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Lucia-Bucht.

or ungefähr neun Jahren hatten, wie die "Kolonial-Politische
Korrespondenz" meldet, zwei Herren eine Unterredung mit dem
Reichskanzler, die sich auf die Gründung einer deutschen Nieder¬
lassung im südlichen Afrika bezog, Sie waren durch Studien
zu der Überzeugung gelangt, daß Deutschland zur Verwertung
seiner überschüssige" Menschenkraft, die jetzt mit der Auswanderung nach Nord¬
amerika unsrer Nationalität mehr oder minder verloren geht und die Konkurrenz
für unsre Industrie mir verstärken muß, eignen Kolonialbesitz bedürfe, und daß
sich zu diesem Zwecke vor allem Südafrika mit den Republiken der Boers
empfehle. Die in diesen Republiken damals herrschende Sehnsucht nach Beistand,
um England gegenüber unabhängig zu bleiben, die sehr günstigen klimatischen
Verhältnisse, die Fruchtbarkeit des Bodens und die Verwandtschaft der Be¬
völkerung jener Länder mit uns, alles hatte sie auf dieses weite Gebiet hin¬
gewiesen, Sie hatten darauf sich genaueres Material verschafft und einen
ausführlichen Plan zu einem Unternehmen in der erwähnten Richtung entworfen,
den sie nun dem Kanzler entwickeln durften. Dieser Plan hatte folgende Haupt¬
gedanken: Man versuche, die deutsche Auswanderung nach dein südlichen Afrika
zu lenken, man lehne sich zu diesem Ende an den Staat der Boers, die
"Südafrikanische Republik" jenseits des Veni, an und lasse durch eine Gesellschaft
die Delcigva- oder die Santa Lucia-Bucht erwerben und durch eine Eisenbahn
mit Pretoria, der Hauptstadt jener binnenländischen, also küstenlosen Republik
verbinden; mau richte endlich eine Dampfergclcgcnhcit zwischen Bremen oder
Hamburg und der gewählten Bucht ein, und schou im Verlaufe von einem
Jahrzehnt kann hier und weiter landeinwärts eine ansehnliche deutsche Nieder¬
lassung im Aufblühen begriffen sein. Der Kanzler fand diesen Plan der


Gmizbn^n I. 1885. 21


Die Lucia-Bucht.

or ungefähr neun Jahren hatten, wie die „Kolonial-Politische
Korrespondenz" meldet, zwei Herren eine Unterredung mit dem
Reichskanzler, die sich auf die Gründung einer deutschen Nieder¬
lassung im südlichen Afrika bezog, Sie waren durch Studien
zu der Überzeugung gelangt, daß Deutschland zur Verwertung
seiner überschüssige» Menschenkraft, die jetzt mit der Auswanderung nach Nord¬
amerika unsrer Nationalität mehr oder minder verloren geht und die Konkurrenz
für unsre Industrie mir verstärken muß, eignen Kolonialbesitz bedürfe, und daß
sich zu diesem Zwecke vor allem Südafrika mit den Republiken der Boers
empfehle. Die in diesen Republiken damals herrschende Sehnsucht nach Beistand,
um England gegenüber unabhängig zu bleiben, die sehr günstigen klimatischen
Verhältnisse, die Fruchtbarkeit des Bodens und die Verwandtschaft der Be¬
völkerung jener Länder mit uns, alles hatte sie auf dieses weite Gebiet hin¬
gewiesen, Sie hatten darauf sich genaueres Material verschafft und einen
ausführlichen Plan zu einem Unternehmen in der erwähnten Richtung entworfen,
den sie nun dem Kanzler entwickeln durften. Dieser Plan hatte folgende Haupt¬
gedanken: Man versuche, die deutsche Auswanderung nach dein südlichen Afrika
zu lenken, man lehne sich zu diesem Ende an den Staat der Boers, die
„Südafrikanische Republik" jenseits des Veni, an und lasse durch eine Gesellschaft
die Delcigva- oder die Santa Lucia-Bucht erwerben und durch eine Eisenbahn
mit Pretoria, der Hauptstadt jener binnenländischen, also küstenlosen Republik
verbinden; mau richte endlich eine Dampfergclcgcnhcit zwischen Bremen oder
Hamburg und der gewählten Bucht ein, und schou im Verlaufe von einem
Jahrzehnt kann hier und weiter landeinwärts eine ansehnliche deutsche Nieder¬
lassung im Aufblühen begriffen sein. Der Kanzler fand diesen Plan der


Gmizbn^n I. 1885. 21
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[0173] [Abbildung] Die Lucia-Bucht. or ungefähr neun Jahren hatten, wie die „Kolonial-Politische Korrespondenz" meldet, zwei Herren eine Unterredung mit dem Reichskanzler, die sich auf die Gründung einer deutschen Nieder¬ lassung im südlichen Afrika bezog, Sie waren durch Studien zu der Überzeugung gelangt, daß Deutschland zur Verwertung seiner überschüssige» Menschenkraft, die jetzt mit der Auswanderung nach Nord¬ amerika unsrer Nationalität mehr oder minder verloren geht und die Konkurrenz für unsre Industrie mir verstärken muß, eignen Kolonialbesitz bedürfe, und daß sich zu diesem Zwecke vor allem Südafrika mit den Republiken der Boers empfehle. Die in diesen Republiken damals herrschende Sehnsucht nach Beistand, um England gegenüber unabhängig zu bleiben, die sehr günstigen klimatischen Verhältnisse, die Fruchtbarkeit des Bodens und die Verwandtschaft der Be¬ völkerung jener Länder mit uns, alles hatte sie auf dieses weite Gebiet hin¬ gewiesen, Sie hatten darauf sich genaueres Material verschafft und einen ausführlichen Plan zu einem Unternehmen in der erwähnten Richtung entworfen, den sie nun dem Kanzler entwickeln durften. Dieser Plan hatte folgende Haupt¬ gedanken: Man versuche, die deutsche Auswanderung nach dein südlichen Afrika zu lenken, man lehne sich zu diesem Ende an den Staat der Boers, die „Südafrikanische Republik" jenseits des Veni, an und lasse durch eine Gesellschaft die Delcigva- oder die Santa Lucia-Bucht erwerben und durch eine Eisenbahn mit Pretoria, der Hauptstadt jener binnenländischen, also küstenlosen Republik verbinden; mau richte endlich eine Dampfergclcgcnhcit zwischen Bremen oder Hamburg und der gewählten Bucht ein, und schou im Verlaufe von einem Jahrzehnt kann hier und weiter landeinwärts eine ansehnliche deutsche Nieder¬ lassung im Aufblühen begriffen sein. Der Kanzler fand diesen Plan der Gmizbn^n I. 1885. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/173>, abgerufen am 30.04.2024.