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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Erörterung wert, meinte aber, die Ausführung desselben würde sehr bedeutende
Mittel erfordern, und wenn die Herren ein eine Staatssnbventivn dächten, so
könne er nicht dienen, da der gegenwärtige Reichstag das dazu nötige Geld
nicht bewilligen werde. Man erwiederte ihm, es werde lediglich auf eine Zinsen-
garcmtie für die Dampferlinic und die Eisenbahn gehofft, und dazu würde el"
Staatszuschuß von fünf Millionen Mark jährlich hinreichen. Der Fürst fand
diese Summe nicht zu hoch, wollte jedoch kein Versprechen geben, da die politische
Lage uoch zu ungünstig sei, Frankreichs Eifersucht und Englands Empfindlichkeit
geschont werden müßten und der Kulturkampf der Sache im Wege stehe. Die
Herren entgegneten, das deutsche Reich brauche dieselbe nicht offiziell in die
Hand zunehmen, es werde genügen, wenn dasselbe eine Dampfersnbvcntion zur
Belebung des deutschen überseeischen Handels gewähre und die betreffende
Privatgesellschaft chien Landungsplatz im südöstlichen Afrika erwürbe, England
habe man nicht zu fürchten, da die Abneigung der Boers gegen die britische
Herrschaft dieser über kurz oder laug in Südafrika ein Ende machen werde, ohne
daß Fremde dazu mitwirkten. Die Unterredung endete damit, daß der Kanzler,
nachdem er die Herren gebeten, die von ihnen gesanunelten Darstellungen, Be¬
rechnungen und Karten ihm zum Studium zurückzulassen, mit der Erklärung
schloß, der gegenwärtige Zeitpunkt sei sehr ungünstig, erst müsse in der Nation
ein fruchtbarer Boden für derartige Unternehmungen geschaffen werden, und
dann müsse die äußere Lage sich anders gestalten. Hierauf rechne er mit Be¬
stimmtheit, und dann könne man handeln. Acht bis neun Jahre könnten noch
vergehen, bis die Frage für ihn reif sei.

Daß Fürst Bismcirck die Angelegenheit im Auge behalten und mit der
Lösung der Frage begonnen hat, beweise" die neuesten Ereignisse, das Weißbuch
mit seinen Aufschlüssen, die Übernahme der Kolonie zu Angra Pequcun in den
Schutz des Reiches, die Vorlage wegen der Dampfersubventivu und andres.
Jetzt stehen wir vor der wichtigen Frage, ob anch die Dclagoci- oder die Lueia-
Bucht, welche die Verbindung mit dem Staate der Boers und die deutsche
Auswanderung nach demselben ermöglichen würde, von privater Seite erworben
und unter deutsches Protektorat gestellt werden kann.

Um die Wichtigkeit der genannten Buchten würdigen zu können, müssen
wir einen Blick ans die Gebiete und Kolonien werfen, welche sich um daS
Hauptland Südafrikas, das große, unregelmäßige Dreieck der Kapkolonie,
gruppiren. Die Kapkolonie erstreckt sich im Westen bis zum Ausflüsse des
Oraujeflusses, auf dessen anderm Ufer das Namaland mit der Lüderitzschcn
Besitzung Angra Peqncna beginnt, welches seinerseits im Norden an die Ge¬
biete der Hcrcrvs und Damaras und im Osten an die sogenannte Kalahari-
Wüste stößt. Die letztere ist keineswegs durchweg unfruchtbar und menschenleer,
sondern vielfach bewässert lind dicht bewaldet, auch nicht arm an Weidegründcu,
wie das benachbarte Bctschuaneuland und die nordöstlich sich anschließende "Süd-


Erörterung wert, meinte aber, die Ausführung desselben würde sehr bedeutende
Mittel erfordern, und wenn die Herren ein eine Staatssnbventivn dächten, so
könne er nicht dienen, da der gegenwärtige Reichstag das dazu nötige Geld
nicht bewilligen werde. Man erwiederte ihm, es werde lediglich auf eine Zinsen-
garcmtie für die Dampferlinic und die Eisenbahn gehofft, und dazu würde el»
Staatszuschuß von fünf Millionen Mark jährlich hinreichen. Der Fürst fand
diese Summe nicht zu hoch, wollte jedoch kein Versprechen geben, da die politische
Lage uoch zu ungünstig sei, Frankreichs Eifersucht und Englands Empfindlichkeit
geschont werden müßten und der Kulturkampf der Sache im Wege stehe. Die
Herren entgegneten, das deutsche Reich brauche dieselbe nicht offiziell in die
Hand zunehmen, es werde genügen, wenn dasselbe eine Dampfersnbvcntion zur
Belebung des deutschen überseeischen Handels gewähre und die betreffende
Privatgesellschaft chien Landungsplatz im südöstlichen Afrika erwürbe, England
habe man nicht zu fürchten, da die Abneigung der Boers gegen die britische
Herrschaft dieser über kurz oder laug in Südafrika ein Ende machen werde, ohne
daß Fremde dazu mitwirkten. Die Unterredung endete damit, daß der Kanzler,
nachdem er die Herren gebeten, die von ihnen gesanunelten Darstellungen, Be¬
rechnungen und Karten ihm zum Studium zurückzulassen, mit der Erklärung
schloß, der gegenwärtige Zeitpunkt sei sehr ungünstig, erst müsse in der Nation
ein fruchtbarer Boden für derartige Unternehmungen geschaffen werden, und
dann müsse die äußere Lage sich anders gestalten. Hierauf rechne er mit Be¬
stimmtheit, und dann könne man handeln. Acht bis neun Jahre könnten noch
vergehen, bis die Frage für ihn reif sei.

Daß Fürst Bismcirck die Angelegenheit im Auge behalten und mit der
Lösung der Frage begonnen hat, beweise» die neuesten Ereignisse, das Weißbuch
mit seinen Aufschlüssen, die Übernahme der Kolonie zu Angra Pequcun in den
Schutz des Reiches, die Vorlage wegen der Dampfersubventivu und andres.
Jetzt stehen wir vor der wichtigen Frage, ob anch die Dclagoci- oder die Lueia-
Bucht, welche die Verbindung mit dem Staate der Boers und die deutsche
Auswanderung nach demselben ermöglichen würde, von privater Seite erworben
und unter deutsches Protektorat gestellt werden kann.

Um die Wichtigkeit der genannten Buchten würdigen zu können, müssen
wir einen Blick ans die Gebiete und Kolonien werfen, welche sich um daS
Hauptland Südafrikas, das große, unregelmäßige Dreieck der Kapkolonie,
gruppiren. Die Kapkolonie erstreckt sich im Westen bis zum Ausflüsse des
Oraujeflusses, auf dessen anderm Ufer das Namaland mit der Lüderitzschcn
Besitzung Angra Peqncna beginnt, welches seinerseits im Norden an die Ge¬
biete der Hcrcrvs und Damaras und im Osten an die sogenannte Kalahari-
Wüste stößt. Die letztere ist keineswegs durchweg unfruchtbar und menschenleer,
sondern vielfach bewässert lind dicht bewaldet, auch nicht arm an Weidegründcu,
wie das benachbarte Bctschuaneuland und die nordöstlich sich anschließende „Süd-


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[0174] Erörterung wert, meinte aber, die Ausführung desselben würde sehr bedeutende Mittel erfordern, und wenn die Herren ein eine Staatssnbventivn dächten, so könne er nicht dienen, da der gegenwärtige Reichstag das dazu nötige Geld nicht bewilligen werde. Man erwiederte ihm, es werde lediglich auf eine Zinsen- garcmtie für die Dampferlinic und die Eisenbahn gehofft, und dazu würde el» Staatszuschuß von fünf Millionen Mark jährlich hinreichen. Der Fürst fand diese Summe nicht zu hoch, wollte jedoch kein Versprechen geben, da die politische Lage uoch zu ungünstig sei, Frankreichs Eifersucht und Englands Empfindlichkeit geschont werden müßten und der Kulturkampf der Sache im Wege stehe. Die Herren entgegneten, das deutsche Reich brauche dieselbe nicht offiziell in die Hand zunehmen, es werde genügen, wenn dasselbe eine Dampfersnbvcntion zur Belebung des deutschen überseeischen Handels gewähre und die betreffende Privatgesellschaft chien Landungsplatz im südöstlichen Afrika erwürbe, England habe man nicht zu fürchten, da die Abneigung der Boers gegen die britische Herrschaft dieser über kurz oder laug in Südafrika ein Ende machen werde, ohne daß Fremde dazu mitwirkten. Die Unterredung endete damit, daß der Kanzler, nachdem er die Herren gebeten, die von ihnen gesanunelten Darstellungen, Be¬ rechnungen und Karten ihm zum Studium zurückzulassen, mit der Erklärung schloß, der gegenwärtige Zeitpunkt sei sehr ungünstig, erst müsse in der Nation ein fruchtbarer Boden für derartige Unternehmungen geschaffen werden, und dann müsse die äußere Lage sich anders gestalten. Hierauf rechne er mit Be¬ stimmtheit, und dann könne man handeln. Acht bis neun Jahre könnten noch vergehen, bis die Frage für ihn reif sei. Daß Fürst Bismcirck die Angelegenheit im Auge behalten und mit der Lösung der Frage begonnen hat, beweise» die neuesten Ereignisse, das Weißbuch mit seinen Aufschlüssen, die Übernahme der Kolonie zu Angra Pequcun in den Schutz des Reiches, die Vorlage wegen der Dampfersubventivu und andres. Jetzt stehen wir vor der wichtigen Frage, ob anch die Dclagoci- oder die Lueia- Bucht, welche die Verbindung mit dem Staate der Boers und die deutsche Auswanderung nach demselben ermöglichen würde, von privater Seite erworben und unter deutsches Protektorat gestellt werden kann. Um die Wichtigkeit der genannten Buchten würdigen zu können, müssen wir einen Blick ans die Gebiete und Kolonien werfen, welche sich um daS Hauptland Südafrikas, das große, unregelmäßige Dreieck der Kapkolonie, gruppiren. Die Kapkolonie erstreckt sich im Westen bis zum Ausflüsse des Oraujeflusses, auf dessen anderm Ufer das Namaland mit der Lüderitzschcn Besitzung Angra Peqncna beginnt, welches seinerseits im Norden an die Ge¬ biete der Hcrcrvs und Damaras und im Osten an die sogenannte Kalahari- Wüste stößt. Die letztere ist keineswegs durchweg unfruchtbar und menschenleer, sondern vielfach bewässert lind dicht bewaldet, auch nicht arm an Weidegründcu, wie das benachbarte Bctschuaneuland und die nordöstlich sich anschließende „Süd-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/174>, abgerufen am 22.05.2024.