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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Literatur.

erinnerte, wie ungern Juweliere mit mehr als einer Person zur Zeit zu thun
haben, weshalb er die beiden überflüssigen Zuschauer hinausschickte.

Es war zwischen Ephraim und Giuseppe unterwegs verabredet worden,
daß sich Ephraim zunächst hauptsächlich mit den zu Floridas Augenweide mit¬
gebrachten Ringen, Halsbändern, Ketten und Brustnadeln, also auch mit dem
schönen Fräulein selbst, beschäftigen solle, während der Neffe dem Vater Flo¬
ridas beim Auswählen der geeignetsten Barock-Perle zur Hand gehen werde.
Die dabei zu gründe liegende Berechnung erwies sich gar bald als richtig.
Nicht nur merkte der alte Buonaeolsi schon nach wenigen Minuten, das; die
Geriebenheit des handelskuudigen Juweliers das Töchterlein in eine bedenkliche
Bewunderung und Kauflust für alles von ihm Ausgekramte hineintreibe; die
augenscheinlich noch unverhältnismäßig geringen Perlenkenntnissc des Neffen
Antonio und seine Unsicherheit im Ratgeber und Mitauswählen machten aber
auch deu alten Buonaeolsi selbst nur immer unsicherer. Er rief also Ephraim
zu, derselbe möge vor allem bei dem Handel um die Barock-Perlei: selbst mit¬
raten und seinem Neffen das Aufpassen auf die übrigen ausgekramten Neben¬
sachen überlassen.

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Ahasverus, Die Sage vom ewigen Juden. Eine wissenschaftliche Abhandlung "vn
Dr. Paulus Cassel. Mit einem kritischen Protest wider Ed. von Hartmann und Adolf
Stöcker. sGalater 6, 7,> Berlin, Internationale Buchhandlung (I, Gerstmann), 1385.

Paulus Cassel hat in der Judenfrage Stellung gegen den Antisemitismus
genommen. Es erklärt sich dies wohl mehr daraus, daß er von jüdischen Eltern
abstammt, als aus seinem Berufe als Prediger. Zwar betont er in seinen
Broschüren gegen die Antisemiten und für die Juden vor allem das letztere, indem
er sich, Stöcker gegenüber, darauf beruft, daß er, eingedenk seiner Pflicht als christ¬
licher Prediger, "mitten in dem fanatischen Toben politischer Parteien das Banner
der Liebe, wie sie aus Christi Geiste Paulus lehrt, mit Kraft erhoben habe."
Darin liegt zugleich ein Vorwurf für Stöcker. Aber wenn wir auch nicht verkenne"
wollen, daß in einem Streite wie dem über die Judenfrage und in dem Kampfe
gegen jüdische Anmaßung, von welchem Standpunkte ans Stöcker bewußt den Kampf
begonnen hat, nicht immer allein mit Worten der Liebe, sondern bisweilen auch
mit dem Feuer sittlichen Zornes gestritten worden ist, so ist doch Cassel gegenüber
daran zu erinnern, daß es Zeiten giebt, wo auch der Diener des Evangeliums
gewappnet auftreten muß, um die Sache und das Heil seiner Herde zu schützen,
wo Schweigen oder Lcisetreterei nicht nur ein Zeichen der Lauheit und Schwache,
sondern direkt Verrat an dem heiligen Rechte der eignen Sache wäre. Und das


Literatur.

erinnerte, wie ungern Juweliere mit mehr als einer Person zur Zeit zu thun
haben, weshalb er die beiden überflüssigen Zuschauer hinausschickte.

Es war zwischen Ephraim und Giuseppe unterwegs verabredet worden,
daß sich Ephraim zunächst hauptsächlich mit den zu Floridas Augenweide mit¬
gebrachten Ringen, Halsbändern, Ketten und Brustnadeln, also auch mit dem
schönen Fräulein selbst, beschäftigen solle, während der Neffe dem Vater Flo¬
ridas beim Auswählen der geeignetsten Barock-Perle zur Hand gehen werde.
Die dabei zu gründe liegende Berechnung erwies sich gar bald als richtig.
Nicht nur merkte der alte Buonaeolsi schon nach wenigen Minuten, das; die
Geriebenheit des handelskuudigen Juweliers das Töchterlein in eine bedenkliche
Bewunderung und Kauflust für alles von ihm Ausgekramte hineintreibe; die
augenscheinlich noch unverhältnismäßig geringen Perlenkenntnissc des Neffen
Antonio und seine Unsicherheit im Ratgeber und Mitauswählen machten aber
auch deu alten Buonaeolsi selbst nur immer unsicherer. Er rief also Ephraim
zu, derselbe möge vor allem bei dem Handel um die Barock-Perlei: selbst mit¬
raten und seinem Neffen das Aufpassen auf die übrigen ausgekramten Neben¬
sachen überlassen.

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Ahasverus, Die Sage vom ewigen Juden. Eine wissenschaftliche Abhandlung »vn
Dr. Paulus Cassel. Mit einem kritischen Protest wider Ed. von Hartmann und Adolf
Stöcker. sGalater 6, 7,> Berlin, Internationale Buchhandlung (I, Gerstmann), 1385.

Paulus Cassel hat in der Judenfrage Stellung gegen den Antisemitismus
genommen. Es erklärt sich dies wohl mehr daraus, daß er von jüdischen Eltern
abstammt, als aus seinem Berufe als Prediger. Zwar betont er in seinen
Broschüren gegen die Antisemiten und für die Juden vor allem das letztere, indem
er sich, Stöcker gegenüber, darauf beruft, daß er, eingedenk seiner Pflicht als christ¬
licher Prediger, „mitten in dem fanatischen Toben politischer Parteien das Banner
der Liebe, wie sie aus Christi Geiste Paulus lehrt, mit Kraft erhoben habe."
Darin liegt zugleich ein Vorwurf für Stöcker. Aber wenn wir auch nicht verkenne»
wollen, daß in einem Streite wie dem über die Judenfrage und in dem Kampfe
gegen jüdische Anmaßung, von welchem Standpunkte ans Stöcker bewußt den Kampf
begonnen hat, nicht immer allein mit Worten der Liebe, sondern bisweilen auch
mit dem Feuer sittlichen Zornes gestritten worden ist, so ist doch Cassel gegenüber
daran zu erinnern, daß es Zeiten giebt, wo auch der Diener des Evangeliums
gewappnet auftreten muß, um die Sache und das Heil seiner Herde zu schützen,
wo Schweigen oder Lcisetreterei nicht nur ein Zeichen der Lauheit und Schwache,
sondern direkt Verrat an dem heiligen Rechte der eignen Sache wäre. Und das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/496>, abgerufen am 01.05.2024.