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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine Perle.

auf die Schulter und sagte hüstelnd und zitternd, indem er sein Käppchen mit
tiefer Verneigung abzog, das Alter sei bei ihm mit Harthörigkeit, Gallenstein¬
beschwerden, halbem Erblinden und noch zehn bis zwanzig andern unleidlichen
Gebrechen eingezogen; wenn er nicht seinen Neffen Antonio noch zur rechten
Zeit angelernt hätte, so wäre er jetzt ein völlig Hilfloser.

Der Vater Floridas erwiederte einige bedauernde Worte, ließ seine Tochter
das lückenhafte Armband, das sie an der Linken trug, vorzeigen und fragte,
ob Signor Brondolo binnen einer Stunde im Albergo Sanmichele mit den
Barock-Perlen, unter welchen die Wahl zu treffen sei, sich einfinden könne.

Wenn er nicht selbst zu kommen imstande sei, entgegnete der hüstelnde
Greis, so werde er seinen Neffen schicken. Er zieht seine neue Sammtjacke an,
setzte er hüstelnd hinzu, Va"8er^ altg^^Ä braucht nicht zu fürchten, daß er ein
unmanierlicher Tölpel sei, obschon er -- schäme dich, Antonio! -- jetzt in
Hemdsärmeln dasteht. Er war zwei Jahre lang im Dienste Sr. Exzellenz des
Conte Valicr und weiß mit vornehmen Herrschaften umzugehen; nur mit den
Frauenzimmern mag er nichts zu thun haben, das war sein Unglück, sonst wäre
er noch heute im Dienste Sr. Exzellenz; aber die Frauenzimmer haben lieber
Courmacher als Schneemänner -- habe ich recht, Altezza? Wir waren doch
beide auch einmal jung, Altezza! Also spätestens in einer Stunde, nichts für
ungut, Altezza! Hat mich ausnehmend gefreut, Altezza bei so ausnehmender
Gesundheit zu sehen. Und die Signorita nicht zu vergessen! Ganz der lieben
Frau Mutter aus den Augen geschnitten. Ganz die liebe Frau Mutter.

Der alte Buonaeolsi verabschiedete sich mit einem frostigen: In einer Stunde
also. Er hörte lieber, daß seine Tochter ihm selbst nachartete.

Eine Stunde später -- die Buonaeolsis hatten inzwischen im Dome ihre
Abendandacht verrichtet und dann auf Bitten der Cameriera auch noch dem
Kirchlein der heiligen Enfemia einen Besuch abgestattet --, eine Stunde später
fand sich der hüstelnde Juwelier im Geleit seines Neffen mit einigen Lederkasten
voll Perlen und sonstigen Schmucksachen im Albergo Sanmichele ein. Er hatte
zwar versprochen, Giuseppe Gonzaga seine Rolle als Neffe Antonio allein spielen
zu lassen, und er hatte dafür von dem jungen Verschwender eine erkleckliche
Summe bereits eiugeseckelt. Aber seine Juwelen waren ihm doch allzusehr
ans Herz gewachsen. Er vermochte sie nicht ganz in andre Hände zu geben.
So waren denn Onkel und Neffe jetzt selbander im Gasthofe eingerückt, und
Antonio hatte Ursache, damit zufrieden zu sein, denn der alte Buonaeolsi er¬
wies sich als ein im Perlenhandel so wvhlgeschulter Kunde, daß es dem jungen
Edelmann unmöglich gewesen sein würde, ihm ohne die Hilfe des alten Bron¬
dolo Rede zu stehen.

Lazzaro und Eufemia waren wie gewöhnlich zu Handreichungen in der
Nähe geblieben; auf heimliches Betreiben des verkappten Liebhabers machte
ihnen aber Ephraim Brondolo so schiefe Gesichter, daß der alte Buonaeolsi sich


Um eine Perle.

auf die Schulter und sagte hüstelnd und zitternd, indem er sein Käppchen mit
tiefer Verneigung abzog, das Alter sei bei ihm mit Harthörigkeit, Gallenstein¬
beschwerden, halbem Erblinden und noch zehn bis zwanzig andern unleidlichen
Gebrechen eingezogen; wenn er nicht seinen Neffen Antonio noch zur rechten
Zeit angelernt hätte, so wäre er jetzt ein völlig Hilfloser.

Der Vater Floridas erwiederte einige bedauernde Worte, ließ seine Tochter
das lückenhafte Armband, das sie an der Linken trug, vorzeigen und fragte,
ob Signor Brondolo binnen einer Stunde im Albergo Sanmichele mit den
Barock-Perlen, unter welchen die Wahl zu treffen sei, sich einfinden könne.

Wenn er nicht selbst zu kommen imstande sei, entgegnete der hüstelnde
Greis, so werde er seinen Neffen schicken. Er zieht seine neue Sammtjacke an,
setzte er hüstelnd hinzu, Va»8er^ altg^^Ä braucht nicht zu fürchten, daß er ein
unmanierlicher Tölpel sei, obschon er — schäme dich, Antonio! — jetzt in
Hemdsärmeln dasteht. Er war zwei Jahre lang im Dienste Sr. Exzellenz des
Conte Valicr und weiß mit vornehmen Herrschaften umzugehen; nur mit den
Frauenzimmern mag er nichts zu thun haben, das war sein Unglück, sonst wäre
er noch heute im Dienste Sr. Exzellenz; aber die Frauenzimmer haben lieber
Courmacher als Schneemänner — habe ich recht, Altezza? Wir waren doch
beide auch einmal jung, Altezza! Also spätestens in einer Stunde, nichts für
ungut, Altezza! Hat mich ausnehmend gefreut, Altezza bei so ausnehmender
Gesundheit zu sehen. Und die Signorita nicht zu vergessen! Ganz der lieben
Frau Mutter aus den Augen geschnitten. Ganz die liebe Frau Mutter.

Der alte Buonaeolsi verabschiedete sich mit einem frostigen: In einer Stunde
also. Er hörte lieber, daß seine Tochter ihm selbst nachartete.

Eine Stunde später — die Buonaeolsis hatten inzwischen im Dome ihre
Abendandacht verrichtet und dann auf Bitten der Cameriera auch noch dem
Kirchlein der heiligen Enfemia einen Besuch abgestattet —, eine Stunde später
fand sich der hüstelnde Juwelier im Geleit seines Neffen mit einigen Lederkasten
voll Perlen und sonstigen Schmucksachen im Albergo Sanmichele ein. Er hatte
zwar versprochen, Giuseppe Gonzaga seine Rolle als Neffe Antonio allein spielen
zu lassen, und er hatte dafür von dem jungen Verschwender eine erkleckliche
Summe bereits eiugeseckelt. Aber seine Juwelen waren ihm doch allzusehr
ans Herz gewachsen. Er vermochte sie nicht ganz in andre Hände zu geben.
So waren denn Onkel und Neffe jetzt selbander im Gasthofe eingerückt, und
Antonio hatte Ursache, damit zufrieden zu sein, denn der alte Buonaeolsi er¬
wies sich als ein im Perlenhandel so wvhlgeschulter Kunde, daß es dem jungen
Edelmann unmöglich gewesen sein würde, ihm ohne die Hilfe des alten Bron¬
dolo Rede zu stehen.

Lazzaro und Eufemia waren wie gewöhnlich zu Handreichungen in der
Nähe geblieben; auf heimliches Betreiben des verkappten Liebhabers machte
ihnen aber Ephraim Brondolo so schiefe Gesichter, daß der alte Buonaeolsi sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/495>, abgerufen am 21.05.2024.